Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson
in den Händen begraben; der älteste Sohn hockte auf dem Boden und durchsuchte und überflog einen großen Stoß Papiere, zündete hin und wieder eines davon an, und verbrannte es sorgfältig. Eine Magd mit rotem Gesicht lief die ganze Zeit in blinder Angst und Eile durchs Zimmer, wirtschaftete immerfort herum und jammerte dabei. Von Zeit zu Zeit steckte einer von den Männern den Kopf herein und fragte irgend etwas.
Endlich hielt es James nicht länger auf seinem Stuhle aus und entschuldigte sich wegen seiner Unhöflichkeit, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Ich bin heute kein guter Gesellschafter, Herr,« sagte er, »aber ich kann nicht anders, immer wieder kommt mir dieses schreckliche Geschehnis in den Sinn und all das Unheil, das es wahrscheinlich über ganz unschuldige Leute bringen wird.«
Kurz darauf bemerkte er, wie sein Sohn ein Papier verbrannte, das er aufgehoben haben wollte, und da verlor er vollständig jede Selbstbeherrschung; es war peinlich mitanzusehen. Er schlug seinen Sohn wiederholt und rief:
»Bist du verrückt geworden? Willst du deinen Vater an den Galgen bringen?« und meine Anwesenheit vollkommen vergessend, fuhr er eine lange Zeit fort, mit ihm gälisch zu reden. Der junge Mann antwortete nichts, nur die Frau warf bei dem Worte Galgen ihre Schürze über das Gesicht und schluchzte noch lauter als zuvor.
Das war für einen Fremden, wie ich es war, natürlich jämmerlich, mitansehen zu müssen. So war ich sehr froh als Alan zurückkam, der in seinen schönen, französischer Kleidern wieder so wie sonst aussah, obwohl sie eigentlich schon zu abgenutzt und verschossen waren, um den Namen »schön« zu verdienen. Nun wurde ich meinerseits von einem anderen Sohn hinausgeführt, um mich umzukleiden, was ich schon lange dringend benötigte, auch bekam ich ein Paar Bergschuhe aus Wildleder, die mir anfangs etwas ungewohnt waren, sich aber bald als sehr bequem erwiesen.
Als ich wieder eintrat, mußte Alan inzwischen wohl seine Geschichte erzählt haben, denn es wurde als selbstverständlich angenommen, daß ich mit ihm fliehen solle, und alle waren um unsere Ausrüstung bemüht. Sie gaben jedem von uns Pistolen und ein Schwert, obwohl ich versicherte, ich könne nicht damit umgehen; und mit diesen und einiger Munition, einem Beutel voll Hafermehl, einer eisernen Pfanne und einer Flasche voll echten, französischen Schnapses waren wir für die »Heide« bereit. Nur Geld fehlte. Ich hatte noch ungefähr zwei Guineen übrig. Und Alan, der Vertrauenswürdige Bote, hatte, da sein Gürtel von anderer Hand weiter befördert worden war, nicht mehr als siebzehn Pfennige in seinem ganzen Vermögen. James schien sich mit Reisen nach Edinburgh und Gerichtskosten für die Sache der Pächter so heruntergebracht zu haben, daß er nur mühsam drei Schillinge und fünfeinhalb Pfennig – größtenteils in Kupfer – zusammenkratzen konnte.
»Das wird nicht reichen«, sagte Alan.
»Du mußt irgendwo in der Nähe ein sicheres Plätzchen finden und mir eine Botschaft zukommen lassen«, sagte James. »Jetzt ist nicht Zeit, sich wegen ein oder zwei Guineen aufzuhalten. Sie werden sicher bald Wind von dir bekommen, werden dich suchen, und so wie ich es sehe, dir die Schuld der heutigen Tat beimessen. Fällt der Verdacht auf dich, so fällt er auch auf mich, der ich dein Anverwandter bin und dir Obdach gab, so oft du im Lande warst. Und fällt der Verdacht auf mich ...« er hielt inne, biß sich in die Finger und sein Gesicht war weiß. »Es wäre schrecklich für unsere Freunde, wenn ich gehängt würde,« sagte er.
»Es wäre ein schlimmer Tag für Appin«, sagte Alan.
»Das ist ein Tag, der mir in den Gliedern liegen wird«, sagt James. »Oh, Mensch, Mensch, Alan! Wir beide haben wie zwei Narren gesprochen!« rief er und schlug mit den Fäusten gegen die Wand, daß das Haus davon dröhnte.
»Ja, das ist wahr,« sagte Alan, »und mein Freund hier (er nickte mir zu) hat mir manch gutes Wort zur Warnung gesagt, hätte ich nur auf ihn gehört.«
»Aber schau her,« sagte James wieder ruhiger, »nach all dem, was ich dir gesagt habe und was du gesagt hast, wird der Verdacht schwer auf uns lasten, verstehst du das? Du wirst also, wenn du mich richtig verstehen willst, einsehen, daß ich selbst gegen dich die Anzeige machen muß. Ich muß eine Belohnung auf deinen Kopf setzen, ja, das werde ich tun! Es ist eine böse Sache zwischen zwei so guten Freunden, aber wenn mich die Schuld dieser schrecklichen Tat trifft, muß ich für mich selbst kämpfen. Siehst du das ein?«
Er sprach mit beschwörendem Ernst und faßte Alan vorne am Rock.
