Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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Na­men fluch­wür­dig ge­macht habe. Ruß­worm selbst lei­te­te das Ge­richt, vor dem sich Bas­ta zu ver­ant­wor­ten hat­te, und zwei­fel­te nicht am Un­ter­gan­ge sei­nes Geg­ners, dem eine Rei­he schänd­li­cher Ver­ge­hen nach­ge­wie­sen wa­ren, als der Pro­zess plötz­lich eine an­de­re Wen­dung nahm, in­dem Bas­ta eine Voll­macht des Kai­sers vor­leg­te, nach wel­cher er über sei­ne Ver­wal­tung Un­garns nie­man­dem soll­te Re­chen­schaft ab­zu­le­gen ha­ben und je­des ihm gut dün­ken­de Mit­tel zur Be­kämp­fung des Auf­stan­des soll­te an­wen­den dür­fen. Au­ßer sich vor Ent­rüs­tung, eil­te Ruß­worm zum Kai­ser, der denn auch leug­ne­te, die Voll­macht aus­ge­stellt zu ha­ben; Bas­ta, mein­te er, müs­se sie sich wohl auf be­trü­ge­ri­sche Wei­se ver­schafft ha­ben. Im ers­ten Au­gen­blick fühl­te sich Ruß­worm er­leich­tert; aber wie er von der Burg her­un­ter­stieg, sank sei­ne Stim­mung. Die Mie­ne des Kai­sers, sein un­si­che­rer Blick, der schnel­le Wech­sel der Far­be auf sei­nem blas­sen Ge­sicht schweb­ten ihm vor und woll­ten ihm nicht ge­fal­len; er konn­te sich des Ein­drucks nicht er­weh­ren, dass der Kai­ser die Un­wahr­heit ge­sagt habe. Er dach­te sich den Zu­sam­men­hang so, dass Lang, von Bas­ta be­sto­chen, Ru­dolf die Un­ter­schrift ab­ge­lis­tet habe; man wuss­te ja, dass er die Ge­schäf­te hass­te und sie sich gern von sei­nem Kam­mer­die­ner ab­neh­men ließ. Ruß­worm be­merk­te, dass die Rich­ter im All­ge­mei­nen den Wor­ten des Kai­sers kei­nen Glau­ben schenk­ten, und wenn dies auch nicht ge­ra­de­zu aus­ge­spro­chen wur­de, so fiel doch dement­spre­chend das Ur­teil mil­de aus, was an­fangs nie­mand für mög­lich ge­hal­ten hat­te.

      Die­se Nie­der­la­ge Ruß­worms er­mu­tig­te sei­ne ita­lie­ni­schen Fein­de, und selbst un­ter sei­nen frü­he­ren An­hän­gern wa­ren man­che, die es ihm jetzt ver­dach­ten, dass er, des­sen Lauf­bahn von Ge­walt­tä­tig­kei­ten kei­nes­wegs frei war, einen Ka­me­ra­den hat­te rich­ten wol­len. Es war an ei­nem war­men Som­mer­abend im Jah­re 1605, als er, von ei­ner Au­di­enz beim Kai­ser heim­keh­rend, an ei­ner Stra­ßen­e­cke auf Fran­ces­co Bel­gio­jo­so stieß, der, fest­lich in Weiß ge­klei­det, im Be­grif­fe schi­en, eine Ge­sell­schaft auf­zu­su­chen. Zwi­schen ih­nen ent­spann sich ein Wort­wech­sel und Kampf, in des­sen Ver­lau­fe Bel­gio­jo­so von ei­nem Die­ner Ruß­worms er­sto­chen wur­de; ob der Ita­lie­ner, wie Ruß­worm be­haup­te­te, ihm auf­ge­lau­ert hat­te, um ihn zu über­fal­len, und er in der Not­wehr sich be­fun­den hat­te, ließ sich zu­nächst nicht fest­stel­len. Da es nicht das ers­te Mal war, dass Ruß­worm einen Geg­ner im an­geb­li­chen Zwei­kampf ge­tö­tet hat­te, rech­ne­te er auch dies­mal mit Si­cher­heit dar­auf, dass die Un­ter­su­chung un­ter­drückt wer­den oder nur zu ei­ner leicht zu er­tra­gen­den Schein­stra­fe füh­ren wür­de.

