Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson

Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson - Robert Louis Stevenson


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– und was soll ich dazu sagen? Ich glaube sogar, er hat ganz recht getan und hat mich leichteren Kaufs davongelassen, als ich es verdiene.«

      »Mein armer, lieber Junge«, bemerkte Glenalmond. »Mein armer, lieber und – wenn das Wort gestattet ist – grenzenlos törichter Junge! Du bist lediglich im Begriff, einzusehen, wo du stehst: für jemanden deines oder auch meines Temperaments eine schmerzliche Entdeckung. Die Welt ist nicht für uns geschaffen; sie ist für tausend Millionen Menschen geschaffen, die sich alle voneinander und von uns unterscheiden; aber für uns gibt es keine breite, bequeme Heerstraße, wir müssen mühsam klettern und uns schinden. Denke nur nicht, daß ich mich im geringsten wundere; glaube auch ja nicht, daß ich dich zu tadeln beabsichtige; im Gegenteil, ich bewundere dich eher! Aber die Sache fordert zu ein, zwei Bemerkungen heraus, die mir da gerade einfallen und die (wenn du sie leidenschaftslos betrachtest) vielleicht dazu dienen können, dich zu einer gemäßigteren Anschauungsweise zu bekehren. Erstens einmal vermag ich dich nicht von einem gut Teil sogenannter Intoleranz freizusprechen. Du scheinst dich ungemein verletzt zu fühlen, nur weil dein Vater sich nach dem Abendessen ein wenig unfein ausdrückt, was unzweifelhaft sein gutes Recht und (obwohl ich es selbst auch nicht sehr liebe) doch lediglich eine Frage des Geschmacks ist. Dein Vater ist – daran brauche ich dich wohl kaum erst zu erinnern, da es ein so offenbarer Gemeinplatz ist – älter als du selbst. Zum mindesten ist er majorenn und sui juris und kann seine Unterhaltung ganz nach seinem Belieben wählen. Und weißt du, daß ich mich manchmal frage, ob er nicht eine genauso stichhaltige Klage gegen uns vorbringen könnte? Wir sagen, daß wir ihn manchmal – hm – ein wenig – gewöhnlich finden, aber ich vermute stark, er könnte uns entgegenhalten, er fände uns immer langweilig. Ein durchaus beachtenswerter Einwand!«

      Und er strahlte Archie an, ohne ihm jedoch ein Lächeln zu entlocken.

      »Nun zu ›Archibald über die Todesstrafe‹. Das ist ein durchaus einleuchtender, akademischer Standpunkt; natürlich vertrete ich ihn nicht und kann ihn auch nicht vertreten, aber damit ist nicht gesagt, daß nicht zahlreiche tüchtige und treffliche Männer in der Vergangenheit deiner Meinung waren. Vielleicht habe auch ich selbst einmal ein wenig in die nämliche Ketzerei hineingerochen. Mein dritter Klient – oder war es der vierte – wurde der Anlaß, daß ich zu meiner ursprünglichen Ansicht zurückkehrte. In meinem Leben ist mir kein Mensch begegnet, an den ich so rückhaltlos glaubte; ich hätte meine Hand für ihn ins Feuer gesteckt, hätte mich für ihn kreuzigen lassen; aber als es zur Gerichtsverhandlung kam, enthüllte er sich mir langsam und allmählich und nach unleugbaren Beweisen als ein so niedriger, so kaltblütiger und so abgründiger Schurke, daß ich mich versucht fühlte, ihm mein Mandat vor die Füße zu schleudern. Damals kochte ich über gegen den Mann mit noch stärkerer tropischer Temperatur, als ich früher für ihn brannte. Aber ich sagte zu mir selbst: Nein, du hast seine Verteidigung übernommen, und du darfst nicht, nur weil deine Ansicht sich geändert hat, den Mann jetzt fallenlassen. All die Ströme der Beredsamkeit, die du erst gestern nacht mit so viel Begeisterung gesammelt, sind hier nicht am Platze, und doch darfst du ihn nicht im Stiche lassen; du mußt reden. Also redete ich und – bekam ihn frei. Der Fall begründete meinen Ruf. Aber eine derartige Erfahrung wirkt charakterbildend. Ein Mann darf seine Leidenschaften weder vor die Schranken noch vor den Richterstuhl bringen«, fügte er hinzu.

      Die Geschichte hatte Archies Interesse von neuem geweckt. »Ich kann nicht leugnen«, begann er, »ich meine, ich kann mir sehr wohl denken, daß es Menschen gibt, die besser tot als lebendig wären. Aber wer sind denn wir, daß wir uns anmaßen, all die verborgenen Beweggründe von Gottes unglücklicher Kreatur zu kennen? Wie kommen wir dazu, uns selbst zu trauen, da es scheint, daß Gott selbst sich prüfen muß, ehe er handelt? Und uns obendrein in Wohlbehagen zu wiegen? Ja, Behagen: Tigris ut aspera.«

      »Vielleicht kein angenehmes Schauspiel«, meinte Glenalmond. »Und doch eines, das, glaube ich, nicht ganz der Größe entbehrt.«

      »Ich hatte heute abend eine lange Auseinandersetzung mit ihm«, sagte Archie.