»Ja,« sagte Alan, »das sehe ich ein.«
»Und du mußt glatt aus dem Lande sein, Alan – ja aus ganz Schottland – du und dein Freund auch. Denn ich muß auch gegen deinen Freund die Anzeige machen, Alan, siehst du – sag, daß du es einsiehst!«
Mir schien es, als ob Alan ein wenig rot wurde. »Das fällt mir schwer, James, da ich ihn doch hergebracht habe«, sagte er und warf den Kopf zurück. »Es schaut aus, als wäre ich ein Verräter!«
»Aber Alan, Mensch!« ruft James. »Sieh doch den Dingen ins Gesicht! Er wird auf jeden Fall angezeigt werden. Mungo Campbell wird ihn sicher anzeigen. Was tuts, ob ich ihn auch noch anzeige? Und dann Alan, ich bin Familienvater.« Und dann nach einer kleiner Pause auf beiden Seiten: »Und Alan, die Campbells werden ja zu Gericht sitzen«, sagte er.
»Ja, es ist nur eines,« sagte Alan nachdenklich, »niemand kennt seinen Namen.«
»Es soll ihn auch niemand kennen, Alan, hier meine Hand darauf,« ruft James, als ob er ihn tatsächlich gekannt hätte und sich eines Vorteils begäbe. »Nur gerade seinen Anzug und wie er aussah und sein Alter und dergleichen. Weniger kann ich nicht tun.«
»Ich wundere mich über deines Vaters Sohn«, rief Alan ernst. »Willst du den Burschen durch ein Geschenk verkaufen? Gibst du ihm erst andere Kleider und verrätst ihn dann?«
»Nein, nein, Alan«, sagte James. »Nein, nein, die Kleider, die er ablegte – die Kleider, in denen Mungo ihn sah.« Aber er schien ganz niedergeschlagen und klammerte sich tatsächlich an jeden Strohhalm; all die Zeit über sah er sicherlich im Geiste die Gesichter seiner Erbfeinde und den Galgen im Hintergrunde.
»Nun, Herr«, sagte Alan zu mir. »Was sagst du dazu? Du stehst hier unter dem Schutze meiner Ehre und es ist meine Sache, darauf zu sehen, daß nichts geschieht, als was du willst.«
»Ich habe nur ein Wort zu bemerken,« sagte ich, »denn ich stehe diesem ganzen Streite vollkommen fremd gegenüber. Der einfachste Menschenverstand müßte doch erkennen, daß man den Verdacht dahin leiten soll, wo die Schuld liegt, das heißt also, auf den Mann, der geschossen hat. Zeigt ihn an, wie ihr es nennt, und laßt unschuldige Leute offen ihr Gesicht zur Schau tragen.«
Aber daraufhin schrieen Alan und James voll Entsetzen auf und hießen mich schweigen, denn an dergleichen wäre nicht zu denken; und das alles mit so ernster und unschuldiger Miene, daß ich die Hände sinken ließ und aller weiteren Argumentation entbehrte.
»Gut denn,« sagte ich, »zeigt mich an, wenn Ihr wollt, oder Alan oder König Georg! Wir sind alle drei unschuldig, und das scheint mir das einzig Erforderliche zu sein! Und ich, mein Herr, bin doch wenigstens Alans Freund,« sagte ich zu James, meinen kleinen Unwillen unterdrückend, »und wenn ich Freunden helfen kann, will ich die Gefahr nicht scheuen.«
Ich erachtete es für das Klügste, zu meiner Einwilligung gute Miene zu machen, denn ich sah Alan bedrückt und außerdem (dachte ich im Stillen), sobald ich den Rücken gedreht habe, werden sie mich doch anzeigen, wie sie es nennen, ob ich nun einwillige oder nicht. Aber damit hatte ich Unrecht, wie ich bald sah. Denn kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, als Frau Stewart von ihrem Stuhl aufsprang und auf mich zugelaufen kam, erst an meinem, dann an Alans Halse weinte und Gott segnete für unsere Güte gegen ihre Familie.
»Was dich anbelangt, Alan, so war es nicht mehr als deine verfluchte Pflicht«, sagte sie. »Aber dieser Bursche, der erst hergekommen ist und uns in unserem äußersten Elend kennen lernte und den armen Mann da flehen sah, als wäre er ein Bettler, er, der von Rechts wegen Befehle erteilen sollte wie ein König – was dich anbelangt, mein Bursche,« sagt sie, »mein Herz, ist traurig, deinen Namen nicht zu kennen, aber ich kenne dein Antlitz und ich will es behalten solange mir mein Herz im Leibe schlägt und deiner gedenken und dich segnen.«
Und