Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson

Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson - Robert Louis Stevenson


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durch den Wald, sondern hielten sich dicht aneinander und sprachen im Flüsterton. Die Angst vor dem toten Seeräuber hatte sie gepackt.

       Die Schatzsuche; die Stimme in den Bäumen

       Inhaltsverzeichnis

      Teils infolge der niederdrückenden Wirkung dieser Angst, teils um Silver und die Kranken ausruhen zu lassen, machte die ganze Gesellschaft Rast, sobald wir den Rand der Hochebene erreicht hatten.

      Da die Hochfläche etwas nach Westen vorsprang, so hatten wir von dieser Stelle, an der wir haltmachten, eine weite Aussicht nach allen Richtungen. Vor uns, jenseits der Baumwipfel, sahen wir das Waldkap mit seiner weißen Brandung; nach der entgegengesetzten Richtung überblickten wir nicht nur den Ankergrund und die Skelettinsel, sondern sahen auch jenseits der östlichen Niederung eine große Fläche offener See. Gerade über uns stieg das Fernrohr empor, mit schwarzen Schluchten an einzelnen Stellen und mit hohen Fichtenbäumen an anderen. Kein Laut war zu hören, als das Brausen der Brandung in der Ferne und das Zirpen unzähliger Insekten in den Gebüschen. Kein Mensch zu sehen, kein Segel auf der See; die ungeheure Weite der Aussicht verstärkte das Gefühl der Einsamkeit.

      Silver stellte von seinem Platz aus verschiedene Berechnungen mit dem Kompaß an.

      »Hier sind drei ›große Bäume‹ ungefähr in einer Linie von der Skelettinsel an. Unter ›Staffel des Fernrohrs‹ versteht er, denk’ ich, den niedrigeren Vorsprung dort. Es ist jetzt ein Kinderspiel, das Zeug zu finden. Ich hätte wohl Lust, vorher noch zu Mittag zu essen.«

      »Ich habe keine rechte Lust,« murrte Morgan in seinem tiefen Baß. »Muß immer an Flint denken – hat mir den Appetit genommen.«

      »Na ja, mein Junge, du kannst deine Sterne preisen, daß er tot ist!« sagte Silver.

      »Er war ein gehässiger Teufel,« rief ein dritter Pirat mit einem Schauder; »und so blau im Gesicht!«

      »Das kam vom Rum,« bemerkte Merry. »Blau! Ja, blau war er, das will ich meinen. Das ist ein wahres Wort.«

      Seitdem sie das Gerippe gefunden hatten, konnten sie von dem Gedanken nicht mehr abkommen; sie hatten immer leiser und leiser gesprochen, und jetzt flüsterten sie beinahe, so daß ihr Gespräch kaum das Schweigen des Waldes unterbrach. Plötzlich kam mitten aus den Bäumen vor uns eine dünne, hohle, tremulierende Stimme und sang die wohlbekannten Worte nach der alten Weise:

      Fünfzehn Mann bei des Toten Kist –

       Johoho, und ‘ne Buddel, Buddel Rum!

      Niemals hab ich Menschen so furchtbar erschrocken gesehen wie die Piraten! Die Farbe wich aus ihren sechs Gesichtern wie mit einem Zauberschlage; einige sprangen auf, andere klammerten sich an ihren Nachbarn an; Morgan warf sich platt auf den Leib.

      »‘s ist Flint, beim –!« schrie Merry.

      Das Lied hatte so plötzlich aufgehört, wie es begonnen hatte. – Es brach sozusagen mitten in einer Note ab, wie wenn irgend jemand dem Sänger die Hand auf den Mund gelegt hätte.

      »Nunu!« sagte Silver, aber seine aschgrauen Lippen konnten kaum das Wort hervorbringen: »Nunu! so geht das nicht! Wir müssen den Wald absuchen. Es ist wohl eine merkwürdige Geschichte, und ich kann die Stimme nicht nennen – aber sicherlich macht einer sich einen Spaß – irgendein Mensch von Fleisch und Blut, und darauf könnt ihr Gift nehmen!«

      Während er sprach, hatte er selber wieder Mut gefaßt, und sein Gesicht war nicht mehr so bleich. Die anderen begannen schon auf sein Zureden zu hören und sich von ihrem Schrecken zu erholen, da ertönte plötzlich wieder dieselbe Stimme. Aber diesmal sang sie nicht, sondern es war wie ein fernes, winselndes Klagen, das ganz schwach von den Klüften am Fernrohr widerhallte.

