Stellaris Paket 4. Andreas Suchanek

Stellaris Paket 4 - Andreas Suchanek


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zu Karla Magis Nagirs Kabine. Frank berührte den Sensor. »Mach auf, Nagir, ich muss mit dir sprechen.«

      Er hob den Strahler und zielte auf die Tür. Halb erwartete er, von STELLATRICE deswegen angesprochen zu werden, doch die sonst allsehende und allwissende Bordpositronik schwieg. Ob Gashi sie beeinflusst hatte?

      »Wer ist da?«, fragte eine melodische Stimme zurück. Über dem Sensor flimmerte ein Bildschirm auf, und das Gesicht einer goldfarbenen Frau mit Mandelaugen und Glatze erschien.

      »Mein Name ist Frank Egorius Tan. Öffne die Tür, oder ich bin gezwungen zu schießen!«

      Die Tür glitt zurück. Sicher wusste Nagir, dass der Stahl der Tür auf Dauer kein Hindernis für seine Waffe darstellte, trotzdem wunderte sich Frank über die prompte Reaktion. Adrenalin ließ seine Hände leicht zittern. War das eine Falle?

      »Komm rein«, sagte die kaum einen Meter sechzig große Frau mit einem Handwinken. Sie wirkte nicht im Mindesten von der Waffe beeindruckt.

      Frank rechnete jeden Moment mit einem Hinterhalt.

      »Jetzt komm schon rein und setz dich!«, sagte Nagir nachdrücklich. »Ich nehme an, es geht um den Welpen?«

      Frank ließ die Waffe ein Stück sinken, hob sie jedoch sofort wieder an. Er blieb im Raumzugang stehen. »Ja, es geht um den Welpen. Ich will Antworten. Planst du, die STELLARIS zu kapern?«

      Nagir lachte auf; es klang vergnügt. Verstand sie nicht, dass eine tödliche Waffe auf sie gerichtet war?

      »Aber nein«, sagte die Goldhäutige mit einem bezaubernden Lächeln. »Astarsius muss auf einen sicheren Planeten gebracht werden. Er ist nur ein Passagier und der Mond eine Zwischenstation. Dem Schiff wird nichts geschehen. In zwei Stunden ist der ganze Spuk vorbei.«

      »Astarsius?«

      Nagir trat einen Schritt auf ihn zu.

      »Bleib stehen!«, fuhr Frank sie an. »Und halt die Hände hoch!« Das lange Gewand der Kariduserin war hervorragend geeignet, um darin eine Waffe zu verbergen.

      Sie hielt inne. »Der Welpe heißt so.«

      »Was hast du wirklich vor?«

      »Das habe ich bereits gesagt.« Nagirs Lächeln verschwand. »Der Welpe wird auf einen Planeten gebracht, der in keinem Logbuch erwähnt wird. Astarsius und ich werden auf dem Mond von Bord gehen. Mehr geschieht nicht.«

      Franks Armmuskeln verkrampften, so fest hielt er den Strahler. Sagte Nagir die Wahrheit? »Was hat es mit dem Welpen auf sich? Wie beeinflusst er die Menschen?«

      Nagir starrte ihn unverwandt an. »Viel erstaunlicher finde ich, dass du gegen ihn immun bist. Das habe ich in zwanzig Jahren bisher erst in vier Fällen erlebt. Keiner davon lag außerhalb der Familie. Hast du Vorfahren auf Karidus?«

      »Ich stelle die Fragen«, wies Frank sie zurecht. »Und du antwortest. Also, wie wirkt das Untier auf Lemurerabkömmlinge? Macht es das bewusst?«

      Nagir setzte sich aufreizend langsam in den Sessel. Sie hielt die Arme dabei weiterhin erhoben, wirkte aber nach wie vor nicht beeindruckt, dass auf sie eine Waffe gerichtet war.

      »Astarsius stammt aus einem sehr seltenen Wurf-Geschlecht. Es fiel der Familie Magis vor mehreren Jahrhunderten zu. Seitdem hüten wir diese außergewöhnlichen Tiere. Ihre Beeinflussung ist eine Paragabe, sie benutzen sie nicht bewusst. Es ist eher eine Art Überlebensinstinkt des Jungtiers, da die Hunde aus einem Gebiet mit sehr vielen natürlichen Feinden stammen. Die Gabe bringt selbst die gefräßigste Tarrik-Bestie dazu, die Welpen zu hüten wie ein eigenes Junges.«

      Frank zählte eins und eins zusammen. »Es gab einen Umsturz auf Karidus. Hast du den Welpen dafür eingesetzt?«

      Nagir schwieg, doch er las die Antwort in ihrem trotzigen Gesichtsausdruck. Das war also das Geheimnis der Magis-Dynastie. Immer, wenn es brenzlig wurde, holten sie einen Welpen mit Paragabe auf den Planeten und beeinflussten das Parlament zu ihren Gunsten.

