Heiße Keramik. Regina Mars

Heiße Keramik - Regina Mars


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wie Sie sich in Ihrem stinkenden Loch verkrochen haben, aber die ersten waren ein gigantischer Erfolg. Der Markt ist so heiß auf neue Werke von Gordan Klingenschmied, dass wir eine Auktion veranstalten könnten und ich wette, dass keine Plastik unter hunderttausend weggeht. Was sagen Sie?«

      »Nein.«

      »Gordan, du Hundsfott!«, brüllte Erica. Halb aufgerichtet erstarrte sie. Lucy und Luke sahen sie an, als hätte sie sich in einen feuerspeienden Drachen verwandelt. Sie wurde blass. »Ich … Lucy, Luke, geht auf eure Zimmer. Ihr könnt zum Nachtisch wieder herunterkommen. Onkel Gordan und ich müssen etwas besprechen, das«, eine Ader zuckte auf ihrer Schläfe, aber ihre Stimme war süß wie Sirup, »sehr langweilig für euch wäre. Husch, husch.«

      »Das macht nichts«, sagte Lucy mit tellergroßen Augen. »Mir ist gar nicht langweilig.«

      »Mir auch nicht.« Ein Salatblatt fiel aus Lukes Mund. »Gar nicht überhaupt nicht. Ich will hierbleiben.«

      »Auf eure Zimmer.« Erica atmete ein. »Sofort.«

      »Aber mir ist überhaupt nicht lang…«

      »Sofort.«

      Die beiden trollten sich. Gordan fragte sich, ob sie einen Weg finden würden, um zu lauschen. Erica und er hatten immer einen Weg gefunden, wenn ihre Eltern gestritten hatten.

      Entnervt sah er den Goldjungen an, der sichtlichen Spaß an der Szene hatte. Ein fieses Lächeln zierte seinen Mundwinkel. Fehlte nur noch, dass er spöttisch mit den Augenbrauen … Der Mistkerl wackelte spöttisch mit den Augenbrauen! Gordan ballte die Finger zu einer Faust, aber bevor er etwas sagen konnte, schlug ihm Ericas geballte Wut ins Gesicht.

      »Wie kannst du so ein Idiot sein, Gordan?!« Ihre Stirn war weiß, die Wangen rot. »Du dämlicher, egoistischer Mistkerl! Nagst am Hungertuch, pennst in deinem Atelier und lässt dich von mir aushalten und dann lehnst du vor meinen Augen so ein Angebot ab?!«

      »Ich lasse mich nicht von dir aushalten!« Er sprang auf. Wut flammte in seinem Bauch hoch. »Ich dusche einmal pro Woche hier, und dafür koche ich! Besser als Georg das hinkriegt, falls du es gemerkt hast. Und besser als du!«

      »Ja, mit meinen Zutaten!« Sie setzte das Weinglas an die Lippen und trank es in einem Zug aus. Leider besänftigte der Alkohol sie nicht. »Du verblödeter Hornochse! Was denkst du denn, wer für dich aufkommen wird, wenn du alt bist? Wenn du immer noch kein Geld hast und zu alt bist um zu arbeiten? Was für eine Rente hast du dann? Keine! Und nur, weil du unbedingt deinen Kopf durchsetzen musstest und ein nutzloser Künstler geworden bist. Genau wie Mum und Dad! Für die werde ich auch sorgen müssen, für euch alle, ihr elenden Schmarotzer! Und dann passiert einmal etwas Gutes, da hast du einmal eine Chance, und du sagst Nein?!«

      »Ja, ich sage Nein«, presste Gordan heraus. »Das ist mein gutes Recht. Und du musst auch nicht für mich sorgen, wenn ich alt bin. Lieber jage ich mir eine Kugel in den Kopf, als dir zur Last zu fallen.«

      »Schön.« Sie knallte das Weinglas auf die Tischplatte. »Aber für Mom und Dad muss ich alleine aufkommen, weil du nicht helfen kannst. Und wenn … wenn mir oder Georg etwas passiert, dann haben die Kleinen niemanden mehr. Ihr Onkel wird nicht für sie sorgen können, weil er … weil er ein sturer Blödmann ist …« Oh nein. Bitte nicht. Ihre Augen glitzerten und ihre Stimme wurde klein und rau. »Du Idiot. Ich kann doch nicht immer alles alleine machen. Du könntest doch auch mal …«

      Verdammt. Alle Worte blieben in Gordans Kehle stecken, wie immer, wenn sie weinte. Was nicht oft vorkam. Und schon gar nicht vor Fremden. Gordan warf einen Blick auf den Goldjungen, der nicht länger griente. Er schaute, als wäre er an jedem Ort der Erde lieber als hier. So, wie seine Finger die Serviette kneteten, würden gleich nur noch weiße Fetzen vor ihm liegen.

