Perry Rhodan 2753: Endstation Cestervelder. Michelle Stern

Perry Rhodan 2753: Endstation Cestervelder - Michelle Stern


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wäre unser Tod gut gewesen?«

      »Um sie von Avestry-Pasik fernzuhalten! Seine Flucht zu schützen!«

      »Pasik ist entweder schon längst fort oder verloren!«

      »Du warst feige! Du hast nicht den Schneid, jemanden zu töten oder den vollen Einsatz zu geben. Dein Leben ist dir zu kostbar.«

      Womöglich stimmte das. Jedes Leben war unendlich wertvoll. Auch ihres. Aber war sie deswegen feige? Der Anblick der Onryonen im Raum schleuderte sie in der Zeit zurück. Längst vergangene Erinnerungen wurden wach. Ehe sie sich den Proto-Hetosten angeschlossen hatte, war Karynar Historikerin gewesen. Wie viele Jahre war das her?

      Die Wachen führten zwei neue Gefangene in den Raum. Einer der beiden stolperte und stürzte. Als er sich aufrichtete, hielt er einen Strahler in der Hand.

      Karynar hielt den Atem an.

      Die Onryonin im orangefarbenen Schutzanzug schlug ihm mit solcher Wucht ins Gesicht, dass seine Nase knirschte. Der Anzug musste ihre Kraft verstärken, denn der Proto-Hetoste schwankte und stürzte erneut. Die Waffe glitt ihm aus der Hand.

      Langsam atmete Karynar aus.

      »Wenn du drankommen könntest«, flüsterte Fartir-Jenak, »würdest du sie dann nehmen und mich erschießen? Würdest du mir diesen Gefallen tun? Wenigstens das?«

      Kaum merklich bewegte Karynar den Kopf. Sie wollte mit der Hand eine verneinende Geste machen – erfolglos. Ihn erschießen? Das war undenkbar.

      »Nein«, stellte Fartir-Jenak fest, »du nicht. Du bist ein Feigling. Und so was wie dich habe ich geliebt.«

      Karynar schwieg. Obwohl sie ihn nie gewollt hatte und es für sie beide so oder so keine gemeinsame Zukunft gegeben hätte, taten seine Worte weh. Wollte man nicht immer anderen gefallen? Besonders Ranghöheren und Ausbildern?

      Fartir-Jenak war schon bei den Rebellen gewesen, als sie den Weg zu ihnen gefunden hatte. Er war einer der Ersten gewesen, die sie begrüßt und sich um sie gekümmert hatten. Er hatte ihr das erste Quartier gezeigt. Eine kleine Kabine, in der selbst sie sich winzig gefühlt hatte.

      Was für sonderbare Gedanken ihr kamen, seit dem Angriff. Es war, als würde alles in ihr durcheinandergewirbelt und als würde sie in der Erinnerung nach allem greifen, das sie von der Möglichkeit der baldigen Entdeckung ablenkte.

      Die Onryonin mit dem gefrorenen Emot sprach wieder in das Gerät am Handgelenk, während zwei Raumsoldaten den rebellierenden Gefangenen in ein Fesselfeld hüllten. »Verstanden. Wir überstellen an die SPINYNCA Vier. Im Raumvater soll man sich bereithalten.« Sie gab einem anderen Onryonen einen Wink.

      Ein Traktorstrahl hob Karynar in die Höhe. Panik kam in ihr auf. Sie spannte jeden Muskel, versuchte um sich zu schlagen, sich zu befreien. Kleine Schweißperlen traten auf ihre Stirn. Die Arme und Beine schmerzten vor Anstrengung. Sie roch eine scharfe Nuance – ihre eigene Angst.

      Nein! Das sollte aufhören! Sie öffnete den Mund, um die Raumsoldaten anzuschreien, doch der hämische Blick von Fartir-Jenak hielt sie zurück. Langsam flaute die Angst ab und mit ihr der verräterische Geruch, der an Schweiß und Gewürze erinnerte.

      Sie schwebte dem Schiffsrumpf entgegen. Über einem hineingeschnittenen Loch im Metall lag ein zylindrischer Schutzschirm mit Schleuse. Durch eine Strukturlücke kam sie in die Zwischenkammer.

      Der Schirm glühte fahlrot und verwehrte die Sicht auf den maroden Raumer und die Schiffe der Onryonen, die ihn einkreisten. Hinter der Schleuse wartete eine biegsame Röhre, in die Karynar eintauchte. Sie landete in einer weiteren Schleuse, die in ein onryonisches Beiboot führte.

      Erst dort erhaschte sie einen Blick auf die ZHOL-BANNAD. Wie ein zerrissenes Beutetier hing der Raumer zwischen den Schiffen des onryonischen Raumrudels. Er sah noch geschändeter aus als auf dem Holo Gerduls.

