ZwischenWelten. Группа авторов
hinhalten. Einsatzbereite Frauen und Männer von Gangway und der JSA-Berlin, die unermüdlich Ausschau halten nach Ertrinkenden, nach Möglichkeiten, einen Rettungsring, eine Boje oder ein Tau auszuwerfen.
Ob die dargebotene Hand genommen wird, ist jedes Mal ein Wunsch mit Fragezeichen.
Manchmal schlagen Ertrinkende ja wild um sich, wenn man sie retten will, das kennen wir; dann gilt es aufzupassen, dass man nicht selbst hinuntergezogen wird in den Strudel und womöglich das Bewusstsein verliert. Oder das eigene bisherige Leben.
Manchmal klammern sie sich so fest, dass einer oder einem Helfenden die Luft wegbleibt. Auch das gilt es zu vermeiden.
Und dann sind da noch junge Menschen, die nur zaghaft die Hand ergreifen, misstrauisch oder geschwächt (wovon?) viel zu früh wieder loslassen, weil sie glauben oder von sich selbst fordern, alleine zurechtzukommen. Manchmal gelingt es ihnen tatsächlich, einen für sie guten Weg zu finden; manchmal kommen sie nach einiger Zeit und auf vielen, womöglich beschwerlichen Umwegen wieder auf die dargebotene Hand zurück.
Viele sind orientierungslos. Sie haben zwar alles überlebt, sind aber aus irgendeinem Grund nicht richtig angekommen; ihre Erinnerungen gehen nur nach rückwärts in vergangenes Leben und Erlebtes, zu Menschen, die sie geliebt haben und zurücklassen mussten. Für nach vorne haben sie oft noch keine Vorstellungen, sie brauchen jemanden, der ihnen einen Weg zeigt. Den Weg für alle gibt es nicht, jeder muss seinen eigenen finden, und manche brauchen ein halbes Leben dafür.
Ich hatte in der JSA das Gefühl, dass der Wille da ist, egal woher diese jungen Männer kommen, dass sie endlich ankommen wollen. Diese Anstalt ist für sie eine (hoffentlich nur einmal besuchte) Zwischenstation. Und ich hatte den Eindruck, dass auch die Menschen von der helfenden Seite diesen Willen stärken wollen, wecken kann man ihn wohl nicht. Ein Funke muss bereits vorhanden sein; wenn jemand sich selbst aufgegeben hat, scheint es aussichtslos.
Auch die Männer des Justizvollzugs in der JSA so wie die Gefängnisleitung wirken unterstützend, Wohl wollend. Ich, die ich lange Jahre in einem gefängnisähnlichen Internat in Bayern verbracht habe und die Situation gut kenne, dass Besucher*innen immer nur die Sonnenseite der Institution gezeigt bekamen, hoffe sehr, dass das hier nicht nur für Außenstehende vorgespielt, sondern ehrlich und grundsätzlich so ist. Bei uns war das damals leider nicht der Fall. An den Tagen, an denen Menschen von außen kamen, seien es „Ehemalige“ oder Eltern, gab es besseres Essen, wurde eine Gelassenheit, ja Heiterkeit und Toleranz demonstriert, auch uns Schülerinnen gegenüber, die einfach nur guten Eindruck machen sollten und sofort verdunsteten, nachdem die Besucher das Haus wieder verlassen hatten.
Wir konnten nicht einmal die eigenen Eltern überzeugen, wenn wir von scheinheiliger Selbstdarstellung des Internats sprachen. Was die Einsamkeit nur größer machte.
Die Erinnerungen an früher kann und soll man nicht auslöschen. Die schlechten helfen, bestimmten Situationen besser zu widerstehen, sich zu wappnen mit dem Wissen, dass man ja einiges bereits überstanden hat, und die guten helfen ebenfalls, widrige Situationen zu überstehen; sie stärken ungemein – und vielleicht klären sie sogar den Blick nach vorne.
Und das Schöne an Erinnerungen ist, sie reisen mit dem Menschen mit, der sie in sich trägt. Überall hin. Und wenn alles gut läuft, helfen sie, an dem zunächst fremden Ort etwas Neues aufzubauen …
Und im besten Fall ist das dann genau das, was man als Zuhause, ja als Heimat empfindet.
EMANUELA PILOLLI
ZWISCHENWELTEN –
EINBLICKE IN NEUE WELTEN
Das erste Wort, welches mir in den Kopf kommt, wenn ich an unser aktuelles Projekt ZwischenWelten denke, ist „Brückenbau“. Unser Anspruch an das Projekt ist die Verbindung zwischen verschiedenen Kulturen, Sprachen, Nationalitäten, Religionen und Traditionen. Es soll ein Weg entstehen, der vom Alltag im Gefängnis zur Realität außerhalb der Mauern weist. Anders gesagt: Eine Brücke, die den Übergang erleichtert. Im Vordergrund steht nicht die Vermittlung von Moral und starren Konzepten, nicht die Lehre von richtig und falsch, sondern der Gedanke, dass die Teilnehmer (nur männlich) durch Interaktion und aktive Gestaltung eigene Strategien finden, mit diesen Themen umzugehen.
