Heiße Keramik. Regina Mars

Heiße Keramik - Regina Mars


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Er liebte die Unebenheiten, die entstanden, wenn man Ton direkt brannte. Man wusste nie, wo ein interessanter Riss entstand, eine Furche, die …

      »Was wollte ich dir erzählen?«, fragte er.

      »Wie es sich anfühlt, geliebt zu werden.« Hörte er da einen Hauch von Sehnsucht? Ne, bestimmt nicht.

      »Ach ja. Also. Das ist, als würde ein Feuer in dir entfacht. In einem Ofen, der immer leer war, immer kalt, aber wenn dich einer liebt, endlich, so richtig und du ihn auch liebst … Du wächst. Du gehst auf wie ein Hefeteig.«

      »Ja, dass Pärchen fett werden, ist mir auch schon aufgefallen.«

      »Innerlich, du Romantik-Legastheniker. Innerlich! Du … Na, du beginnst zu blühen. Wie diese Dings in der Dings.«

      »Was? Wo?«

      »Diese … diese Samenkörner. Im Wüstensand. Da regnet’s nur alle hundert Jahre oder so. Aber wenn … dann ist da am nächsten Tag ein Blütenmeer. All diese Samenkörner, die schlummern nur, die warten nur darauf, dass eines Tages der Richtige kommt, der …«

      »Der richtige Regen.« Stirnrunzeln.

      »Ja, verdammt. So war das bei Tilmann und mir. Ich war noch nie so glücklich.« Trübselig sah er in sein Bier.

      »Bist du sehr sauer, dass er dich verlassen hat? Du … Wenn es so gut war, dann musst du ihn hassen, oder?«

      »Ne. Hass ihn nicht. Nie.« Gordan seufzte. »Ich versteh doch, warum er gegangen ist.«

      »Ich würde ihn hassen.« Träge legte der Kleine die Wange auf den Tisch. »Wenn jemand dir so ein Gefühl gibt und dann abhaut …«

      Gordan betrachtete das nichtssagende Gesicht. »Warst du schon oft verliebt?«

      »Bisschen.« Nachdenkliches Lippenbeißen. »Nicht … Ich meine, ich war schon verliebt, aber … das beruht nie auf Gegenseitigkeit. Ich …« Irgendetwas passierte in der glatten Miene. Etwas Atemberaubendes. »Ich bin zu … Ich bin nichts. Reine Oberfläche. Wie soll man einen wie mich …« Er verstummte. Gordan setzte sich auf. Sein Puls raste, ganz plötzlich. Da war etwas. Etwas Unerwartetes. Wie Gold, das aus einem Riss zwischen Felsen hervorblitzte. Wie …

      »Jungs, letzte Runde.« Lisbeth klopfte auf den Tisch. Sofort schlossen sich alle Risse und der Goldjunge war so langweilig wie zuvor. »Wollt ihr noch was?«

      »Nein, wir wollen doch nicht betrunken werden«, sagte der Kleine und richtete sich auf.

      »Genau, dafür sind wir viel zu vernünftig.«

      »Sicher?«

      »Na gut, eins noch.« Gordan nickte gnädig. Sie verdrehte die Augen und schwebte davon. »He Kleiner, wolltest du nicht wissen, warum ich keine neuen Plastiken mache?«

      »Richtig!« Der blonde Trottel zuckte zusammen. »Ja, genau. Warum töpferst du keine neuen Plastiken?«

      »Weil du ein Trottel bist, haha.«

      Der Goldjunge schubste ihn von der Bank. Mit einem winzigen Stupser, der kaum stark genug war, um ein Baby umzuhauen. Aber Gordan war besoffen und schwer.

      »He!« Löwenzahn spross im Kies und kitzelte seine Wange. Es knirschte, als er sich aufrichtete. Der Junge schaute auf ihn nieder.

      »Ups, tut mir leid.«

      »Kein Problem, Süßer.«

      »Süß bin ich jetzt auch noch, ja?« Schmollend verzogene Lippen. Ganz niedlich. Aber das Dings von eben, dieser Ausdruck, der Gordan einen Moment lang die Sprache verschlagen hatte, der kam nicht zurück. »Erzählst du jetzt endlich, warum ich keine Plastiken bekomme?«

      »Weil du ein …« Gordan seufzte und richtete sich auf. Schwerfällig nahm er wieder neben dem Jungen Platz. Robin. Der Junge hieß Robin. »Passt irgendwie zu dir.«

      »Was passt zu mir?«

      »Nichts. Ich …« Gordan atmete tief ein. Sie waren die Letzten auf der Bierbank. Oh, frisches Bier! Direkt vor ihm! Wann war Lisbeth zurückgekommen? »Weißt du noch, was ich dir über die Liebe erzählt habe?«

