Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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Gestrüpp lagen in der Lichtung zerstreut umher, und eine erfahrene, alte Squaw war beschäftigt, deren so viele anzuzünden, als zur Beleuchtung der kommenden Scene erforderlich war. Die Flamme schlug empor, sie war mächtiger als der scheidende Tag, und ließ die Gegenstände zwar deutlich, aber nur um so gräßlicher erscheinen. Die ganze Scene bot das fesselndste Gemälde, dessen Rahmen der dunkle Saum der hohen Fichten bildete. Die neu angekommenen Krieger waren am weitesten entfernt, im Vordergrunde aber standen zwei Männer, aus der Zahl der Uebrigen auserwählt, um in dem nun beginnenden Schauspiele die Hauptrollen zu spielen. Das Licht war nicht stark genug ihre Gesichtszüge deutlich erkennen zu lassen, aber man sah wohl, daß sie von sehr verschiedenen Gefühlen bewegt wurden. Während der Eine in fester Haltung aufrecht stand, bereit, seinem Schicksal als Held sich zu unterwerfen, senkte der Andere sein Haupt, als wäre er von Schrecken gelähmt oder von Scham darnieder gedrückt. Der edelmüthige Duncan fühlte sich mächtig angetrieben, dem Ersteren Bewunderung und Theilnahme zu zollen, obgleich sich keine Gelegenheit bot, seinen edeln Regungen Worte zu geben. Er bewachte mit unverwandtem Auge seine geringsten Bewegungen, und während er den leichten Umrissen eines wunderbar schön gebildeten und kräftigen Körpers folgte, suchte er sich zu überreden, daß wenn es in der Macht eines Menschen stehe, unterstützt durch Muth und Entschlossenheit die Probe so schwerer Gefahr glücklich zu bestehen, der junge Gefangene wohl auf Glück in dem ihm bevorstehenden gewagten Laufe hoffen dürfe. Unvermerkt näherte sich der junge Mann den dunkeln Reihen der Huronen, und athmete kaum, so gespannt war sein Interesse für das ganze Schauspiel. Jetzt ertönte das Signalgeschrei, und die augenblickliche Stille, welche vorangegangen war, wurde durch einen Ausbruch von Geheul unterbrochen, der seines Gleichen noch nicht gefunden hatte. Das eine so sehr niedergeschlagene Schlachtopfer blieb regungslos stehen, der Andere aber sprang bei dem Schrei mit der Geschwindigkeit und Gewandtheit eines Hirsches davon. Statt durch die feindlichen Linien, wie man erwartet hatte, zu stürzen, hatte der Gefangene kaum die gefährliche Enge erreicht, als er sich wandte und ehe ein Streich gegen ihn geführt werden konnte, über die Köpfe einer Reihe Kinder setzte und mit einem Mal die äußere, sicherere Seite der furchtbaren Kriegerreihe gewann. Dieser List folgten hundertstimmige Verwünschungen: die ganze, aufgeregte Menge stob auseinander und zerstreute sich in wilder Verwirrung über den Platz.

      Ein Dutzend Haufen brennenden Gestrüppes ergossen ihr röthliches Licht über den Platz, der einer unheimlichen, geisterhaften Kampfstätte glich, wo böse Dämonen sich versammelt hatten, ein blutiges, ruchloses Werk zu beginnen. Die Gestalten im Hintergrunde glichen überirdischen Wesen, während sie vor dem Auge vorbeiglitten und die Lüfte mit tollen und sinnlosen Bewegungen durchschnitten: die wilden Leidenschaften solcher aber, die an der Flamme vorüber kamen, erschienen furchtbar deutlich in dem Lichte, das über ihre wuthsprühenden Züge lief.

      Es läßt sich leicht denken, daß unter solch einem Getümmel rachedürstender Feinde der Flüchtling nicht zu Athem kommen konnte. Einen einzigen Augenblick schien es, als ob er den Wald erreichen würde; aber der ganze Schwarm der Sieger warf sich ihm entgegen und trieb ihn in die Mitte einer erbarmungslosen Verfolgung zurück. Sich umwendend, wie ein eingeholter Hirsch, schoß er pfeilschnell über ein hoch aufloderndes Feuer, durchdrang die ganze Menge ungefährdet und erschien wieder auf der entgegengesetzten Seite der Lichtung. Aber auch hier traf er auf einige der älteren und schlaueren Huronen, die ihn abermals zurücktrieben. Noch einmal warf er sich in das Gedränge, als ob er in der allgemeinen Verwirrung Sicherheit suchte, und dann vergingen einige Augenblicke, während welcher Duncan den gewandten und muthigen jungen Fremdling verloren glauben mußte. Man konnte nichts unterscheiden als eine dunkle Masse menschlicher Gestalten, welche sich in einem verworrenen Getümmel stießen und durch einander drängten. Arme, blitzende Messer und furchtbare Keulen ließen sich erkennen, aber die Streiche wurden augenscheinlich nur aufs Gerathewohl geführt. Der furchtbare Eindruck dieser Scene ward noch erhöht durch das durchdringende Geschrei der Weiber und das wilde Geheul der Krieger. Hier und da fiel ein flüchtiger Lichtschein auf eine leichte Gestalt, welche in verzweifeltem Sprunge durch die Luft schoß, und ließ Duncan mehr hoffen als glauben, der Gefangene sey immer noch Herr seiner bewundernswürdigen Stärke und Gewandtheit. Plötzlich warf sich die Menge zurück nach der Stelle, wo er selber stand: die schwerfällige Masse der Verfolger drängte die Weiber und Kinder im Vorgrunde und warf einige zu Boden. Der Fremde ward in der Verwirrung wieder sichtbar. Menschliche Kräfte aber mußten einer so fürchterlichen Probe erliegen. Dies schien der Gefangene zu fühlen: die augenblickliche Oeffnung benutzend, brach er aus der Mitte der Krieger hervor und machte einen verzweifelten und, wie es Duncan schien, letzten Versuch, den Wald zu gewinnen. Gleich als wüßte er, daß ihm von dem jungen Soldaten keine Gefahr drohe, berührte er ihn beinahe auf seiner Flucht, dicht an ihm vorbei eilend. Ein hoher, mächtiger Hurone, der seine Kräfte bisher geschont hatte, war ihm auf den Fersen und drohte mit aufgehobenem Arm einen tödlichen Streich zu führen, Duncan streckte seinen Fuß vor und dieser Stoß warf den ungestümen Wilden weit vor sein beabsichtigtes Opfer gestreckt auf die Erde hin. Mit Gedankenschnelle benützte der Verfolgte den Vortheil: er wandte sich, blitzte einem Meteore gleich vor Duncan vorbei und im nächsten Augenblick, als dieser seine Besinnung wieder gewann und nach dem Gefangenen umschaute, sah er ihn ruhig gegen einen kleinen bemalten Pfosten vor dem Thor der Haupthütte gelehnt dastehen.