      »Darby Mac Graw,« winselte es – dieses Wort bezeichnet am besten den Klang – »Darby Mac Graw! Darby Mac Graw!« wieder und immer wieder; und dann etwas lauter und höher und mit einem Fluch, den ich auslasse: »Gib den Rum her, Darby!«

      Die Piraten standen wie festgewurzelt; die Augen traten ihnen aus dem Kopf. Als längst die Stimme verklungen war, starrten sie immer noch in ängstlichem Schweigen vor sich hin.

      »Nun ist es sicher!« keuchte einer von ihnen. »Laß uns gehen!«

      »Das waren seine letzten Worte,« stöhnte Morgan, »seine letzten Worte an Bord!«

      Dick hatte seine Bibel aus der Tasche genommen und betete. Er war gut erzogen worden, der Dick, bevor er auf See kam und in böse Gesellschaft geriet.

      Nur Silver ergab sich noch nicht. Ich konnte hören, wie seine Zähne klapperten; aber er gab seine Sache noch nicht auf.

      »Kein Mensch auf dieser Erde hat jemals von Darby gehört,« murmelte er; »kein Mensch, als wir sechs.«

      Dann machte er eine große Anstrengung und rief:

      »Schiffsmaate! Ich bin hier, um das Zeug zu kriegen, und ich lasse mich weder von Mensch noch von Teufel schlagen. Ich habe vor Flint keine Angst gehabt, als er noch lebte – und beim Donner! ich will es mit ihm aufnehmen, nun er tot ist. Siebenhunderttausend Pfund liegen keine viertel Meile von hier! Wann hat je ein Glücksgentleman den Rücken gewandt, wo so viele Dollars zu holen waren – bloß aus Angst vor einem versoffenen alten Seemann mit einer blauen Schnauze, und noch dazu vor einem toten?«

      Aber bei seinen Leuten war nichts davon zu merken, daß ihr Mut wieder aufwachte; im Gegenteil eher ein Entsetzen vor seinen ruchlosen Worten.

      »Man sachte, John!« sagte Merry. »Komm keinem Geist in den Weg!«

      Und die übrigen waren so erschrocken, daß sie überhaupt nichts sagen konnten. Sie wären auseinandergelaufen, wenn sie es nur gewagt hätten; aber die Furcht hielt sie beisammen und nahe bei John, wie wenn sein Mut ihnen hätte helfen können. Der aber hatte unterdessen seine Schwäche vollständig überwunden.

      »Geist?« sagte er: »Na, mag wohl sein. Bloß eins ist mir nicht klar. Da war ein Echo. Nun, kein Mensch hat je einen Geist mit einem Schatten gesehen, und da möchte ich wohl wissen, wie kommt ein Geist zu einem Echo? Das ist doch gewiß nicht natürlich?«

      Diese Schlußfolgerung schien mir ziemlich schwach zu sein. Aber man kann niemals sagen, was auf abergläubische Leute wirkt, und zu meiner Verwunderung fühlte George Merry sich sehr erleichtert.

      »Tscha, das ist richtig l« sagte er. »Du hast ‘nen Kopf zwischen deinen Schultern, John, daran ist nicht zu tippen. Schiff ‘rum, Maate! Wir sind auf falschem Kurs, glaub’ ich, und wenn ich mir’s bedenke – es klang wie Flints Stimme, gewiß, aber doch eigentlich nicht ganz genau so, es klang mehr wie eines anderen Stimme – mehr wie –«

      »Beim Deuker – Ben Gunn!« brüllte Silver.

      »Jawoll! Das war es auch!« rief Morgan und sprang auf: »Ben Gunn war es!«

      »Es macht nicht soviel aus, mein’ ich!« sagte Dick. »Ben Gunn ist doch ebensowenig hier wie Flint!«

      Aber die Älteren wiesen diese Bemerkung verächtlich zurück.

      »Pah! kein Mensch macht sich was aus Ben Gunn!« rief Merry; »lebend oder tot – aus dem macht sich kein Mensch was!«

      Es war merkwürdig, wie ihr Mut zurückgekehrt war, und wie ihre Gesichter wieder die natürliche Farbe angenommen hatten. Bald sprachen sie wieder lustig miteinander, wenn sie auch manchmal eine Pause machten, um zu lauschen, ob die Stimme nicht wiederkäme. Als sie aber nichts mehr hörten, schulterten sie bald darauf wieder ihre Werkzeuge und gingen weiter. – George Merry voran mit Silvers Kompaß, um sie auf der richtigen Linie an der Skelettinsel zu halten. Er hatte die Wahrheit gesprochen: ob tot oder lebendig – aus Ben Gunn machte keiner von ihnen sich was.

      Nur Dick hatte noch seine Bibel in der Hand und warf im


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