Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman. Marie Louise Fischer

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blieb stehen. »Sich wehrt? Was meinst du damit?«

      Auch Irene verhielt ihren Schritt.

      »Ich kenne ihn natürlich nicht, und ich kann auch nichts beweisen. Aber es wäre doch möglich, daß er jemanden auf dich angesetzt hätte.«

      Martina lachte. »Du liest wohl zuviel Krimis?«

      »Wenn du es so auffaßt! Ich will dir keineswegs was einreden. Ich dachte nur, ich müßte dich warnen.«

      »Lieb von dir, aber völlig unnötig. Helmut täte so was nicht. Dazu ist er nicht der Typ.«

      Sie glaubte es selber, während sie es sagte. Aber später, im Eilzug nach Dinslaken, begann sie die Sache in einem anderen Licht zu betrachten. Irene war keine Wichtigtuerin. Wenn ihr das Benehmen der Fremden sonderbar erschienen war, dann durfte sie das nicht so ohne weiteres abtun. Es war ja auch tatsächlich seltsam, daß eine Person, mit der sie noch nie etwas zu tun gehabt hatte, sich so ausgiebig nach ihrem Verhalten und ihren Männerbekanntschaften erkundigte.

      Es fiel ihr schwer, den Fall sachlich zu betrachten. Auch wenn sie sich klarzumachen suchte, daß es Helmuts gutes Recht war, mit allen Waffen zu kämpfen, fand sie sein Verhalten doch empörend. Ausgerechnet Helmut, der ihr Vertrauen so getäuscht hatte, wagte es, ihr nachspionieren zu lassen!

      Natürlich hatte sie nichts zu befürchten, denn es gab einfach nichts, was er auf diese Weise ans Licht bringen und gegen sie benutzen konnte. Sie selber fand es am klügsten, sich ihm gegenüber überhaupt nichts anmerken zu lassen. Wozu einen neuen Krach heraufbeschwören? Sollte er doch erleben, wie weit er mit dieser unfairen Methode kam.

      Aber was ihr die Vernunft auch immer riet, Martina hielt es nicht aus zu schweigen. Während des Abendessens, das, wie meist in letzter Zeit, in der eisigen Atmosphäre erzwungener Höflichkeit eingenommen wurde, sagte sie mit einem Tonfall, der so gleichgültig klang, wie es ihr eben möglich war: »Übrigens, Helmut, ich weiß nicht, ob du es dir in deiner augenblicklichen Situation leisten kannst, Geld zum Fenster rauszuwerfen. Kann ich, bitte, noch mal die Kartoffeln haben, Claudia?«

      Helmut schluckte den Köder; er lief rot an. »Wenn einer von uns beiden nicht mit Geld umgehen kann, dann bist du es!«

      »Ach, wirklich?« fragte sie, Sanftmut in der Stimme. »Jedenfalls käme ich nie auf die Idee, einen Detektiv zu engagieren.«

      Er hatte gerade einen Bissen zum Mund geführt, verschluckte sich und mußte husten. »Ich möchte nur wissen, wovon du eigentlich sprichst«, sagte er, als er wieder atmen konnte.

      Jetzt wußte sie, daß Irenes Verdacht zutraf. »Davon, daß ich niemals einen Detektiv – von mir aus auch eine Detektivin – hinter dir herhetzen würde. Obwohl ich mir diesen Spaß noch erlauben könnte, denn du wärst es ja, der die Rechnung bezahlen müßte. Bitte, sitz gerade, Stefan!«

      »Ich habe nie einen . . . «

      »Schon gut, Helmut!« Sie schenkte ihm ein süßes Lächeln. »Du brauchst dich nicht zu verteidigen, ich habe dich ja nicht angegriffen.«

      »Warum erzählst du dann solchen Quatsch?« Er zerknüllte die Serviette und sprang auf.

      »Es sollte ein kleiner Rat sein, weiter nichts. Es tut mir weh, wenn du dein gutes Geld für nichts und wieder nichts ausgibst. Auch wenn du Scharen von Detektiven gegen mich mobilisierst – das Ergebnis ihrer Recherchen wird doch gleich Null bleiben. Ich habe mir nämlich nichts zuschulden kommen lassen.« Er verließ wütend das Zimmer.

      »Warum mußt du Vati auch immer ärgern!« rief Claudia und wollte ihm nach.

      »Bleib! Wir sind noch nicht mit dem Essen fertig.«

      »Hat Vati wirklich einen Detektiv engagiert?« fragte Stefan, weniger entrüstet als beeindruckt.

