Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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keinen Fall!«

      Schon war sein Gefährte halb in dem Dickicht verschwunden, als Heyward seinen Arm vorstreckte, und ihn mit der Frage noch einmal anhielt:

      »Wenn ich euch in Gefahr weiß, soll ich da nicht einen Schuß wagen?«

      Hawk-eye sah ihn einen Augenblick an, wie einer, der nicht recht wußte, wie er die Frage nehmen sollte; dann nickte er mit dem Kopfe und antwortete lachend, obgleich kaum hörbar:

      »Ein ganzes Pelotonfeuer, Major!«

      Im nächsten Augenblick verbargen ihn die Blätter. Duncan wartete einige Minuten in fieberhafter Ungeduld, bis er den Kundschafter wieder gewahrte. Jetzt kam dieser von neuem zum Vorschein, auf der Erde liegend, von der ihn sein Anzug schwer unterscheiden ließ, und gerade auf seinen beabsichtigten Gefangenen zukriechend. Als er noch einige Schritte von ihm entfernt war, richtete er sich still und langsam auf. In diesem Augenblick fielen mehrere laute Schläge in das Wasser und Duncan wandte seine Augen gerade noch zur Zeit, um hundert schwarze Gestalten zusammen in das kleine in Aufruhr gebrachte Gewässer plumpen zu sehen. Er griff nach seiner Büchse; und seine Blicke richteten sich wieder auf den nahen Indianer. Statt über den Lärm zu stutzen, streckte der Wilde unwillkührlich den Hals vor, als ob auch er die Bewegungen um den düstern See mit einer Art einfältiger Neugierde bewachen wollte. Mittler Weile schwebte Hawk-eye’s Hand über ihm, sank aber wieder ohne sichtbaren Grund, und ihr Eigenthümer überließ sich von neuem einem langen, obgleich immer noch verborgenen Ausbruch von Heiterkeit. Endlich nachdem sein herzliches Gelächter zu Ende war, gab er, statt sein Schlachtopfer an der Kehle zu fassen, ihm einen leichten Schlag auf die Schulter und rief laut:

      »Wie, Freund, habt ihr vor, die Biber singen zu lehren?«

      »Gewiß,« war die schnelle Antwort. »Das Wesen, das ihnen möglich machte, seine Gaben so gut anzuwenden, wird ihnen nicht die Stimme versagen, sein Lob zu singen.«

       Inhaltsverzeichnis

      Grund. Sind wir alle beisammen?

       Quitte. Nun hier ist ein ungemein

       Bequemer Ort für unsere Probe.

      Shakespeare.

      Der Leser wird sich Heyward’s Ueberraschung eher vorstellen können, als wir sie zu beschreiben vermögen. Seine lauernden Indianer waren plötzlich in vierfüßige Thiere umgewandelt, sein See in einem Biberteich, sein Wasserfall in einem Damm von diesen fleißigen und erfinderischen Vierfüßlern angelegt, ein verdächtiger Feind in einen erprobten Freund, David Gamut, den Meister im Psalmengesang. Die Gegenwart des Letztern rief so viel unerwartete Hoffnung in Betreff der Schwestern in’s Leben, daß der junge Mann, ohne sich einen Augenblick zu bedenken, aus seinem Verstecke hervor sprang und auf die beiden Hauptspieler in dieser Scene zueilte.

      Hawk-eye’s lustige Laune ließ sich nicht so leicht unterdrücken. Ohne Weiteres drehte er mit rauher Hand den geschmeidigen Gamut auf der Ferse herum und versicherte mehr denn einmal, die Wahl seines Costüms mache den Huronen alle Ehre; dann ergriff er des Gefährten Hand, drückte sie mit einer Kraft, die dem ehrlichen David Thränen aus den Augen preßte, und wünschte ihm Glück zu seiner neuen Stellung.

      »So waret Ihr also wirklich im Begriff, unter den Bibern eine Singschule aufzuthun, nicht wahr?« fragte er: »die gelehrigen Teufel haben den Handel schon halb los, sie schlagen mit ihren Schwänzen den Takt, wie Ihr eben gehört habt. Uebrigens hatten sie Zeit dazu, sonst hätte ihnen mein Wildtödter den ersten Ton angegeben. Ich habe Leute gekannt, die lesen und schreiben konnten, und nicht halb so viel verstanden, als ein alter Biber. Was aber das Singen betrifft, so läßt sich nichts mit ihnen machen. Die armen Thiere sind stumm geboren. Was haltet Ihr von einem Gesang, wie dieser?«

