Stellaris Paket 4. Andreas Suchanek

Stellaris Paket 4 - Andreas Suchanek


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terranischen Sprachen sind schöne Dinge ins Interkosmo eingeflossen, und wenn man sie verwendet, kommt man mit Terranern gleich besser klar. Dazu gehören das Wörtchen ›bitte‹ und etwas, das man als den ›Konjunktiv der Höflichkeit‹ bezeichnet. Vielleicht möchtest du das einmal nachschlagen.«

      Ich schluckte. »Gut, ich habe verstanden.«

      Gashi lächelte milde. »Vergiss nicht, dass wir Zivilisten sind. Wir halten wie jeder Raumfahrer Disziplin, um im All zu überleben, aber wir sind nicht bei der Solaren Flotte ...« Sie suchte wieder meinen Blick. »... und keiner an Bord war je bei der USO.«

      Ehe ich etwas entgegnen konnte, fiepte das Interkom.

      »Was ist denn wieder, Bifonia?«

      »Madam Kapitän, ich habe eine Meldung aus der Passagiermesse, dass Karilantoryn, der Ts'tanur ...«

      »Ts'tanar«, unterbrach Gashi sie. »Ts'tanur ist der Plural.«

      Glaud bekundete ihre Zustimmung, indem sie sich räusperte. »Nun, jedenfalls hat Karilantoryn in der Passagiermesse einen Anfall oder so was. Ich habe die Medostation verständigt.«

      »Ich komme«, sagte Gashi und schaltete das Interkom ab.

      Wir eilten aus dem Besprechungsraum und erreichten rasch einen Antigravlift. Kapitän Gashi aktivierte per Stimmbefehl den Turbotransport, und binnen Kurzem rannten wir das Deck mit der Passagiermesse entlang. Ich hob mein Armbandkom an den Mund. »STELLATRICE, wo ist Funartin?«

      »Er hat seine Kabine noch nicht verlassen.«

      »Benachrichtige mich – bitte! –, sobald er seine Kabine verlässt, und überwache ihn lückenlos.«

      »Wird erledigt.«

      »Und stell eine Verbindung zu Karilantoryns Anzug her!«, sagte Gashi.

      »Bin schon dabei.«

      Wir erreichten die Passagiermesse. Gashi öffnete das Schott.

      Als wir eintraten, drehten sich mehrere Passagiere, die die Hälse gereckt hatten, zu uns um.

      »Ist jemand von euch Arzt?«, fragte eine Ferronin.

      »Wieso?«, fragte ich zurück.

      »Weil Karilantoryn dort leblos dasteht.«

      »Er steht leblos ...?«

      »Anders kann man es nicht beschreiben.«

      Gashi und ich tauschten einen Blick und gingen weiter. Die Passagiere machten uns Platz, und wir sahen ihn.

      Karilantoryn hatte einen Arm gehoben und ein Knie angewinkelt; er wirkte wie in der Bewegung erstarrt. Ein Stewart befingerte vorsichtig den Bronzeanzug, an dem weder Aggregate noch das einfachste Anzeigeinstrument zu erkennen waren.

      »Egal, was ich tue, er reagiert nicht, Madam Kapitän.«

      Gashi bestätigte mit einem Nicken. »Gut gemacht. Warten wir auf Pracco.«

      Das Schott ging auf. Funartin trat ein, das Kinn leicht vorgestreckt. Als er Karilantoryn erblickte, sah ich Tränen in seine Augen schießen. Und dann verzog Maranol da Funartin ganz kurz das Gesicht und wirkte dabei fast wie ein Angehöriger meiner Spezies.

      Im nächsten Augenblick hatte er sich wieder in der Gewalt und fragte, ob etwas geschehen sei.

      Ich gab ihm keine Antwort.

      Er war über das Geschehene viel besser im Bilde als ich: Sein Verhalten verriet es. Ich sah kurz zu Kapitän Gashi. Ihr waren Funartins Tränen der Erregung ebenfalls nicht entgangen. Sie nickte mir zu, und als der Arkonide sich Karilantoryn nähern wollte, vertrat ich ihm den Weg.

      »Bleib zurück!«, sagte ich. »Ihm wird bereits geholfen.«

      »Aus dem Weg, Cheborparner!«, herrschte er mich an und wollte sich an mir vorbeischieben, doch ich ließ es nicht zu.