      Bei dem Anblick verkrampfte sich alles in Karynar. Ihre Brust fühlte sich hohl und leer an. Da draußen lagen die Überreste ihrer Heimat.

      Sie sank zu Boden. Kurz nach ihr kamen Gerdul und Fartir-Jenak. Letzterer ignorierte sie wie eine Aussätzige mit Larhatonk-Seuche.

      Gerdul dagegen drehte ihr unter Mühe den Kopf zu. »Sie haben uns nicht getötet?«

      »Das machen sie nie. Gefangene werden am Leben gelassen.«

      »Du kennst dich gut mit ihnen aus.«

      »Ich war Historikerin. Ich habe sie studiert.«

      Gerduls Gesicht war eingefallen. In seinen Augen stand ein Ausdruck von Furcht. »Sie werden uns verhören. Uns Stützpunkte und Geheimnisse entreißen.«

      »Es sind genug von uns entkommen, um die anderen rechtzeitig zu warnen.«

      Sie schwiegen und dachten mit Sicherheit dasselbe: an Avestry-Pasik. Über ihn zu reden wäre in der Gegenwart der Onryonen sträflich gewesen. Die Feinde wussten nicht, dass er an Bord gewesen war, konnten es schlimmstenfalls ahnen.

      Karynar schloss die Augen. Wenn wenigstens er weiterlebte. Dann war das alles nicht umsonst.

      *

      Onryonenraumer SPINYNCA

      Guol Chennyr spürte dem schwachen Glühen in seinem Emot nach. Er dachte an die Kolonien und an das Schicksal.

      Wo Darrydh wohl inzwischen war? Hatte er auch Karriere gemacht? Befehligte er ein Schiff wie die SPINYNCA und ebenso wie er einen Verband aus 35 Schiffen?

      Unwahrscheinlich.

      Chennyr legte seine Hände in die mit Versenkungsflüssigkeit gefüllte Schale vor ihm. Das Gefühl von Glutfunken, die über sein Emot wehten, verstärkte sich. Einen Moment starrte er auf die irisierende, mattblaue Flüssigkeit, dann schloss er die Augen und gab sich ganz dem Augenblick hin.

      Was war sein Geheimnis? Warum war er erfolgreicher als andere?

      Die Antwort war einfach: Chennyr war nicht nur diszipliniert, er war auch leidenschaftlich.

      Die Galaxis Larhatoon befand sich auf einem guten Weg, eine Basis für die Atopische Ordo zu werden. Es galt, diese rückschrittlichen Elemente, die Proto-Hetosten, zu zerschlagen.

      »Irregeleitete Kinder«, murmelte er und hörte dem Klang der Silben nach. »Sie verklären eine goldene Zeit, die es nie gegeben hat.«

      Dabei war es wichtig, klar zu sehen, was war und was nicht war. Nur wer einen reinen, offenen Geist hatte, konnte das Morgen herbeirufen, den Glanz und die Glorie der Ordo. Daran glaubte er fest.

      Manchmal wünschte sich Chennyr, er könne den Proto-Hetosten zeigen, wie es in seinem Kopf aussah. Warum er die Ordo über alles liebte. Er wollte sie wie Werdende an die Hand nehmen und ihnen das Universum im Licht der Anuupi zeigen. Ganz ähnlich wie er Taccea Sperafeco erst vor Kurzem einen Einblick in seine Gedanken gewährt hatte.

      Er atmete aus, fokussierte die innere Schwärze, die der des Alls zwischen den Sternen ähnlich war. Doch es war dort warm. Geborgen. Ein Ort der Ruhe und Kraft, an dem Emot, Herz und Gehirn Synchronisation erfuhren, eins wurden.

      Langsam öffnete er Augen. Die Versenkungsmasse erkaltete bereits. Wie immer hatte sie ihren Dienst getan und Chennyr dabei geholfen, sich zu fokussieren. Es war ein lieb gewordenes Ritual, das er besonders in schwierigen Zeiten durchführte.

      Er nahm die Hände aus der Schüssel und trocknete sie mit einem Weichtuch ab. Dabei atmete er tief ein und betrachtete seine Unterkunft mit Wohlwollen.

      Chennyr mochte die klare Ordnung, die einfachen Formen und Farben, die seine Kabine beherrschten. Alles war an seinem Platz. Jedes Kleidungsstück, jeder Gebrauchsgegenstand kannte genau einen Ort, an dem er sich zu befinden hatte und wo er sich auch tatsächlich befand.

      »Anuupi-Verband, Intensität leicht erhöhen.«

      Es wurde eine Nuance heller. Chennyr stand auf, leerte die Schüssel mit rituellen Bewegungen im Abguss, trocknete sie ab und räumte sie an den einen Ort, an den sie gehörte.


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