Doktor Dolittles Zirkus. Hugh Lofting
zur Schau zu stellen. Wollen Sie es einmal sehen?“
„Aber natürlich“, sagte der Katzenfuttermann. „Das hört sich mächtig interessant an.“
„Es grast drußen im Garten“, sagte der Doktor. „Aber starren Sie es nicht so an. Es ist noch nicht daran gewöhnt und gerät dadurch in große Verlegenheit. Wir werden einen Eimer Wasser mitnehmen und so tun, als wollen wir ihm zu trinken geben.“
Als Matthäus mit dem Doktor in die Küche zurückkam, strahlte er begeistert übers ganze Gesicht.
„Johann Dolittle“, sagte er, „bei Ihrem Leben, Sie werden damit ein Vermögen verdienen! Niemals nich seit die Welt steht, hat man so etwas gesehen. Ich habe überhaupt immer schon gedacht, daß Sie zum Zirkus sollen — Sie, der einzige Mensch, der die Tiersprache kann. Wann wollen Sie damit anfangen?“
„Das ist es ja gerade: Vielleicht können Sie mir helfen: Ich möchte nur mit einem netten Zirkus herumziehen — mit Leuten, die mir gefallen.“
Matthäus Mugg beugte sich vor und tippte dem Doktor mit seiner Pfeife aufs Knie.
„Ich weiß das Richtige für Ihnen“, sagte er, „in Grimbledon befindet sich augenblicklich der netteste Zirkus, den man sich denken kann. Der Grimbledoner Jahrmarkt dauert noch diese Woche, und der Zirkus bleibt bis Freitag dort. Ich und Theodosia sind gleich am ersten Tage drin gewesen. Es ist kein großer Zirkus nich, aber ein sehr guter — eine piekfeine Sache. Was würden Sie dazu sagen, wenn ich Ihnen morgen früh mit hinübernähme, um erst einmal mit dem Besitzer zu sprechen?“
„Ausgezeichnet“, sagte der Doktor, „aber sagen Sie inzwischen niemandem etwas von meinem Vorhaben. Bevor das Stoßmich-Ziehdidi dem Publikum öffentlich gezeigt wird, darf man nichts von seinem Vorhandensein erfahren.“
DER DOKTOR TRIFFT EINEN FREUND — UND EINE VERWANDTE
Matthäus Mugg war ein seltsamer Mensch. Er fing immer gern etwas Neues an, und das war vielleicht der Grund, warum er nie viel Geld verdiente. Alle seine Versuche, eine neue Arbeit zu beginnen, endeten gewöhnlich damit, daß er wieder zurückkehrte, Katzenfutter verkaufte und für die Bauern und Müller von Puddleby Ratten fing.
Matthäus hatte bereits versucht, auf dem Jahrmarkt von Grimbledon eine Anstellung bei dem Zirkus zu bekommen und war abgewiesen worden. Aber jetzt, wo der Doktor zum Zirkus gehen wollte und dazu mit einem so wundervollen Schaustück wie dem Stoßmich-Ziehdich, hoben sich seine Hoffnungen wieder, und als er abends nach Hause ging, sah er in seiner Phantasie bereits, wie sein geliebter Doktor und er den größten Zirkus der Welt leiteten.
Am nächsten Morgen war Matthäus schon früh wieder in Johann Dolittles Haus. Fürs Frühstück steckte Dab-Dab dem Doktor und ihm ein paar Sardinenbrote in die Tasche, und so machten sie sich auf die Reise. Von Puddleby nach Grimbledon war es ein langer Weg, aber als der Doktor und der Katzenfuttermann eine Zeitlang die Landstraße hinuntergetrottet waren, hörten sie Hufschläge hinter sich. Sie wandten sich um und sahen, ein Bauer kam mit seinem Kutschwagen hinter ihnen her gefahren. Der Bauer wollte die beiden Wandersleute gern in seinem Wagen mitnehmen, doch seiner Frau gefiel das zerlumpte Äußere des Katzenfuttermannes nicht, und so verbot sie ihm, anzuhalten.
„Das nennt man nun christliche Nächstenliebe“, sagte der Katzenfuttermann, als der Wagen an ihnen vorüberfuhr, „sich bequem in den Sitz zurücklehnen und uns hinterher laufen zu lassen. Das war Isidor Stiles, der größte Kartoffelbauer von die ganze Gegend — ich fange oft Ratten für ihm — und seine Frau, diese alte eingebildete Vogelscheuche. Haben Sie gesehen, wie sie mir angeguckt hat? Ein Rattenfänger scheint ihr als Reisegesellschaft nich fein genug zu sein.“
„Aber sehen Sie nur“, rief der Doktor. „Sie halten an und drehen um.“
Das Bauernpferd kannte den Doktor gut vom Sehen und Hören, und beim Vorübertraben hatte es in dem kleinen Mann auf der Landstraße den berühmten Johann Dolittle erkannt. Es freute sich sehr über seine Rückkehr, drehte auf eigene Faust um und trabte zurück, obgleich der Bauer die Zügel fest anzog, um den Doktor zu begrüßen und sich nach seinem Wohlergehen zu erkundigen.