      David hielt sich die Hände vor die beleidigten Ohren, als das Krächzen einer Krähe durch die Luft ertönte, und selbst Heyward, obgleich er die Natur des Geschrei’s kannte, sah unwillkürlich empor, als wollte er den Vogel suchen. »Seht,« fuhr der Kundschafter lachend fort, indem er auf seine zwei Begleiter deutete, die, dem Signale folgend, bereits herbeikamen, »das heiß’ ich ‘ne Musik, die Saft und Kraft hat! Sie bringt zwei gute Büchsen an meine Seite, der Messer und Tomahawks zu geschweigen. Doch wir sehen, daß Ihr gesund und wohlbehalten seyd, nun sagt uns, was aus den Mädchen geworden ist.«

      »Sie sind in der Gefangenschaft der Heiden,« sprach David, »und wenn auch im Geiste sehr betrübt, doch körperlich völlig wohlbehalten und sicher.«

      »Beide?« fragte Heyward, beinahe athemlos.

      »Gewiß. Wenn auch unsere Reise anstrengend, und unsere Kost nicht die beste war, so hatten wir doch wenig zu klagen, außer dem Zwang, den man unserer Neigung anthat, indem man uns in ein fernes Land zur Gefangenschaft führte.«

      »Gott segne Euch für diese Worte!« rief der zitternde Munro, »so erhalt’ ich denn meine Kinder so unverletzt und engelrein wieder, als ich sie verloren habe!«

      »Ich glaube nicht, daß Ihre Befreiung so nahe ist,« entgegnete der zweifelnde David. »Der Anführer dieser Wilden ist von einem bösen Geiste besessen, den nur die Allmacht des Herrn zähmen kann. Schlafend und wachend habe ich’s bei ihm versucht, aber weder Töne noch Worte scheinen seine Seele zu rühren,«

      »Wo ist der Schurke?« unterbrach ihn der Kundschafter ungestüm.

      »Er jagt heute mit seinen jungen Leuten das Mußthier, und morgen, höre ich, ziehen sie weiter in die Wälder, näher an die Gränze Canadas. Das ältere Mädchen ist zu einem benachbarten Volke gebracht worden, dessen Wohnungen dort hinter jenen schwarzen Felsengipfeln liegen; die jüngere aber muß bei den Weibern der Huronen bleiben, deren Hütten nur zwei kurze Meilen von hier auf einem Tafellande stehen, wo das Feuer die Dienste der Axt versehen, und den Ort für ihre Aufnahme bereitet hat.«

      »Alice, meine sanfte Alice!« rief Heyward mit gedämpfter Stimme, »Du hast sogar den Trost verloren, bei Deiner Schwester zu seyn.«

      »Gewiß. Aber alle Aufrichtung, die das Gebet und Lobgesänge dem niedergebeugten Geist geben können, ist ihr zu Theil geworden.«

      »Hat sie denn noch Sinn für die Musik?«

      »Ja, wenn sie ernst und feierlich ist; obgleich ich bekennen muß, daß das Mädchen, allen meinen Bemühungen zum Trotz, öfter weint, als lächelt. In solchen Augenblicken gebiete ich den heiligen Gesängen Schweigen; aber es gibt manche liebliche Momente tröstlicher Mittheilung, da dann die Wilden erstaunt aufhorchen, wenn wir unsere Stimmen zum Himmel erheben.«

      »Und warum läßt man Euch so unbewacht umher gehen?«

      David versuchte seinen Zügen einen Ausdruck bescheidener Demuth zu geben, ehe er mit sanfter Stimme antwortete:

      »Wenig Ruhm gebührt einem Wurme, wie ich bin. Aber wenn auch die Macht des Psalmengesangs während der Scene auf jenem schrecklichen Blutfeld unterbrochen ward, so hat er doch selbst auf die Gemüther der Heiden seinen Einfluß wieder gewonnen, und ich darf gehen und kommen, wie ich will.«

      Der Kundschafter lachte, berührte bedeutungsvoll seine eigene Stirne und erklärte vielleicht diese absonderliche Nachsicht noch genügender, indem er sagte:

      »Die Indianer thun einem Verwirrten nie etwas zu Leide. Warum aber, wenn der Weg offen vor Euch lag, wandeltet Ihr nicht auf Eurer eignen Fährte, die nicht so spurlos ist, als die eines Eichhorns, zurück, und habt Kunde nach dem Fort Edward gebracht?«

      Der Kundschafter, der blos seine unerschütterliche Eisennatur im Auge hatte, verlangte von David eine Leistung, die dieser wahrscheinlich unter keinen Umständen vollbracht hätte. Ohne aber seinen sanften Ausdruck ganz zu verlieren, begnügte sich der Psalmensänger zu antworten:

      »Wenn sich auch mein Geist nach den Wohnungen des Christenthums zurück sehnt, so wollten doch meine Füße lieber den zarten Wesen, die meiner Obhut anvertraut


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