Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman. Marie Louise Fischer
Mann?« Helmut merkte selber, daß er Dr. Brocksieper mit offenem Mund anstarrte, und preßte schnell die Lippen aufeinander.
»Das liegt doch auf der Hand. Da war doch dieser Drang, unbedingt aus dem Haus zu kommen. Die täglichen Fahrten nach Düsseldorf. Selbst wenn wir unterstellen, daß das anfangs noch ganz harmlos war – es wäre doch fast unglaublich, wenn sie in all der Zeit nicht jemanden kennengelernt hätte.«
»Nein«, erklärte Helmut entschieden, »das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Und warum nicht? Selbst die kältesten Ehefrauen . . . «
»Nein. Sie ist gar nicht kalt.« Helmut wurde plötzlich bewußt, daß es in den letzten Jahren fast immer Martina gewesen war, die in ihren intimen Beziehungen die Initiative ergriffen hatte.
»Eine leidenschaftliche Frau also«, schloß der Rechtsanwalt.
»Sie würde mich niemals betrügen!«
»Was läßt Sie so denken, Herr Stadelmann? Seien Sie mal ehrlich, steckt da nicht doch ’ne Menge männlicher Eitelkeit dahinter? Was nicht sein darf, kann auch nicht sein?«
Doch Helmut blieb stur. »Ich kann es mir nicht vorstellen. Wenn sie einen anderen hätte, dann wäre sie gleich zu mir gekommen . . . «
Er stockte.
»Da haben wir’s.« Dr. Brocksieper strich sich mit dem Zeigefinger über seinen sorgfältig gestutzten kleinen Schnurrbart. »Sie müssen mir zugeben, es wäre doch immerhin möglich, daß sich die beiden Ereignisse – Ihr Ehebruch und die Scheidungsabsicht Ihrer Frau – sozusagen überschnitten hätten. Wenn Sie mich fragen: Ich würde es unbedingt für nützlich halten, der Sache auf den Grund zu gehen. Wie die Dinge stehen, haben wir ja nichts zu verlieren – aber eine Menge zu gewinnen.«
Helmut Stadelmanns offenes Gesicht drückte deutlich das Unbehagen aus, das er empfand. »Wenn Sie meinen, Herr Doktor, werde ich mit ihr sprechen.«
»Nein, das eben meine ich nicht. Nichts gegen Ihr diplomatisches Geschick, mein lieber Stadelmann, aber Sie sind viel zu emotionell beteiligt.«
»Wollen Sie selber . . .?«
»Was für eine Veranlassung hätte Ihre Frau, mir die Wahrheit zu sagen? Nein, nein, wir machen das anders. Ich werde eine Detektei einschalten.«
»Sie wollen ihr nachspionieren?«
»Rücksichtnahme zahlt sich selten aus, besonders dann nicht, wenn es um die Schuldfrage in einem Scheidungsprozeß geht. Glauben Sie mir, lieber Herr Stadelmann, ich habe allzu oft erlebt, daß Ehemänner zuerst großspurig alle Schuld auf sich genommen haben, um dann ein ganzes Leben darunter zu leiden. Auch wenn Sie keinen Wert auf das Sorgerecht für Ihre Kinder legen . . . «
»Doch. Ich gebe sie nur höchst ungern auf. Aber hätte ich denn überhaupt eine Chance?«
»Wenn wir die Mitschuld Ihrer Ehefrau nachweisen können – ja. Zwar ist es üblich, die Kinder unter zehn Jahren der Mutter zuzusprechen, aber wenn wir ihr Ehebruch oder auch nur ehewidriges Verhalten nachweisen können, dann geriete natürlich auch ihr Versuch, eine berufliche Ausbildung nachzuholen, in ein anderes Licht. Dann könnten wir ihr Vernachlässigung der Familie und des Haushalts vorwerfen, könnten behaupten, daß sie unfähig und unwürdig zur Versorgung und Erziehung der Kinder ist.«
»Aber wir können ihr die Kinder doch nicht wegnehmen!« protestierte Helmut spontan. »Und was sollte ich denn auch . . . «
»Immer mit der Ruhe!« Der Rechtsanwalt hob die gepflegte Hand. »Noch ist Ihre Gattin ja keineswegs überführt, und selbst im günstigsten Fall würde das Gericht sich unserer Beweisführung nicht völlig anschließen. Aber wir hätten etwas gegen sie in der Hand, verstehen Sie? Wir könnten ihre finanziellen Forderungen herunterschrauben. Für die Kinder müssen Sie natürlich in jedem Fall zahlen, aber dieses reichlich unverschämte Verlangen nach einer Abfindung . . . «
»Damit kommt sie nicht durch!«
»Wenn wir ihr eine Mitschuld am Scheitern Ihrer Ehe nicht anlasten können, kommt sie durch. Also, wie ist es?«
»Machen Sie es, wie Sie es für richtig halten, Herr Doktor. Ich kenne mich in solchen Dingen nicht aus.«
Die Mitschülerin, die Martina – nicht nur altersmäßig – am nächsten stand, war Irene Klose, eine Arztfrau, die, als sie heiratete, ihr eigenes Studium abgebrochen hatte und nun, da die Ehe kinderlos geblieben war, auf der Suche nach einem befriedigenden Beruf war. Die beiden jungen Frauen wußten es so einzurichten, daß sie beim Unterricht nebeneinander saßen, und danach pflegten sie zusammen bis zum Graf-Adolf-Platz zu gehen. Hier mußte Irene Klose die Straßenbahn nach Benrath nehmen; manchmal begleitete sie Martina aber noch ein Stück weiter in Richtung Hauptbahnhof. Verabredungen trafen die beiden jungen Frauen nie miteinander, noch besuchten sie sich gegenseitig in ihrem Zuhause; dazu fehlte es ihnen einfach an Zeit.
