Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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Gleichgültigkeit begann sich auch den andern Zuschauern mitzutheilen, und ein Jüngling, der eben erst aus dem Knabenalter in die Jahre der Mannheit hinüberschritt, kam der keifenden Alten zu Hülfe, indem er, einen Tomahawk vor dem Schlachtopfer schwingend, ihren Hohn mit seinen leeren Ruhmreden verstärkte. Jetzt wandte der Gefangene sein Antlitz nach dem Lichte und sah auf den Knaben mit einem Blick herab, der mehr als Verachtung ausdrückte! im nächsten Augenblick aber nahm er die ruhige, lehnende Haltung gegen den Pfosten wieder ein: aber diese Veränderung der Stellung hatte Duncan vergönnt, einige Blicke mit den festen, durchdringenden Augen des Gefangenen – mit Uncas zu wechseln.

      Athemlos vor Erstaunen und schwer geängstet über die gefährliche Lage des Freundes, wich Heywald diesem Blicke aus, zitternd, das Verderben des Gefangenen – wußte er auch nicht wie – zu beschleunigen. Doch diese Furcht war für den Augenblick unnütz. Jetzt drängte sich ein Krieger durch die erhitzte Menge, Weiber und Kinder mit ernster Miene bei Seite weisend, nahm Uncas beim Arm und führte ihn gegen die Thüre des Versammlungshauses. Alle Häuptlinge und die meisten ausgezeichneten Krieger der Nation folgten, und der ängstliche Heyward fand Mittel, sich unter ihnen mit einzudrängen, ohne eine ihm selbst gefährliche Aufmerksamkeit zu erregen.

      Einige Minuten gingen darüber hin, den Anwesenden nach ihrem Rang und Einfluß in dem Stamme Plätze anzuweisen. Die Ordnung war ziemlich dieselbe, wie bei dem früheren Zusammentreffen: die älteren und höheren Häuptlinge nahmen den Vordergrund des geräumigen Gemaches ein, hell beleuchtet von dem blendenden Lichte einer Fackel, indeß die jüngeren, untergeordneteren Krieger im Hintergründe sich sammelten, eine dunkle Masse schwärzlicher Gestalten und scharf ausgeprägter Gesichtszüge. Mitten im Kreise, unmittelbar unter einer Oeffnung, durch welche ein Paar Sterne flimmerten, stand Uncas, ruhig, erhaben, gefaßt. Seine Hoheit und Würde verfehlte ihres Eindruckes auf die Sieger nicht: ihre Blicke wandten sich oft mit einem Ausdruck auf ihn, der, die Unbeugsamkeit ihrer Entschlüsse verkündend, dennoch Von Bewunderung für den kühnen Muth des Fremdlings zeugte.

      Anders das Individuum, welches Duncan vor dem verzweifelten Reihenlauf neben seinem Freunde hatte stehen sehen. Statt an der Jagd Theil zu nehmen, war der Gefangene während dieses wilden Aufruhrs, einem Bilde der Scham oder des Unglücks gleich, niedergedrückt dagestanden. Obgleich keine Hand sich ausgereckt hatte ihn zu grüßen, kein Auge sich herabließ, seine Bewegungen zu bewachen, war auch er gleichfalls in die Hütte eingetreten, als zöge ihn ein Verhängniß, dem er sich ohne Kampf fügen müsse. Heyward benützte die erste Gelegenheit, ihm ins Gesicht zu sehen, in der geheimen Besorgniß, auch in seinen Zügen einem Bekannten zu begegnen; allein sie waren die eines fremden, und, was ihm noch unerklärlicher schien, er trug alle unterscheidenden Merkmale eines Huronenkriegers. Statt jedoch unter seinen Stamm zu treten, setzte er sich bei Seite, einsam mitten unter der Menge, und duckte sich in eine demüthige Stellung, als wollte er so wenig als möglich Raum einnehmen. Als Jeder den ihm zukommenden Platz eingenommen hatte und allgemeine Stille eingetreten war, begann der Häuptling mit grauen Haaren, den wir bereits erwähnt haben, in der Sprache der Lenni-Lenapen:

      »Delaware,« sprach er, »obgleich aus einer Nation von Weibern, so hast du dich doch als ein Mann erprobt. Gerne würd’ ich dir Nahrung geben, aber wer mit einem Huronen ißt, muß sein Freund werden. Ruhe im Frieden bis zur Morgensonne, dann soll unser letztes Wort gesprochen werden.«

      »Sieben Nachte und sieben Sommertage habe ich auf der Fährte der Huronen gefastet,« erwiederte kaltblütig Uncas. »Die Kinder der Lenapen wissen auf dem Pfade der Gerechten zu wandeln, ohne sich mit Essen aufzuhalten.«

      »Zwei meiner jungen Krieger verfolgen deinen Begleiter,« fuhr der Andere wieder fort, ohne, wie es schien, auf die Ruhmrede seines Gefangenen zu achten; »wenn sie zurück sind, werden unsere weisen Männer zu dir sagen: leb’ oder stirb!«

      »Hat ein Hurone keine Ohren?« rief Uncas verächtlich aus. »Zwei Mal hat der Delaware, seit er euer Gefangener ist, den Knall einer Büchse gehört, die er wohl kennt. Eure jungen Männer kehren nimmer zurück!«