      »Natürlich weiß ich das! Das ist keine fünf Minuten her! Jetzt verrat mir endlich, warum du mein fantastisches Angebot ausschlägst.«

      Gordan schloss die Hände um sein neues, kühles Bier. »Es war Tilmann. Wegen ihm habe ich … Er wollte immer, dass …« Er seufzte. »Ich wollte ein richtiger Künstler werden, weißt du? Als ich aus der Uni kam, da wollte ich … Ich wollte die Keramik als Kunstform weiterbringen, sie zurück ins Rampenlicht holen, in die Galerien …«

      »Also die Plastiken waren eine Sensation. Immerhin das hat funktioniert.« Ein Nicken.

      »Nicht so, wie ich wollte. Erst mal hat es gar nicht geklappt. Nach der ersten Vernissage hatte ich noch eine und noch eine und alle wurden gut besprochen und ich hatte ein paar Verkäufe und … und Tilmann und ich haben in einer schäbigen Bude gehaust, aber das war uns egal, weil wir dachten, der Durchbruch stünde kurz bevor …« Wenn er davon erzählte, spürte er Tilmanns schlanken Körper noch hinter sich, die Wärme, den Geruch nach Waldhonig, der von seinem Freund ausgegangen war. »Ne Weile hat es uns echt nichts ausgemacht. In Berlin konnte man auch feiern, wenn man pleite ist. Wir haben uns ausgelebt, nachts, und tagsüber stand ich in der Werkstatt. Er hat geschrieben und wir dachten, wir sind kurz davor, die Welt zu erobern.« Trübselig folgte er einem Schaumtropfen auf seinem Weg das Glas hinunter. »Haben wir aber nicht.«

      »Offensichtlich.«

      Gordan warf ihm einen genervten Blick zu.

      »He, wenn ihr die Welt erobert hättet, hätte ich davon gehört.« Ein müdes, freches Grinsen. »Der große Präsident, Papst und Kaiser Gordan Klingenschmied, Herrscher des Planeten.« Er kicherte.

      »Lach du nur. Nein, das wurde nichts. Drei Jahre später waren wir immer noch ganz am Anfang. Schlimmer. Die Galerien hatten neue, heiße Künstler. Mit meinen mittelmäßigen Verkäufen bin ich nicht mehr in die guten reingekommen. Und die Kunst wurde … Ich wurde schlechter. Ich habe versucht, das zu machen, was … was ich dachte, das die wollen. Was für eine Scheißidee.« Er versenkte sein Gesicht im Bierkrug und trank. Langsam schmeckte es nicht mehr. »Na ja, dann wurden wir aus der Wohnung geschmissen und konnten uns keine neue leisten. Erica hat mir angeboten, zurückzukommen. Ein alter Bekannter von uns hatte eine freie Werkstatt und … nach all den Enttäuschungen hatte ich eine neue Idee.«

      »Und die wäre?« Misstrauisches Naserümpfen. »Hat es was mit Spitzmaustassen zu tun?«

      »Ja. Das war mein Plan. Kunsthandwerk herstellen, so Zeug, das die breite Masse mag. Und damit auf den Wochenmärkten Geld verdienen und nebenher echte Kunst machen. Tilmann war nicht begeistert. Aber er ist mitgekommen.«

      »Und?«

      »Hat nicht funktioniert. Nicht gut. Ich hab mir den Arsch aufgerissen, aber auch mit den«, er wischte sich Schaum vom Mund und rülpste, »Spitzmaustassen lief es mittelmäßig. Immerhin besser als vorher. Und …« Er verstummte.

      »Und was?«

      »Und ich habe gemerkt, dass …«

      »Ja?!« Robins Stimme nahm einen genervten Unterton an. Schnöselig, aber genervt.

      »Dass mir das Spaß macht«, gab Gordan zu. »Die Spitzmaustassen und die Ameisenbärwindlichter und alles. Dieser Kitsch für gelangweilte Sonderschulpädagoginnen. So hat Tilmann es genannt.«

      »Der war nicht begeistert davon, dass du dich dem kommerziellen Kunsthandwerk zugewandt hast?«

      »Nein. Das kann man so sagen. Dass wir uns kaum noch gesehen haben, hat auch nicht geholfen. Er war daheim und hat geschrieben und ich war im Atelier. Na, und da ist seine Liebe leider … eingeschlafen wie ein abgeklemmter Fuß.«

      »Hat er das auch so genannt?«

      Unwillkürlich musste Gordan lächeln. »Ja. Er ist ein Poet.«

      »In


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