      In­des­sen das ge­fäng­nis­ar­ti­ge Zim­mer, in dem er ver­wahrt, und die Rück­sichts­lo­sig­keit, mit der er be­han­delt wur­de, mach­ten ihn stut­zig, und vollends als er die vie­len An­kla­ge­punk­te las, die die Grund­la­ge ei­nes ge­gen ihn ein­ge­lei­te­ten Pro­zes­ses bil­den soll­ten, er­schrak er und be­griff, dass es auf sei­nen Un­ter­gang ab­ge­se­hen war. Er wur­de da nicht nur be­schul­digt, den Bel­gio­jo­so ge­tö­tet, son­dern auch den Her­zog von Mer­coeur und den Gra­fen Solms er­mor­det zu ha­ben, die sei­nem Ehr­geiz im Wege ge­we­sen wä­ren, ja er soll­te den schmäh­li­chen Aus­gang ei­nes Feld­zu­ges ge­gen die Tür­ken ver­schul­det ha­ben, den der jun­ge Erz­her­zog Fer­di­nand in so un­zu­rei­chen­der Wei­se ge­führt hat­te, dass Ruß­worm, als er zu sei­ner Hil­fe her­bei­eil­te, das un­glück­li­che Ende nicht mehr ab­wen­den konn­te. In die­ser Be­dräng­nis wuss­te Ruß­worm kei­nen Mann von Ein­fluss am Hofe, der für ihn hät­te wir­ken wol­len, nur auf die Gna­de des Kai­sers hoff­te er; zu­wei­len je­doch fiel ihm des­sen blas­ses Ge­sicht und sei­ne furcht­sa­me Hal­tung von je­nem Tage ein, wo er ihn we­gen Ba­stas Voll­macht be­fragt hat­te, und dann wur­de ihm ban­ge zu­mu­te. Soll­te es wahr sein, was Graf Kins­ky, den er als einen evan­ge­li­schen Böh­men ver­ach­te­te, ge­sagt ha­ben soll­te, dass die hei­li­ge kai­ser­li­che Ma­je­stät ein hoh­les Bin­sen­rohr und ein fei­ger, zwei­zün­gi­ger Lüg­ner sei? Er ver­scheuch­te den Ge­dan­ken und sprach sich selbst Zu­ver­sicht ein; wenn er nur zu ihm ge­las­sen wür­de, dach­te er, wür­de er Ru­dolf wie sonst für sich ge­win­nen.