»Du, gestern ist mir was Komisches passiert«, platzte Irene Klose eines Morgens gleich nach der Begrüßung heraus.
Sie nahmen auf einer der ansteigenden Bänke des Chemiesaals Platz, von denen aus man freie Sicht auf den Labortisch hatte.
»Erzähl mal!«
Aber dazu kam es nicht mehr, denn schon trat Dr. Biswanger ein, und in der nächsten Stunde wurde die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Emulgatoren bei der Herstellung von Massagecremes und Massageölen gerichtet.
Danach kam Irene nicht mehr auf das angeschnittene Thema zurück. Erst nachmittags, auf dem Weg zum Bahnhof, fiel es Martina wieder ein. »Was war gestern?« fragte sie. »Wolltest du mir nicht was erzählen?«
»Ach ja, diese komische Person in der Straßenbahn . . . Das heißt, äußerlich komisch war sie gar nicht, sondern ganz normal. Wir hatten beide keinen Sitzplatz, und in einer Kurve wurde sie gegen mich geschleudert. Sie entschuldigte sich und fing ein Gespräch mit mir an. Sie behauptete, ich wäre ihr vom Sehen her bekannt . . . «
»Ist doch gut möglich. Schließlich fährst du ja jeden Tag ziemlich um die gleiche Zeit hin und zurück.«
»Stimmt schon. Aber im allgemeinen beobachtet man seine Mitmenschen doch nicht so genau. Außerdem hat sie angeblich nicht nur mich gesehen, sondern auch meine ›aparte Freundin‹. Damit hat sie dich gemeint.«
»Ach so?«
»Sie sprach ganz beiläufig, so abgehackt, wie man eben in der Straßenbahn miteinander spricht. Ich fand eigentlich gar nichts dabei. Erst nachträglich ist es mir so vorgekommen, als wenn’s komisch gewesen wäre.«
»Komisch inwiefern?«
»Sie kam immer wieder auf dich zu sprechen. Du sähst zwar sehr gut aus, sagte sie, aber es ginge auch eine gewisse Kälte von dir aus . . . «
»So ein Quatsch!«
»Du hättest bestimmt keinen Erfolg bei Männern!«
»Die spinnt wohl!«
»Das habe ich ihr auch gesagt, und da wollte sie es denn gleich ganz genau wissen. Was du für Verehrer hast. Ob du mit einem gehst . . . «
»Was geht denn die das an?«
»Zuerst habe ich gedacht, es wäre reine Neugier. Bloß einfach Klatschsucht. Ich habe ihr gesagt, daß du verheiratet bist und überhaupt keine Zeit für Flirts hast. ›Also doch kalt‹, sagte sie. Und ich: ›Das hat damit gar nichts zu tun!‹ – Zu allem Überfluß wollte sie mich auch noch ins Schloß-Café einladen.«
»Verrückt.«
»Nicht wahr?« Irene schob ihren Arm unter den Martinas. »Ich habe sie mit Mühe und Not abgeschüttelt. Lästige Person, dachte ich – aber nachträglich kommt’s mir so vor, als wenn noch mehr dahinterstecken könnte.«
»Was?«
»Denk doch mal nach, Martina. Du willst geschieden werden, und du hast gesagt, dein Mann ist nicht damit einverstanden . . . «
»Klar,