      »Liebe Fluggäste«, sagte Kapitän Gashi, »bitte verlasst die Messe. Begebt euch doch in eure Kabinen oder in die Aussichtslounge. Ich danke für euer Verständnis. Cheborparinam, Maranol, ihr bleibt noch.«

      Während der Saal sich rasch leerte, trat ich beiseite und hob das Minikom vor die Lippen. »STELLATRICE, wieso hast du uns nicht benachrichtigt, als Funartin seine Kabine verließ?«

      »Das muss mir entgangen sein. Ich habe meine ganze Energie auf den widerspenstigen Bronzeanzug konzentriert.«

      Ich runzelte die Stirn. Nicht ich sei eigenartig, versicherte ich mir; eigenartig seien terranische LPVs. Ich schaltete wortlos ab.

      Als ich aufblickte, waren nur noch der Steward, Gashi, der Arkonide, ich und natürlich Karilantoryn anwesend.

      »Was kann ich für dich tun, Madam Kapitän?«, fragte Funartin. Er gab sich besorgt, doch sein Ton hatte etwas Lauerndes.

      Langsam wandte sich Gashi ihm zu. »Du könntest uns erklären, was hier vorgeht. Was hast du mit Karilantoryn gemacht?«

      »Ich? Gar nichts habe ich gemacht. Ich bin nur auf eine frische K'amana in die Messe gekommen, aber nun verzichte ich dankend.« Er drehte sich um und wollte gehen. Ich vertrat ihm erneut den Weg.

      »Mir reicht es mit dir, Cheborparner«, sagte er drohend. Er versuchte mich zur Seite zu stoßen. Ohne mich vom Fleck zu rühren, federte ich seinen Angriff ab. Funartin trat zwei Schritte zurück. »Das ist Freiheitsberaubung.« Er nahm Dagorhaltung ein.

      Das Schott fuhr auf. Ein Ara kam herein. Es war Pracco, der Bordmediker. Ihm folgten die Sicherheitsleute, die Gashi angefordert hatte, zwei Terranerinnen und ein Zaliter. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie sie die Paralysatoren zückten.

      »Bitte beruhige dich, Maranol!«, sagte Gashi. »Wir möchten nur mit dir reden.«

      Funartins Blick zuckte zwischen mir, Gashi und den Bewaffneten hin und her. Seine Augen glänzten feucht. Das Tränensekret lief ihm die Wangen hinunter. Pracco schob sich an der Wand der Messe entlang in Richtung Karilantoryn vor, ohne den Sicherheitsleuten die Schusslinie zu verstellen.

      »Arkonide«, sagte der Zaliter, »falls das eine Dagorhaltung sein soll, gib sie auf. Aus welchem Holoschinken hast du dir denn das abgeguckt?«

      Funartin ließ die Arme sinken und straffte sich. »Verdammt, wann macht er auf?«, kreischte er. »Ich will jetzt endlich wissen, wie er aussieht.«

      »Willst du mir nicht sagen, was du getan hast, Maranol?«, fragte Gashi wieder. Ihr einfühlsamer Ton überraschte mich. Spielte sie ihm ihr Verständnis nur vor, setzte es gezielt ein, um den psychisch Strauchelnden endgültig zu Fall zu bringen? Oder tat er ihr tatsächlich leid, obwohl er Karilantoryn etwas angetan hatte?

      Funartin erschlaffte, nahm auf einem Stuhl Platz und wischte sich die Augen. »Macht ihr euch eine Vorstellung, wie es ist, wenn einem Dinge vorgeworfen werden, die Jahrtausende her sind? Der ganzen Milchstraße wollte ich nahebringen, wie faszinierend die Ts'tanur sind. Ich hatte gehofft, dass sie sich mir eines Tages ... offenbaren.« Er sah Gashi an.

      »Sich ohne Anzug zeigen, meinst du?«, fragte Gashi.

      »Ja. Das wäre die Krönung meines Schaffens gewesen. Aber Karilantoryn ... Er hat mich in den Wahnsinn getrieben. Trotzdem habe ich einiges herausgefunden. Ihr müsst wissen, die Behauptung der Ts'tanur, bis auf den Reaktorbrennstoff autark zu sein, ist eine glatte Lüge.«

      »Wie meinst du das?«, fragte Gashi. Pracco hatte ein Diagnosegerät mit dem Bronzeanzug gekoppelt und arbeitete fieberhaft.

      »Sie brauchen Wasser!«, rief Funartin. »Spurenelemente! Mit genügend Energie stellt künstliche Nahrungserzeugung kein Problem dar, aber Ts'tanur lügen, wenn sie behaupten, dass sie ihre Körperausscheidungen zu hundert Prozent aufbereiten. Auch für sie gibt es Grenzen.«

      »Bisschen Schwund ist immer«, sagte der Steward.

      Funartin kicherte wie über einen guten Witz. »Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, wunderbar auf den Punkt gebracht. Damit ein Materietransfer in


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