Im Alten Reich. Ricarda Huch

Im Alten Reich - Ricarda Huch


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Frau des Tilemann Elken von Wolfenhagen, eines Klerikers des Mainzer Bistums, der Stadtschreiber in Limburg wurde. Da er die höheren Weihen nicht empfangen hatte, konnte er sich verheiraten.

      Es schickt sich gut, daß ein Ort von solcher Monumentalität wie Limburg bedeutende Chronisten hervorgebracht hat. von hier blickte Tilemann Elken wie von einem Adlerhorst in die weite deutsche Welt, und er sah, als hätte er eines Adlers Augen, das ihm Verwandte, das Große und Herrenmäßige. Seine Schilderungen von Menschen sind erstaunlich, besonders wenn man sie mit denen anderer geistlicher Geschichtschreiber vergleicht, für die Anhänglichkeit an die Kirche der einzige Maßstab der Größe war. Bei Tilemann ist fabulierende Lust an auffallenden Begebenheiten, Interesse für ausgeprägte Charaktere und Charakterköpfe und Sinn für Poesie, Neben dem Großvater seiner Frau, von dem er mit zärtlicher Verehrung sprach, bewunderte er den Erzbischof von Trier, Kuno von Falkenstein, mit dem vereint die Limburger manche Ritterburg brachen. Er schildert ihn ausführlich als einen herrlichen, großen und starken, wohlproportionierten Mann mit einem großen Kopf voll krausen Haars, mit breitem Gesicht, dicken Lippen, einer breiten, in der Mitte eingedrückten Nase, hoher Stirn und großem Kinn. »Und stund auf seinen Beinen,« schrieb er, »als ein Löwe und hatte gütliche Geberde zu seinen Freunden. Und wann daß er zornig war, so paußten und flodderten ihm seine Backen und stunden ihm herrlich und weislich und nit übel. Dann der Meister Aristoteles spricht: non irasci in quibus oportet insipientis esse.«

      Von seinem Landesherrn Gerlach III. rühmte er, daß er scharf von Reden und Rat, rasch und heiter sei. Mit Wohlgefallen beschrieb er die jeweils üblichen Kleidermoden und zeichnete die Lieder auf, die grade gesungen wurden. Die besten Lieder der Welt in Wort und Melodie, denen keine anderen gleichkämen, habe ein aussätziger Barfüßermönch gemacht, der auf einer Insel im Main gelebt habe, und er führt seine Verse an: »Mai, Mai, Mai, du wonnigliche Zeit – Männiglichen Freude giebt – ohne mir; was meinet das?«

      Nach Tilemann Elken schrieben in Limburg Johann Gensbein, Georg Emmel und Johann Mechtel Chroniken. Der letztere war zu Pfalzel bei Trier geboren, wurde in Eltz bei Limburg Pfarrer und hatte um das Ende des 16. Jahrhunderts eine Kanonikarstelle im Limburger Georgenstift, wo er Muße fand, seiner Lieblingsbeschäftigung, historischen Studien, nachzugehen. Er schrieb nicht wie Tilemann Elken zu einer Zeit, wo Burg, Stift und Stadt in Freuden und Ehren standen, sondern zur Zeit des Niedergangs, der Verarmung und verminderten Selbständigkeit. Nachdem der braune, schwarzlockige Gerlach III. gestorben war, dem seine kinderlose Frau drei Wochen später in den Tod folgte, mußte sein jüngerer Bruder Johann, der für den geistlichen Stand bestimmt und Domherr von Köln und Trier war, sich entschließen, die Herrschaft zu übernehmen, wozu die Erlaubnis des Papstes glücklich erwirkt wurde. Er war seinem dunklen und raschen Bruder ganz ungleich, sein Haar war gelb wie Goldfäden, so berichtet Tilemann, er war gütlich im Sprechen und in Scherz und Ernst weise. Erst nach zwanzig Jahren entschloß er sich zu heiraten, blieb aber kinderlos, so daß nach seinem Tode das ganze Limburger Gebiet an Trier fiel.

      Einst hatte die Stadt als eine ebenbürtige Macht sich mit den Erzbischöfen verbündet, um Friedensstörer oder beeinträchtigende Gegner zu bekämpfen. Viele Fehden hatte die Stadt allein geführt, so mit dem Ritter Johann von dem Steine, mit dem Ritter Emerich Rudel von Reiffenberg, mit dem Knappen Rüdiger von Wanscheid, mit dem Grafen Gerhard VI. von Diez. Rasch und roh war die Bevölkerung, aber voll Kraft. Corz Noide, ein Bürgermeister von Limburg, führte einst in Person einen Dieb auf der Mauer zum Katzenturm. Als sie bei der Dietzer Pforte waren, sprang der Dieb, den Bürgermeister mir sich reißend, die Mauer hinunter. Der Bürgermeister starb nach acht Tagen, der Dieb wurde sofort gehängt, weil er sonst ehrlich gestorben wäre.