      »Erica.« Gordan atmete ein. »Ich kann dir das erklären. Später. Wenn du willst.«

      »Ich will nicht.« Sie sah ihn nicht an. Eine einzelne Träne rann über ihr Kinn. »Noch einen Vortrag über Kunst und Freiheit ertrage ich nicht. Verschwinde, Gordan. Ich habe genug von dir.« Sie nahm das Glas und stiefelte aus dem Raum. Ihr schmaler Rücken war angespannt. Gordan wollte ihr hinterherlaufen, aber er wusste aus bitterer Erfahrung, wo das enden würde. In noch mehr Streit und Tränen. Trotz des guten Steaks in seinem Magen fühlte er sich leer und kalt.

      »Komm mit, Goldjunge«, sagte er leise. »Ich kenn sie. Sie will jetzt alleine sein.«

      Der Schönling warf seinen Stuhl fast um, als er aufstand. In Windeseile durchquerte er den Flur und war aus der Tür. Erst, als sie hinter ihnen zuklappte, atmete er aus. Es war dunkel und die Sommerluft kühlte ab. Sie roch nach frisch gemähtem Vorstadtrasen und Autopolitur.

      »Es tut mir leid«, sagte der Goldjunge und sah Gordan an. Licht drang aus dem rautenförmigen Fenster in der Haustür. Es versenkte die Hälfte seines Gesichts im Schatten und verlieh ihm einen Hauch von Charakter. »Wirklich. Ich dachte, Ihre Schwester könnte Sie überreden. Ich wollte nicht, dass Sie sich streiten. Ich gehe morgen gern zu ihr und erkläre, dass …«

      »Mach dir keinen Kopf, Goldjunge.« Gordan ließ eine Hand auf seine Schulter fallen. Der Schnösel hielt sich aufrecht. Kräftig war er ja. »Das warst nicht du. So endet jedes Sonntagsessen.«

      »Bitte?!«

      »Ja. Letzte Woche hat sie mich auch rausgeschmissen.« Gordan seufzte. »Es ist nicht so einfach.«

      »Ja, das habe ich bemerkt.« Der türkisfarbene Blick schien ihn zu durchbohren. »Gibt es einen Grund dafür?«

      »Wir sind Geschwister.« Gordan zuckte mit den Achseln und trottete die Stufen hinunter in die Einfahrt. »So ist das halt.«

      »Bei uns nicht.«

      »Das kann ich mir vorstellen.« Er grunzte. »Ihr sitzt vermutlich an einer drei Kilometer langen Tafel und schweigt.«

      »Nein. Wir reden.« Der Kleine ging neben ihm her über die Straße. Er verzog den Mund und musterte die beigefarbenen Reihenhäuser hinter den Lichtkegeln der Straßenlaternen. »Wir reden darüber, welche Erfolge meine Geschwister vorzuweisen haben. Wir reden darüber, wie meine Eltern sich kennengelernt haben und warum sie nach vierzig Jahren noch so glücklich miteinander sind wie am ersten Tag. Dann reden wir darüber, wie gut es für Mutters Kandidatur aussieht. Wie Vater es schafft, die Umsätze mit jedem Jahr zu steigern. Und dann kramt irgendwer die alte Geschichte hervor, wie ich den Kunstlehrer gefickt habe und vom Internat geflogen bin.«

      Gordan lachte. Überrascht darüber versuchte er, es wie ein Husten klingen zu lassen. »He, das ist doch auch ein schöner Erfolg. Schafft nicht jeder.«

      »Nein.« Kurz sah es aus, als wollte ein Lächeln in den glatten Mundwinkel kriechen. Tat es aber nicht. Der Goldjunge steckte die Hände in die Hosentaschen und wippte wieder vor und zurück. »Das schafft nur Robin, die Schande der Familie von Romberg-Krieger. Das ist das Einzige, was er schafft. Vögeln, saufen und die Familie lächerlich machen.«

      Gordan sah ihn überrascht an. »Warum erzählst du mir das? So viel Wein hast du auch nicht getrunken.«

      »Das stimmt.« Ein Seufzen. »Würde ich aber gern.«

      »Na dann …« Gordan atmete tief ein. Egal. Er hatte keine Kraft mehr, gegen den blonden Trottel zu kämpfen. »Gehen wir was trinken. Wenn du einem brotlosen Künstler ein paar Bier spendierst, erzählt er dir, warum er dein Angebot nicht annehmen kann.«

      5. Gepflegte Unterhaltung

      Warum war der behaarte Affe plötzlich freundlich? Okay, nicht freundlich, aber ganz umgänglich. Er ließ Robin sogar vorne im Taxi sitzen, das sie zurück in die Innenstadt fuhr. Robin fragte sich, wie der Primat hergekommen war. War er etwa gelaufen?

      »Kannst uns hinter der Wachtelwirtin absetzen, Ludwig?«, fragte der und nickte dem Taxifahrer zu. »Der Kleine spendiert mir ein Bier.«

      Der Taxifahrer sagte nichts, aber ein amüsiertes Schmunzeln lag unter seinem Bärtchen. Frechheit. He, Moment mal! Das war


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