      Eine kurze und düstere Pause folgte dieser kühnen Behauptung. Duncan, welcher merkte, daß der Mohikaner auf die verhängnißvolle Büchse des Kundschafters anspielte, beugte sich vorwärts, ängstlich zu beobachten, welchen Eindruck diese Worte auf die Sieger machen würden; der Häuptling begnügte sich aber, einfach zu erwiedern:

      »Wenn die Lenapen so geschickt sind, warum ist einer ihrer tapfersten Krieger hier?«

      »Er folgte den Fußstapfen eines fliehenden Feiglings und fiel in eine Schlinge. Auch der schlaue Biber kann gefangen werden.«

      Während Uncas so sprach, deutete er mit dem Finger auf den einsamen Huronen, ohne jedoch einem so unwürdigen Gegenstande weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Antwort und die Miene des Sprechers brachten unter seinen Zuhörern große Aufregung hervor. Aller Augen wandten sich finster auf den durch jene einfache Geberde Bezeichneten und ein dumpfes, drohendes Gemurmel lief durch die Versammelten. Diese verhängnißvollen Laute erreichten die äußere Thüre und das Ohr der Weiber und Kinder, die so dicht zusammengedrängt standen, daß zwischen Schulter und Schulter keine Lücke blieb, die nicht durch die dunkeln Lineamente eines neugierigen menschlichen Gesichtes ausgefüllt worden wäre. Indessen verkehrten die älteren Häuptlinge in der Mitte unter einander in kurzen, abgebrochenen Sätzen. Kein Wort ward gesprochen, das nicht die Meinung des Sprechers auf die einfachste, kräftigste Weise zu erkennen gab. Abermals trat eine lange, feierliche Stille ein. Sie war, wie Alle wußten, der ernste Vorbote eines wichtigen und schweren Urtheilspruchs. Die den äußeren Kreis Bildenden, stellten sich auf die Zehenspitzen, um sehen zu können; selbst der Schuldige vergaß für einen Augenblick seiner Schmach und gab, von einem stärkeren Gefühle ergriffen, seine niedergeschlagenen Gesichtszüge preis, um einen ängstlichen, unruhigen Blick auf die finstere Versammlung der Häuptlinge zu werfen. Das Stillschweigen ward endlich von dem öfter genannten betagten Häuptlinge unterbrochen. Er erhob sich von der Erde, ging an der unbeweglichen Gestalt des Mohikaners vorbei und stellte sich in würdevoller Haltung vor den Schuldigen. In diesem Augenblick trat die vorerwähnte alte Squaw, eine Fackel in der Hand in den Kreis, auf die eine Seite geneigt einen langsamen Tanz beginnend und die unverständlichen Worte einer Art von Beschwörung murmelnd. Obgleich sie sich ungerufen eingedrängt hatte, so ließ man sie dennoch gewähren.

      Als sie sich Uncas genähert hatte, hielt sie ihm den lodernden Feuerbrand dicht entgegen, dessen rother Schein ein so volles Licht auf ihn warf, daß man die geringste Bewegung in seinen Gesichtszügen unterscheiden konnte. Der Mohikaner beharrte in seiner festen, stolzen Haltung; und sein Auge, verschmähend, ihrem forschenden Blicke zu begegnen, schaute fest in die Ferne, als ob es die Hindernisse, die seine Blicke hemmten, durchdränge und in die Zukunft schaute. Zufrieden mit ihrer Untersuchung, verließ sie ihn mit einem leichten Ausdruck des Vergnügens, um ihren schuldigen Landsmann derselben Probe zu unterwerfen.

      Der junge Hurone war mit den Kriegsfarben seines Stammes bemalt und sein Anzug verhüllte wenig von seinen schön gebildeten Formen. Das Licht ließ alle Glieder und Gelenke genau unterscheiden; aber schaudernd wandte sich Duncan ab, als er sah, wie sie in unbesiegbarer Todesangst rangen. Die Alte stimmte bei diesem traurigen und schimpflichen Anblick ein tiefes klagendes Geheul an; der Häuptling aber streckte seinen Arm aus und drängte sie sanft auf die Seite.

      »Schwankendes Rohr!« sprach er, den jungen Schuldigen bei seinem Namen und in seiner Muttersprache anredend; »obgleich der große Geist dich gefällig für das Auge geschaffen hat, so wäre es doch besser, du wärest nicht geboren worden. Deine Zunge ist laut in dem Dorf, aber stumm in der Schlacht. Keiner meiner Jünglinge schlägt den Tomahawk tiefer in den Kriegspfosten – keiner so schwach auf die Yengeese. Die Feinde kennen die Gestalt deines Rückens, haben aber nie die Farbe deiner Augen gesehen. Drei Mal haben sie dir zugerufen, zu kommen, und eben so oft hast du vergessen zu antworten. Dein Name wird in deinem Stamme nie wieder genannt werden. – Er ist bereits vergessen.«

      Während der Häuptling langsam diese Worte sprach, und nachdrucksvoll zwischen jedem Satze innehielt, erhob der Schuldige aus Achtung vor dem Rang und den Jahren des Andern sein Antlitz. Scham, Schrecken und Stolz kämpften in seinen Zügen. Sein Auge, vor innerem Schrecken krampfhaft zusammengezogen, irrte auf den Personen umher, von deren


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