      »Sieht ganz so aus, Knüsel. Aber mach dir keine Gedanken darüber. Mir kann kein Detektiv der Welt was anhaben.«

      »Und wenn er schießt?«

      »Das darf er doch gar nicht, du Dummer«, sagte Claudia. »Dann kriegt er seine Lizenz entzogen.«

      Martina lachte; sie fühlte sich, nachdem sie ihrem Mann wieder mal die Wahrheit an den Kopf geworfen hatte, sehr erleichtert. »Wie schön, daß ihr so gut Bescheid wißt!«

      Helmut Stadelmann stürmte zur Kanzlei Dr. Brocksieper. Obwohl es eine Weile dauerte, bis er vorgelassen wurde – der Rechtsanwalt hatte sich gerade mit dem letzten Klienten des Tages befaßt und wollte danach Schluß machen –, kochte er immer noch.

      »In eine feine Situation haben Sie mich da gebracht«, schimpfte er, »ich wollte von Anfang an nicht, erinnern Sie sich, aber Sie haben ja darauf bestanden!«

      »Ruhe, bitte, immer mit der Ruhe!« mahnte Dr. Brocksieper; er wirkte tadellos gepflegt wie immer, nur die leichte Rötung seiner Bindehaut verriet, daß er einen langen Tag hinter sich hatte. »Ich möchte bloß wissen, was für eine Detektei das ist, die Sie beauftragt haben! Ich habe Ihnen doch von Anfang an gesagt: meine Frau ist nicht dumm. Aber Sie haben sie unterschätzt. Sie hat die Sache sofort durchschaut. Und wie stehe ich jetzt da!?«

      Dr. Brocksieper hätte ihn darauf aufmerksam machen können, daß er momentan, breitbeinig im Raum stehend, mit hochrotem Kopf, zerzaustem Haar und verrutschter Krawatte, tatsächlich keine gute Figur machte. Doch er fragte milde: »Ist es Ihnen denn wirklich noch so wichtig, was Ihre Frau von Ihnen hält?« »Glauben Sie etwa, es wäre mir angenehm, wie ein Idiot dazustehen?«

      »Weil Sie versucht haben, ihr auf die Schliche zu kommen? Nein, wirklich, daran kann ich nichts Abträgliches finden. Daß es uns nicht gelungen ist, das ist einfach Pech. Es ist ganz gut, daß Sie heute zu mir gekommen sind. Bitte, setzen Sie sich doch. Ich habe den Bericht der Detektei vorliegen.« Mit einer geschickten Bewegung seiner einzigen, der linken Hand, schlug er die Akte Stadelmann gegen Stadelmann auf, die die Kanzleivorsteherin hereingebracht hatte, und blätterte sie nach hinten durch.

      Helmut warf sich in den Sessel gegenüber dem Schreibtisch und streckte die langen Beine von sich. »Ich kann mir schon denken, was drinsteht: nämlich gar nichts oder eine Menge Blablabla.« »Sie haben recht«, sagte der Rechtsanwalt, »die Ermittlungen haben nichts ergeben. Es sieht so aus, als wenn Ihre Gattin keinerlei Beziehungen unterhielte . . . oder sie doch rechtzeitig auf Eis gelegt hat. Es liegt nun an Ihnen, ob Sie tiefer bohren . . . «

      »Nein!«

      »Sie haben selbstverständlich zu bestimmen.«

      »Das Ganze war von Anfang an ein Unfug.«

      »Da bin ich entschieden nicht Ihrer Meinung. Wenn es um sechsunddreißigtausend Mark geht, kann man sehr wohl ein paar Hunderter riskieren, um sich vor einer so exorbitanten Forderung zu schützen. Aber, bitte, ich will mich nicht mit Ihnen streiten. Sie kennen Ihre Frau besser als ich.«

      »Das kann man wohl sagen! Wenn Sie bloß nicht auf diese verrückte Idee mit der Detektei gekommen wären!«

      »Ich finde sie nach wie vor nicht verrückt, lieber Herr Stadelmann, und ich muß Ihnen auch mit aller Deutlichkeit sagen, daß ich Ihnen das Recht abspreche, mir in dieser Angelegenheit Vorwürfe zu machen.« Dr. Brocksiepers Stimme klang beherrscht und gelassen wie immer. »Ich habe versucht, Ihr gutes Geld zu retten.«

      »Aber mit den falschen Mitteln!«

      »Interessant.« Der Rechtsanwalt lehnte sich zurück und strich sich mit der Hand über das Kinn, als wolle er prüfen, ob er sich heute abend noch einmal rasieren müßte. »Dann scheinen Sie ja bessere Vorschläge in petto zu haben.«

      »Man müßte ihr den Kopf zurechtsetzen.«

      »Haben Sie das nicht schon versucht?«

      »Nicht ich. Ein Außenstehender.«

      »An wen denken Sie da? An ihre Mutter vielleicht? Steht sie auf Ihrer Seite?«

      »Keine Ahnung«, mußte Helmut zugeben.

      »Das scheint also auch nicht das Richtige zu sein.


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