Gemeinsam erarbeiten und besprechen wir in der Gruppe Gedanken, Ideen, Ängste und mehr, die die Teilnehmer im Hinblick auf ihre eigene, aber auch vermeintlich fremde Welten haben. Interaktive Kommunikation durch Gruppengespräche, Schreibübungen und Darstellungen sind die primären Bausteine, die uns helfen, interkulturelle und soziale Brücken zu bauen.
Hinter jedem Einzelnen stehen sehr individuelle Geschichten, Schicksale oder Ängste, die zum Ausdruck gebracht werden wollen. Unsere Herangehensweise im Workshop hat somit einen Leitfaden, muss aber als ein dynamischer Prozess verstanden werden, der durch das Mitwirken und die Eigenschaften und persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer spezifische Schwerpunkte setzt. Die Prozesse und Instrumente, die diesen Weg pflastern, können so verschieden sein wie die Teilnehmer selbst, sodass wir am Ende des Projekts ein buntes Venedig erschaffen wollen, was gut als Ganzes miteinander funktioniert.
Wichtigster Bestandteil von ZwischenWelten ist der schriftliche und verbale Austausch in einem geschützten Raum, den wir den Jugendlichen zur Verfügung stellen.
Trotz sprachlicher Barrieren wollen wir es schaffen, die bunte und kreative Welt des Einzelnen kennenzulernen und in unsere Arbeit aufzunehmen. Diese versteckt sich oftmals hinter sprachlichen Hemmungen, weil die Teilnehmer die deutsche Sprache nicht optimal beherrschen, aber auch hinter sozialen Mauern. Für viele ist es nicht einfach, sich vor einem Publikum zu öffnen. All dies gilt es zu berücksichtigen und zu verstehen, wenn wir nach Methoden und Instrumenten suchen, diese Barrieren aufzubrechen und zu nutzen. Nicht selten kommunizieren wir mit Gesten, nutzen Hände und Füße oder übersetzen Metaphern aus der jeweiligen Muttersprache ins Deutsche, sodass neue sprachliche Möglichkeiten entstehen, die wir in unsere Texte mit aufnehmen. Oft entstanden so lustige Situationen, und die Sicherheit der Jugendlichen wuchs zunehmend.
Sprachen beeinflussen sich gegenseitig. Viele Metaphern werden auch in andere Sprachen übersetzt, Wörter übernommen oder eingedeutscht. Ein Philosophiestudent in Italien beispielsweise muss viele deutsche Worte lernen, um die philosophischen Texte zu verstehen. Viele Worte werden aus dem deutschen Sprachgebrauch (Originalsprache vieler Texte) übernommen. Manchmal wäre ein ganzes Buch notwendig, um diese zu erklären. Es geht nicht nur um Worte, sondern um ganze Konzepte. Nehmen wir zum Beispiel das Wort Weltanschauung. Wie versteht der Autor, der Leser, das Gegenüber die Welt? Wie interpretiert der Mensch/die Gruppe die eigene Existenz und das irdische Dasein? Es geht um moralische und soziale Normen und Prioritäten im Leben und die Rolle, die der Mensch in diesem Gefüge einnimmt. Diese Regeln und Ansichten sind jedoch so unterschiedlich geprägt, dass es schwierig ist, sie als ein starres Konzept darzustellen und in Texten zu verarbeiten. Bei der Darstellung und Verwendung eines solchen deutschen Begriffs beispielsweise ist Fingerspitzengefühl gefragt und der interaktive Dialog besonders wichtig. Wie schaffen wir es, die Weltanschauung unseres Gegenübers, trotz eigener Interpretationen, Prägungen und normativen Systemen, zu verstehen? Wie verstehst du deine Heimat? Wie riechst du sie? Wie klingt sie in deinen Ohren? Wie schmeckt sie für dich? All das waren zentrale Fragen, die wir in der Gruppe gestellt und besprochen haben.
Der Austausch über eigene Wahrnehmungen öffnet neue Türen und führt oft zu mehr Verständnis und einer gegenseitigen Annäherung.
Ebenso wie das Verständnis innerhalb der Gruppe fördern möchte unser Projekt auch der Welt außerhalb der Gefängnismauern zeigen, wer unsere Teilnehmer wirklich sind. Es ist nicht nur der Kriminelle, der seine Identität durch den Haftaufenthalt erhält. Statt die Insassen einer Strafanstalt als homogene Gruppe von Sträflingen zu sehen, möchten wir zeigen, dass es sich um verschiedene Charaktere und Geschichten handelt. Unser Projekt ZwischenWelten soll dazu beitragen, diese Stigmatisierungen aufzubrechen.
Viele der Jugendlichen bezeichnen sich selbst als Ausländer, Kriminelle oder schwer erziehbar, weil sie das durch jahrelanges Abstempeln der Außenwelt übernommen haben und