      »Das dachte ich mir.«

      »Und er kam mir – ja, ich kann es nicht leugnen, er kam mir irgendwie sehr groß vor. Ja, er ist groß. Er sagte kein Wort von sich selbst, sondern sprach nur von mir. Ich glaube, ich bewunderte ihn sogar. Die fürchterliche Rolle –«

      »Wie wäre es, wenn wir davon lieber nicht sprächen?« unterbrach ihn Glenalmond. »Du weißt sehr genau, daß du keinen Schritt weiter kommst, wenn du darüber nachgrübelst, und manchmal frage ich mich, ob du und ich – ich meine, zwei Sentimentalisten wie wir – einfacheren Menschen gegenüber wirklich gute Richter sind.«

      »Wie meinen Sie das?« forschte Archie.

      » Gerechte Richter, will ich damit sagen«, entgegnete Glenalmond. »Können wir ihnen gegenüber gerecht sein? Fordern wir nicht zu viel? Du hast eben ein Wort gesagt, das mich ein wenig getroffen hat, als du mich fragtest, wie wir dazu kämen, sämtliche Beweggründe von Gottes unglücklicher Kreatur beurteilen zu wollen. Du wandtest es, wenn ich dich recht verstanden habe, lediglich auf die zum Tode Verurteilten an. Aber ich frage mich, trifft das nicht auch auf die Allgemeinheit zu? Ist es die Spur weniger schwierig, einen guten oder einen halb guten Menschen zu beurteilen, als den schlimmsten Verbrecher vor Gericht? Und hat nicht vielleicht ein jeder triftige Entschuldigungsgründe?«

      »Ah, aber es ist auch niemals davon die Rede, die Guten zu bestrafen«, rief Archie.

      »Nein, es ist nicht davon die Rede«, sagte Glenalmond, »aber ich glaube, wir tun es dennoch. Nimm deinen Vater zum Beispiel.«

      »Sie meinen, ich habe ihn bestraft?«

      Lord Glenalmond neigte den Kopf.

      »Ich glaube, ich habe es wirklich getan«, rief Archie. »Und das Schlimmste ist, ich glaube, er fühlt es! In welchem Maße? Wer vermöchte das von solch einem Wesen zu sagen! Aber ich glaube, er fühlt es wirklich.«

      »Ich bin davon überzeugt«, sagte Glenalmond.

      »Hat er mit Ihnen davon gesprochen?« fragte Archie lebhaft.

      »O nein!«

      »Ich will Ihnen ganz offen gestehen, ich möchte ihn wieder versöhnen. Ich reise; ich habe es Hermiston versprochen. Das ist das eine Versprechen. Und jetzt möchte ich Ihnen, hier im Angesichte Gottes, mein Wort verpfänden, daß ich sowohl über die Todesstrafe wie über alle Dinge, in denen unsere Ansichten auseinandergehen, schweigen werde auf – auf wie lange? – sagen wir, bis ich genügend Reife habe – also zehn Jahre. Ist das gut so?«

      »Es ist gut«, sagte Mylord.

      »Bis zu einem bestimmten Grade, ja. Es genügt, insofern es mich betrifft, genügt, um meine Einbildung zu dämpfen. Aber wie steht es mit ihm, den ich öffentlich beleidigt habe? Was soll ich ihm antun? Wie erweist man einem – einem Montblanc Aufmerksamkeiten?«

      »Nur auf eine einzige Weise. Nur durch pünktlichen, prompten und peinlichen Gehorsam.«

      »Ich verspreche, daß der ihm werden soll. Hier haben Sie meine Hand darauf.«

      »Und ich ergreife feierlich diese Hand«, entgegnete der Richter. »Gott segne dich, mein lieber Sohn, und helfe dir, dein Versprechen zu halten. Gott geleite dich auf den rechten Pfad und sei deinen Tagen gnädig und erhalte dir dein ehrliches Herz.« Und damit küßte er auf anmutige, kühle, altmodische Art des jungen Mannes Stirn, um sogleich mit merklich veränderter Stimme ein anderes Thema anzuschneiden. »Und jetzt wollen wir von neuem den Krug füllen, und ich glaube, du würdest finden, falls du es noch einmal mit meinem Käse versuchtest, daß dein Appetit sich gebessert hat. Der Gerichtshof hat gesprochen, und der Fall ist abgeschlossen.«

      »Nein, das eine muß ich noch sagen«, rief Archie. »Ich muß es zu seiner Rechtfertigung sagen. Ich weiß – ich glaube bestimmt – ja, ja, jetzt nach unserer Unterredung mit sklavischer Überzeugung –, daß er niemals ein ungerechtes Verlangen an mich stellen wird. Ich bin stolz darauf, dieses eine mit ihm gemein zu haben, stolz, Ihnen das sagen zu können.«

      Der Richter hob mit leuchtenden Augen den Humpen. »Und ich glaube, wir dürfen


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