      »Es stimmt also.« Frank ließ den Strahler ein Stück sinken. »Und was ist deine Aufgabe?«

      »Ich bin die Hüterin des Ewigen Welpen. Es ist mir möglich, seine Wirkung über einfache Befehle zu dämpfen oder zu verstärken. Durch seine Fähigkeiten ist er für meine Familie von größter Bedeutung. Sein Leben steht über meinem.«

      Frank betrachtete sie nachdenklich. Die ganze Geschichte klang verrückt. In welche Geschichte war er da hineingeraten? Eine Hüterin für ein Tier, das die Gabe hatte, eine Regierung zu stürzen.

      Aber er glaubte Nagir. Gerade weil sie so ruhig blieb. Sie wirkte auf ihn wie ein Mensch, der sein Leben einem höheren Ziel untergeordnet hatte. Er wusste, dass es nur wenige Intelligenzwesen gab, die beim Anblick einer auf sie gerichteten Mündung so ruhig blieben. Nagir würde wie eine Soldatin sterben, wenn er abdrückte, im Glauben an eine größere Sache.

      Frank trat einen Schritt zurück. »Was die Magis tun, ist ein Verbrechen. Es ist Diktatur aus dem Verborgenen. Das darf so nicht weitergehen. Karidus hat eine gerechte Demokratie verdient.«

      Zum ersten Mal erkannte er Angst in Nagirs Gesicht. Die Mandelaugen weiteten sich, die goldene Haut wurde eine Nuance blasser. »Was hast du vor?«

      »Das ist kein Tier. Das ist eine Waffe. Ich werde es beenden.« Frank drückte im Betäubungsmodus ab.

      *

      Frank betrat die Zentrale so leise, wie er konnte. Er hatte seine Dienstjacke ausgezogen und sie über den Strahler gelegt. Wie schon zuvor beachtete ihn niemand, und auch er sprach niemanden an. Lautlos suchte er sich eine strategisch günstige Position.

      Er kniete in den Schatten einer Konsole und beobachtete Sourou Gashi, die dem im Körbchen liegenden Welpen über das Mäulchen strich. Mit hämmerndem Herzen wartete er auf seine Chance. Er fühlte sich wie ein Attentäter und versuchte sich klarzumachen, dass er für eine gerechte Sache kämpfte. Wenn der Welpe erst betäubt oder tot war, endete sicher sein Einfluss auf die Besatzung, und die Regierung von Karidus konnte von Sourou Gashi über den unglaublichen Betrug informiert werden.

      Nervös öffnete Frank das Fach an seinen Armband-Kom. Er sah hinab, als keine Pille auf seine Handfläche fiel. Das Fach war leer. Er dachte an seinen Großonkel Dittmar, der ihm das Präparat geschenkt hatte. Wie hatte er es genannt?

      Vor ihm entstand Bewegung und er unterbrach seine Gedanken. Gashi trennte sich von dem Welpen und ging zu ihrem Platz. Bifonia Glaud setzte sich zur Ablösung in Marsch, aber sie hatte noch ein paar Schritte zu gehen, bis sie den Hund auf dem Sessel an der Funkkonsole erreicht haben würde. Frank hob den Strahler. Das war der Moment, auf den er gewartet hatte. Unbeachtet von allen musste er nur auf den Auslöser drücken.

      Der Welpe drehte den Kopf und blickte ihn an, als würde er die Gefahr instinktiv spüren. Er lag ganz ruhig, die Ohren aufgestellt, und fixierte Frank aus dunklen Augen.

      In Frank stieg die alte Wut auf, der Hass auf Hunde und auf seine Eltern.

      Die roséfarbene Nase des Welpen zuckte, er blinzelte Frank verschwörerisch zu.

      Bifonia Glaud kam näher. Gleich würde sie den Hund erreicht haben, dann könnte Frank den Schuss vorerst vergessen.

      Ihm brach der Schweiß aus, seine Hand zitterte. Er wollte auslösen, doch der Blick des Tieres hielt ihn in seinem Bann. Was konnte der Welpe dafür, dass die Menschen fehlerhaft waren? Das Tier war so jung, es musste beschützt werden, es ...

      Frank biss sich schmerzhaft auf die Unterlippe. Warum machte er sich plötzlich solche Gedanken?

      Bifonia Glaud blieb stehen – jemand hatte sie angesprochen. Die Schussbahn war frei.

      Aber Frank konnte nicht schießen. Er zitterte am ganzen Körper. Der Welpe legte den Kopf im Polster ab und schloss die Augen. Zusammengerollt lag er im Körbchen, Unschuld ausstrahlend. Frank wollte nur noch eins: ihn beschützen. Verzweifelt kämpfte er gegen diesen Wunsch an.

      Was ging da vor? Warum war er plötzlich nicht mehr


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