      Warum, fragte sich oft der nachdenkliche Schilderer seiner Zeit, Johannes Mechtel, ist die blühende Stadt so sehr herabgekommen? Es möchte sein, daß das Stift zu einem Teil den städtischen Reichtum aufgesogen habe, da die Patrizier nicht müde wurden, es mit Altären und Stiftungen zu begaben; dann sei der Adel nach dem Aussterben der Isenburger weggezogen und habe der Stadt Limburg ihre verfallenden Mauern und die Namen ihrer Höfe überlassen. Er führt den Westerburger, den Ottensteiner Garten an, die Gärten der Spechten von Bubenheim, der Diez, der von Staffel, der Reiffenberger, der Kronberger, der Wanscheid, der Walderdorff: leere Häuser, verwildernde Stätten. Die Sage bildete sich, daß angesehene Geschlechter nach Frankfurt gezogen wären und dadurch den Aufschwung Frankfurts bewirkt hätten, wovon noch das Haus Lympurg in Frankfurt, das Gesellschaftshaus der vornehmen Frankfurter neben dem Römer, Zeugnis ablege. Andere Familien wären verarmt und unter die Bürger gesunken; aber doch, wenn der Chronist die Menge der einst in Limburg blühenden reichen Geschlechter bedenkt, so kann er nicht fassen, wohin sie alle mit Gut und Blut gekommen sein sollen? Er führt noch viele Namen von altem edlen Klange an; ist es wahr, wie man sagt, daß sie nach einem großen Brande ausgewandert sind? Es will ihn bedünken, daß es damit nach dem Laufe der Natur oder nach dem Worte der Schrift gegangen sei, daß der Mensch aufgehe und hinfalle wie eine Blume; so wären auch diese gestorben und verdorben. »vor Zeiten waren sie an Stamm und Namen, von Ehren und Gut berumt und weit bekant, jetzo seint nit wol die malzeiten irer haus und hof zu finden.«

      So viel ist gewiß, daß in der Umgegend von Frankfurt schwerlich eine andere Stadt durch Handel hochkommen konnte, und daß anderseits eine auf Ackerbau angewiesene Stadt verarmen und bedeutungslos werden mußte, als die Nation von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft überging.

      An die starken, stolzen und wilden Zeiten Limburgs erinnern nur noch der Dom und die Burg und die steinerne Brücke, unter der die Lahn sich um den Fuß des Felsens biegt.

Stadtwappen

      Gelnhausen

       Inhaltsverzeichnis

      Kaiser Barbarossa hatte bei der alten Reichsstadt Gelnhausen eine Burg, wo er sich gern aufhielt, von einer wunderschönen Geliebten, die Godula hieß, gefesselt. Nah bei der Burg war damals ein kleiner See, von Erlen und Birken umgeben, der voll bunter Fische war; sie schimmerten wie Edelsteine milchweiß, silbern, bläulich und rosenrot. Das Volk getraute sich nicht, sie zu fangen, weil ein Neck im See hauste: der stieg oft aus dem Wasser, setzte sich ans Ufer und spielte auf einer Harfe. Er hatte langes, schilfiges Haar und grüne Augen und tat niemandem etwas zuleide. Die schöne Godula hatte große Freude an den Fischen und belustigte sich damit, ihnen Brot zuzuwerfen und zuzusehen, wie sie danach schnappten; besonders einen roten, der wie eine Feuerflamme durch das Wasser zuckte, gewann sie lieb, und wenn sie ihn einen Tag lang nicht gesehen hatte, wurde sie traurig. Da, eines Tages, als er langsam, langsam ans Ufer geschwommen kam, sah sie, daß Blutstropfen aus seinen Schuppen quollen, und nach einigen Minuten war er tot und versank in die Tiefe. Die schöne Godula verfiel in Traurigkeit und starb nach drei Tagen; seitdem mochte Kaiser Barbarossa nicht mehr in der Burg verweilen, ritt hinweg und kam nie wieder nach Gelnhausen.

      Diese seltsame Sage raunt von der dämonischen Macht der Elemente und der elementarischen Leidenschaften über das, was der bewußte Mensch hervorbringt. Unaufhörlich ringen sie mit ihm um sein Werk, das sie lieben und an dem sie Anteil haben; Feuer und Wasser wühlen und nagen daran, der Sturm erschüttert es und die Erde wächst darüber hin. Gras und Blumen dringen aus der geborstenen Mauer, das Moos kriecht daran herauf, der Purpur des Efeu umhüllt sie. Nicht mehr widerhallt sie vom Klirren der Waffen oder vom Gebet der Mönche oder vom Sausen des Spinnrads, nicht mehr begrüßt das Horn des Wächters den Morgen von der Zinne; aber die Musen rauschen daran vorüber mit unsterblichen Gesängen.

      In früherer Zeit ließen die Menschen gebrochene Burgen, abgebrannte Klöster und Kirchen verfallen und in die Erde verbröckeln, wenn sie nicht etwas Neues darüber errichteten oder die brauchbaren Trümmer zu anderen Bauwerken verwendeten. So ging es auch mit der alten Burg von Gelnhausen; wer in der Stadt etwas baute, holte sich das Material dazu aus der herrenlosen Burg, wo es nichts kostete. Dem machte die preußische Regierung ein Ende: das denkwürdige Gebäude wurde gesäubert und instand gesetzt, wissenschaftlich untersucht und angeordnet, der Zugang versperrt und die Besichtigung nur in Begleitung eines Aufsehers


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