Doktor Dolittles Zirkus. Hugh Lofting

Doktor Dolittles Zirkus - Hugh Lofting


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Sie nicht gleich Lärm, Doktor, warten Sie noch etwas. Wenn der Chef erst weiß, wie viel ihm die Vorführung ihrer Tiere einbringt, können Sie ihn um den Finger wickeln. Wenn Sie jetzt gleich Krach machen, verlieren wir wahrscheinlich unsre Stellung, und dann können Sie später gar nichts ausrichten.“

      Dieser Rat leuchtete Johann Dolittle ein, und er gab sich für den Augenblick damit zufrieden, den Tieren durch die Gitterstäbe ihrer Käfige zuzuflüstern, er hoffe, später etwas für sie tun zu können.

      Kurz nach ihrem Eintritt führte ein schmutziger Mensch einen Trupp Landleute herum, um ihnen die Sammlung zu zeigen. Er blieb vor einem Käfig stehen, in dem ein kleines Pelztier gefangengehalten wurde und rief:

      „Und dies, meine Damen und Herren, ist das berühmte Hurri-Gurri aus den patagonischen Wäldern. Es hängt sich mit seinem Schwanz an den Bäumen auf. Bitte zum nächsten Käfig.

      Der Doktor, gefolgt von Göb-Göb, sah sich das berühmte Hurri-Gurri an.

      „Nanu“, sagte er, „das ist ja nichts weiter als ein gewöhnliches Opossum aus Amerika. Eins aus der Familie der Beuteltiere.“

      „Es trägt aber gar keinen Beutel am Arm?“ meinte Göb-Göb. „Es hat sicher nur eine kleine Tasche im Pelz.“

      „Und dies hier“, brüllte der Mann vor dem nächsten Käfig, „ist der größte in Gefangenschaft lebende Elefant.“

      „Fast der kleinste, den ich je gesehen habe“, murmelte der Doktor.

      Dann schlug Herr Blossom vor, sie wollten sich zum nächsten Zelt begeben, zur Prinzessin Fatima, der Schlangenbeschwörerin. Und er führte sie aus der engen, übelriechenden Menagerie ins Freie hinaus. Als der Doktor an den Käfigen vorbeiging, ließ er seinen Kopf hängen und seufzte betrübt. Die Tiere hatten alle den großen Johann Dolittle erkannt und machten ihm Zeichen, er solle stehen bleiben und mit ihnen sprechen.

      Als sie das Zelt der Schlangenbeschwörerin betraten, befand sich dort außer ihnen im Augenblick kein Besucher. Auf der kleinen Bühne sahen sie nur Prinzeß Fatima, die sich ihre große Nase puderte und im Londoner Dialekt vor sich hinfluchte. Neben ihrem Stuhl stand eine große flache Schachtel voller Schlangen.

      Als Matthäus Mugg einen Blick hineinwarf, fuhr er erschrocken zurück und wollte aus dem Zelt rennen.

      „Fürchten Sie sich nicht, Matthäus“, rief der Doktor ihm nach, „sie sind ganz harmlos.“

      „Was sagen Sie, harmlos?“ schnaubte Prinzeß Fatima und starrte den Doktor an. „Es sind Königskobras aus Indien, die giftigsten Schlangen, die es gibt.“

      „Das sind sie durchaus nicht“, antwortete der Doktor. „Es sind ungiftige amerikanische Schwarznattern.“ Und er kitzelte eine unterm Kinn.

      „Lassen Sie die Schlangen in Ruh“, kreischte Fatima und stand auf, „oder ich schlage Sie Ihren dussligen Deetz ein.“

      In diesem Augenblick trat Blossom dazwischen und stellte Herrn Smith der aufgeregten Prinzessin vor.

      Die folgende Unterhaltung — Fatima war noch zu wütend, um sich daran zu beteiligen — wurde durch die Ankunft von ein paar Leuten unterbrochen, die sich die Vorstellung der Schlangenbändigerin ansehen wollten. Blossom führte des Doktors Gesellschaft in eine Ecke und flüsterte:

      „Sie ist ausgezeichnet, Smith, eine der besten Nummern, die ich habe. Beobachten Sie sie nur.“

      Hinter dem Vorhang begann jemand zu trommeln und zu pfeifen. Fatima erhob sich, nahm zwei Schlangen aus der Schachtel und wand sie sich um Hals und Arme.

      „Würden die hochverehrten Damen und edlen Herren die großmütige Güte haben, etwas näher zu treten“, redete sie die Zuhörerschaft schmeichelnd und wie geschmiert an, „dann können Ihre strahlenden Himmelslichter das schwarze Gewürm der Unterwelt besser erspähen.“

      „Warum spricht sie so?“ flüsterte Göb-Göb dem Doktor zu.