„Wohin wollen Sie?“ fragte das Pferd, als es herankam.
„Zum Jahrmarkt von Grimbledon“, antwortete der Doktor.
„Wir auch“, sagte das Pferd. „Warum steigen Sie nicht in unsere Kutsche und setzen sich neben die Alte?“
„Man hat mich nicht dazu aufgefordert“, antwortete der Doktor. „Dein Bauer versucht, nach Grimbledon umzudrehen. Reiz ihn lieber nicht zu sehr. Lauf los und sorg dich nicht um uns, wir werden schon hinkommen.“
Sehr unwillig gehorchte das Pferd endlich seinem Herrn, drehte um und machte sich nochmals auf den Weg zum Jahrmarkt. Es war aber noch keine halbe Meile getrabt, als es zu sich sagte: Es ist eine Schande, den großen Mann laufen zu lassen, während diese Bauerntölpel fahren. Zum Henker, ich muß ihn holen!
Dann tat es so, als ob es vor irgend etwas auf der Landstraße scheue, schwenkte den Wagen plötzlich herum und galoppierte zum Doktor zurück. Die Bauersfrau kreischte, und ihr Mann legte sich mit seinem ganzen Gewicht in die Zügel. Doch das Pferd beachtete das überhaupt nicht. Als es den Doktor erreicht hatte, begann es sich zu bäumen, auf die Hinterbeine zu stellen und wie ein wildes Füllen aufzuführen.
„Steigen Sie ein Doktor, oder ich werfe diese Dummköpfe in den Graben“, flüsterte es.
Der Doktor, der einen Unfall befürchtete, faßte das Pferd am Zügel und klopfte ihm auf die Nase. Sofort wurde es ruhig und sanft wie ein Lamm.
„Ihr Pferd ist ein bißchen unruhig“, sagte der Doktor zu dem Bauern. „Darf ich es vielleicht einen Augenblick kutschieren? Ich bin Tierarzt.“
„Aber gern“, sagte der Bauer. „Ich habe mir eingebildet, etwas von Pferden zu verstehen, aber heute werde ich mit diesem hier durchaus nicht fertig.“
Nachdem der Doktor auf den Wagen geklettert war und die Zügel in die Hand genommen hatte, stieg der Katzenfuttermann hinter ihm ein und setzte sich vergnügt schmunzelnd neben die entrüstete Bäuerin.
„Schönes Wetter heute, Frau Stiles“, sagte Matthäus Mugg, „wie gehts den Ratten in der Scheune?“
Sie kamen ungefähr in der Mitte des Vormittags nach Grimbledon. In der Stadt war ein großes Gedränge und lebhafte und festtägliche Stimmung. Auf dem Viehmarkt füllten schöne Ochsen, preisgekrönte Schweine, fette Schafe und Zugpferde mit bunten Bändern in der Mähne die Stände.
Durch die gutgelaunte Menge, die sich in den Straßen drängte, bahnten sich der Doktor und Matthäus geduldig ihren Weg zu dem Platz, wo der Zirkus stand. Der Doktor fürchtete, man würde Eintrittsgeld von ihm verlangen, er hatte nämlich keinen Pfennig in der Tasche.
Am Eingang des Zirkus war eine erhöhte Plattform mit Vorhängen auf der Rückseite errichtet. Es sah wie ein kleines Freilufttheater aus. Auf dieser Bühne stand ein Mann mit einem riesigen schwarzen Schnurrbart. Von Zeit zu Zeit traten verschieden kostümierte Zirkusleute durch den Vorhang, und der große Mann stellte sie der erstaunten Menge vor und erzählte Wunder von ihren Fähigkeiten. Was sie auch waren: Clowns, Akrobaten oder Schlangenbeschwörer, immer sagte er, sie seien die besten der Welt. Dies machte auf die Menge einen großen Eindruck und in einem fort schoben sich Leute allein oder paarweise durchs Gedränge, zahlten an der kleinen Kasse ihr Eintrittsgeld und begaben sich in das Innere des Zirkus.
„Habe ich Sie nich gesagt“, flüsterte der Katzenfuttermann dem Doktor ins Ohr, „es ist eine gute Aufführung, die Leute gehen scharenweise hinein.“
„Ist der große Mann der Direktor?“ fragte der Doktor.
„Ja, natürlich, Blossom selbst — Alexander Blossom, der Mann, den wir sprechen wollen.“
Der Doktor begann, sich durch die Menge zu winden, und Matthäus folgte ihm auf den Fersen. Endlich hatten sie sich bis zur ersten Reihe durchgearbeitet und versuchten, dem großen Mann durch Zeichen deutlich zu machen, daß sie mit ihm