      Un­ter der Die­ner­schaft des Kai­sers war ei­ner, der Ofen­hei­zer Bla­hel, der Ruß­worm an­hing, und die­sem ge­lang es, sich mit dem Ge­fan­ge­nen in Ver­bin­dung zu set­zen. Bla­hel hat­te frü­her des Kai­sers Ver­trau­en be­ses­sen, aber in der letz­ten Zeit, klag­te er, sei er von Phil­ipp Lang ver­leum­det und ver­drängt wor­den. In dem düs­te­ren Stüb­chen, das Ruß­worm nicht ver­las­sen durf­te, saß der ge­ängs­tig­te Mensch und wein­te, seit Ta­gen sei es ihm nicht mög­lich ge­we­sen, al­lein mit dem Kai­ser zu spre­chen, Lang sei der Schwar­zen Kunst mäch­tig und habe den al­ten Herrn be­hext. Er könn­te ent­setz­li­che Din­ge von Lang sa­gen, wenn er es sich ge­trau­en dürf­te; auch Ruß­worms Schick­sal wäre in sei­ner Hand, und Ruß­worm hät­te einen großen Feh­ler be­gan­gen, dass er sich nicht Langs Gunst zu er­wer­ben ver­sucht hät­te. Nein, sag­te Ruß­worm, mit den Zäh­nen knir­schend, Lang sei ein schnö­der Jude und ehr­lo­ser Mensch, vor dem er­nied­ri­ge er sich nicht, lie­ber wol­le er ster­ben. Ach, sag­te Bla­hel, warum er sich so auf­bla­sen wol­le? Selbst der Erz­bi­schof von Prag, der Herr von Lam­berg, hät­te Lang sei­nen größ­ten Be­för­de­rer ge­nannt und ihn ganz un­ter­tä­nig zu sei­ner Kon­se­kra­ti­on ein­ge­la­den; und der Erz­her­zog Matt­hi­as hät­te erst kürz­lich einen Brief an ihn ge­schrie­ben, in dem er ihn sei­nen in­son­ders hoch­ver­trau­ten, viel­ge­lieb­ten Herrn und Freund ge­nannt hät­te. »Wenn ich ihn sähe«, sag­te Ruß­worm, »wür­de ich ihm ins Ge­sicht spei­en.«

      »Es ist nun auch doch zu spät«, sag­te Bla­hel, »er hasst Euch so, dass ein Sack voll Gold­stücke ihm nicht Eu­ren Kopf auf­wä­gen wür­de.«

      Ein Vet­ter Ruß­worms, der sich dem Kai­ser zu Fü­ßen wer­fen woll­te, wur­de nicht vor­ge­las­sen, und ein an­de­rer Ver­such, der zu sei­ner Ret­tung un­ter­nom­men wer­den soll­te, ver­schlim­mer­te nur sei­ne Lage. Seit näm­lich im Rei­che die Fra­ge, wer Ru­dolfs Nach­fol­ger wer­den soll­te, be­spro­chen wur­de, zo­gen ei­ni­ge evan­ge­li­sche Fürs­ten in Be­tracht, ob Ma­xi­mi­li­an, der Her­zog von Bay­ern, sich dazu schi­cken und be­reit fin­den las­sen wür­de. Sie be­rech­ne­ten, dass da­durch Bay­ern für im­mer von Ös­ter­reich ge­trennt und die ka­tho­li­sche Par­tei ge­spal­ten wür­de; nur frag­te es sich, ob Ma­xi­mi­li­an, der das durch­schau­en muss­te, für einen so ge­wag­ten Schritt zu ge­win­nen wäre. Auf vor­sich­ti­ge An­deu­tun­gen ant­wor­te­te der Her­zog aus­wei­chend und dach­te bei sich, dass er die sta­che­li­ge Kro­ne nur dann nicht aus­schla­gen wür­de, wenn er da­bei von ös­ter­rei­chi­scher Sei­te kei­ne Ge­fahr lie­fe. Er tat ei­ni­ge un­vor­greif­li­che Schrit­te, in­dem er Ruß­worm, den ruhm­vollen Feld­herrn und Günst­ling des Kai­sers, mit des­sen Be­wil­li­gung in sei­nen Dienst nahm und in­dem er einen Ge­sand­ten nach Pa­ris schick­te, der ins­ge­heim zu er­for­schen hat­te, wie sei­ne Be­wer­bung etwa auf­ge­nom­men wer­den wür­de. Der Kai­ser war es wohl zu­frie­den, einen so mäch­ti­gen und an­ge­se­he­nen Reichs­fürs­ten ge­gen sei­nen Bru­der aus­spie­len zu kön­nen, an­de­rer­seits er­füll­te ihn die An­ma­ßung des Bay­ern­her­zogs, der ihm über­haupt nicht ge­heu­er war, doch mit Wi­der­wil­len, und sei­ne Für­bit­te zu­guns­ten


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