      „Pst“, sagte Johann Dolittle, „ich nehme an, sie hält das für eine orientalische Sprechweise.“

      „Hört sich eher wie eine Bratkartoffelsprechweise an“, murmelte Göb-Göb, „wie fett und wabblig sie ist!“

      Da der Zirkusdirektor sah, diese Schau machte keinen guten Eindruck auf den Doktor, führte er ihn zu anderen Zelten.

      Als sie zur Bude des Athleten hinübergingen, bekam Göb-Göb etwas vom Kasperle-Theater zu sehen. Im Augenblick spielten sie grade die Szene, wo der Hund Toby Kasperle in die Nase beißt. Göb-Göb war begeistert, man konnte es kaum von der Stelle bekommen, und die ganze Zeit, während sie mit dem Zirkus herumzogen, blieb das Kasperletheater sein größtes Vergnügen. Es versäumte keine einzige Vorstellung, und obgleich immer das gleiche Stück aufgeführt wurde und es bald jedes Wort auswendig kannte, wurde ihm das Zuhören nie langweilig.

      Vor der nächsten Bude hatte sich viel Publikum versammelt, und Bauernjungen sahen erstaunt dem starken Mann zu, der riesige Gewichte in die Luft stemmte. Bei dieser Vorführung war keine Betrügerei, und Johann Dolittle schloß sich sehr interessiert dem Händeklatschen der erstaunten Menge an.

      Der Athlet war ein ehrlich aussehender Bursche mit starken Muskeln, und der Doktor gewann ihn sofort lieb. Eine seiner Nummern bestand darin, sich auf den Rücken zu legen und riesige Hanteln mit den Füßen in die Luft zu stemmen. Dazu war sowohl Gleichgewicht wie Kraft nötig, denn fielen die Hanteln herunter, verletzte man sich schwer. Als der starke Mann seine Beine endlich in eine aufrechte Stellung gebracht hatte und die Menge vor Bewunderung zu flüstern begann, gab es auf einmal einen lauten Krach. Ein Dielenbrett der Bühne hatte nachgegeben, und die riesigen Hanteln waren dem Mann auf die Brust gefallen.

      Die Menge schrie, und Blossom sprang aufs Podium. Nur der gemeinsamen Kraft von zwei Männern gelang es, die Hanteln von des starken Mannes Brust zu entfernen, aber selbst dann stand er nicht auf. Er blieb bewegungslos mit geschlossenen Augen und totenblassem Gesicht liegen.

      „Hol’ einen Doktor!“ rief Blossom dem Katzenfuttermann zu, „mach schnell, er ist schwer verletzt und bewußtlos, schnell einen Arzt!“

      Aber Johann Dolittle war bereits auf die Bühne geklettert und beugte sich über den Direktor, der neben dem verletzten Mann kniete.

      „Machen Sie mir bitte Platz, und lassen Sie mich ihn untersuchen“, sagte er ruhig.

      „Sie können ihm doch nicht helfen! Er ist schwer verletzt. Er atmet ganz schwer. Wir brauchen einen Arzt.“

      „Ich bin Arzt“, sagte Johann Dolittle. „Matthäus, laufen Sie zum Wagen und holen Sie mir meine schwarze Tasche.“

      „Sie, ein Arzt?“ rief Blossom und stand auf. „Ich dachte, Sie seien ein Herr Smith.“

      „Natürlich ist er Arzt“, rief jemand aus der Menge. „Es hat eine Zeit gegeben, wo er der beste in den ganzen westlichen Provinzen war. Ich kenne ihn. Er heißt Dolittle — Johann Dolittle aus Puddleby auf der Marsch.“

      DER DOKTOR IST ENTMUTIGT

      Der Doktor hatte festgestellt, die Hanteln hatten dem starken Mann zwei Rippen gebrochen. Aber bei Herkules’ überaus kräftiger Gesundheit prophezeite er, der Patient würde sich trotzdem schnell erholen. Der Verletzte wurde in seinem Wagen zu Bett gebracht, und bis zu seiner Genesung besuchte ihn der Doktor viermal am Tage und Matthäus schlief in seinem Wagen, um ihn zu pflegen.

      Der Athlet — sein Künstlername war Herkules — war Johann Dolittle dankbar und schloß sich ihm an und wurde ihm — wie man später sehen wird — sehr nützlich.

      Als der Doktor am ersten Abend seiner Zirkuslaufbahn zu Bett ging, wußte er, wenn er sich in Fatima, der Schlangenbeschwörerin, heute auch eine Feindin gemacht hatte, in Herkules, dem starken Mann, hatte er einen Freund gewonnen.

      Am nächsten Tag wurde das Stoßmich-Ziehdich zum erstenmal zur Schau gestellt, und viele Leute kamen, es anzusehen, denn ein zweiköpfiges Tier hatte man noch nie


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