      Aus Furcht, die Rolle, die er bei dieser Rettung gespielt, möchte ihm selbst verderblich werden, verließ Duncan ohne Verzug seinen Platz und folgte dem Haufen, der sich unmuthig und düster nach den Wohnungen zog, einer schaulustigen Volksmenge ähnlich, die vergeblich auf eine Hinrichtung gewartet hat. Neugierde oder vielleicht ein besseres Gefühl trieb ihn, sich dem Fremden zu nähern. Dieser hielt mit einem Arm den schützenden Pfosten umschlungen und athmete nach seiner verzweifelten Anstrengung tief und schwer, doch zu stolz, das geringste Zeichen des Leidens von sich zu geben. Er war jetzt durch eine unvordenkliche und heilige Sitte geschützt, bis der Stamm in voller Versammlung sein Schicksal berathen und entschieden hatte. Wenn man übrigens aus der Stimmung derer, die den Platz umgaben, Schlüsse ziehen dürfte, so war das Ergebniß leicht vorauszusehen.

      Kein Schimpfwort gab es in der Huronensprache, das die getäuschten Weiber nicht gegen den glücklichen Fremden verschwenderisch ausgestoßen hätten. Sie höhnten seine Anstrengungen und sagten ihm mit bitterem Spott, daß seine Füße besser als seine Hände seyen; daß er Flügel verdiente, da er weder Pfeil noch Messer zu kennen scheine. Der Gefangene gab auf alles dies keine Antwort, sondern begnügte sich, eine Stellung zu beobachten, in der sich Würde wunderbar mit Verachtung mischte. Diese Ruhe sowohl, als das gute Glück des Gefangenen erbitterten die Weiber gleich sehr, ihre Worte erstickten und gingen in ein schrilles, durchdringendes Geheul über. Gerade jetzt drang die geschäftige Alte, welche die Vorsicht gebraucht hatte, das Gesträuch in Brand zu stecken, durch die Menge und machte sich vor dem Gefangenen freie Bahn. Die schmutzige und verwitterte Erscheinung dieser Unholdin mochte leicht auf ein Vorhandenseyn übermenschlicher Kräfte schließen lassen. Ihr leichtes Gewand zurückwerfend, streckte sie höhnisch ihren langen knöchernen Arm vor und rief, um dem Gegenstand ihrer Schmähungen verständlicher zu werden, in der Sprache der Lenapen: »Höre mich, Delaware,« schrie sie, indem sie ihm in’s Antlitz ein Schnippchen schlug, »Deine Nation ist ein Geschlecht von Weibern; die Hacke schickt sich besser für Eure Hände als die Büchse. Eure Squaws gebären Hirsche; käme ein Bär, eine wilde Katze oder eine Schlange unter Euch zur Welt, so würdet Ihr Reißaus nehmen. Die Huronenmädchen sollen dir Weiberröcke machen und wir wollen nach einem Manne für dich sehen.«

      Ein wildes Gelächter folgte diesem Angriff, und die sanften, melodischen Töne der jüngeren Frauen klangen seltsam mit der kreischenden Stimme der ältern und boshafteren Genossin zusammen. Allein der Fremde trotzte allen diesen Bemühungen. Sein Haupt blieb unbeweglich, nicht die leiseste Kenntniß schien er von den Anwesenden zu nehmen, außer wenn sein stolzes Auge von Zeit zu Zeit gegen die dunkeln Gestalten der Krieger rollte, welche – schweigende, finstere Beobachter der Scene – in dem Hintergrunde auf und nieder schritten.

      Wüthend über die Selbstbeherrschung des Gefangenen, stemmte die Alte ihre Arme in die Seite, warf sich in eine herausfordernde Stellung und brach von Neuem in einen Strom von Schmähungen, welche keine Kunst vermögend wäre, mit Erfolg zu Papier zu bringen. Sie verströmte jedoch vergeblich ihren Athem: obgleich sie unter ihrem Volke als eine Heldin in der Kunst zu schmähen gelten konnte, und sich in eine Wuth


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