Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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ob des Kai­sers Ma­je­stät da­von un­ter­rich­tet sei, dass jetzt sein Haupt fal­len sol­le, ant­wor­te­te ei­ner der an­we­sen­den Rich­ter, es ge­sch­ehe al­les auf Be­fehl des Kai­sers. Ruß­worm stutz­te; es dräng­te ihn, das Fens­ter auf­zu­rei­ßen und die Vor­über­ge­hen­den um Ret­tung an­zu­ru­fen, der Kai­ser wer­de sie da­für be­loh­nen. Nicht mög­lich schi­en es ihm, nicht mög­lich, dass der Kai­ser ihn ver­lie­ße!

      Drau­ßen war es noch dun­kel, in das Zim­mer fie­len rote Lich­ter von den Fa­ckeln, die die Wäch­ter hiel­ten. Das Ge­fühl, es be­ob­ach­te­ten ihn höh­nen­de Bli­cke und wei­de­ten sich an sei­ner To­des­furcht, ließ ihn sich fas­sen; er rich­te­te sich stolz auf und bat die An­we­sen­den, sei­nen Ab­schieds­wor­ten Ge­hör zu schen­ken.

      Der Tod sei ihm er­wünscht, sag­te er ru­hig, durch den er die zahl­rei­chen Sün­den sei­nes Le­bens büße. Wol­le der Hen­ker ihm die be­fleck­te Hand ab­hau­en, be­vor er ihm das Haupt vom Rump­fe trenn­te, so wer­de er es ihm dan­ken. Nicht als ob er am Tode des Her­zogs von Mer­coeur schul­dig sei; auch den Bel­gio­jo­so habe er nicht ge­tö­tet, viel­mehr habe der ihm nach­ge­stellt und sei in die Gru­be ge­stürzt, die er ihm zum Fal­le ge­gra­ben habe.

      Er wur­de leb­haf­ter und sprach schnel­ler und lau­ter. Noch we­ni­ger, fuhr er fort, habe er sich je­mals ge­gen das Haupt des Rö­mi­schen Rei­ches, den Kai­ser, ver­fehlt. Ja, er sei nei­disch und rach­süch­tig ge­we­sen, habe wüst mit Wei­bern ge­wirt­schaf­tet; aber den Kai­ser habe er ver­ehrt wie einen Va­ter und Herrn, der Traum sei­ner Ju­gend wie das Ziel sei­ner Man­nes­kraft sei ge­we­sen, sein Le­ben auf dem Schlacht­feld für den Kai­ser zu wa­gen. Er habe die Fein­de nie ge­fürch­tet, die von au­ßen die Macht des Kai­sers an­ge­grif­fen hät­ten, noch die im In­nern des Rei­ches sein Dien­stei­fer ge­reizt hät­te. Hei­lig über al­les sei ihm der Kai­ser ge­we­sen, Huld und Lohn hät­te er von ihm ver­dient; an­statt des­sen gebe er ihn dem Hen­ker preis. Zu spät wer­de er ihn zu­rück­wün­schen, er wer­de kei­nen fin­den, der ihm so er­ge­ben sei wie er. Nie­mand wer­de ihn vor den Ver­rä­tern schüt­zen, die ihn um­ring­ten, ver­las­sen wer­de er ster­ben, arm und ein­sam wie ein hei­mat­lo­ser Bett­ler.

      Wäh­rend ei­ni­ge von Ruß­worms Rede er­schüt­tert wa­ren, mach­te der Vor­sit­zen­de des Ge­rich­tes Mie­ne, sei­ne Läs­te­run­gen ge­gen die kai­ser­li­che Ma­je­stät zu un­ter­bre­chen; in­des­sen leg­te der Je­suit die Hand auf sei­nen Arm und hielt ihm mit trau­ri­gem Blick das Kru­zi­fix ent­ge­gen. In Ruß­worms Zü­gen ging eine jähe und schreck­li­che Ver­än­de­rung vor; er riss das Kreuz dem Geist­li­chen aus der Hand, drück­te es an die Lip­pen und an das Herz und rief aus, in­dem er sich auf die Knie warf: »Mein Hei­land Je­sus Chris­tus, ver­gib mir; ich st­er­be gern als ein Sün­der zu dei­nen Fü­ßen.« In die­ser Stel­lung ver­harr­te er schwei­gend, bis der Streich fiel, der ihn mit eins tö­te­te.

      Die­sel­be Nacht war dem Kai­ser un­ru­hig ver­lau­fen. Abends hat­te er mit Phil­ipp Lang, ein paar Ma­lern und Frau­en beim Wei­ne ge­ses­sen, bis er plötz­lich müde wur­de und zu Bett ver­lang­te. Er wach­te aber nach kur­z­em Schlaf wie­der auf und wur­de, je län­ger er sich schlaf­los hin und her warf, de­sto auf­ge­reg­ter. Phil­ipp Lang, den er zu sich ru­fen ließ, durch­schau­te, dass er gern von Ruß­worm ge­spro­chen hät­te, aber nicht selbst an­fan­gen moch­te, und er­zähl­te schein­bar bei­läu­fig, der Ver­ur­teil­te habe sei­ne Schuld ein­ge­se­hen und sich reu­mü­tig auf den Tod vor­be­rei­tet.

      »Er ist ein trot­zi­ger Mensch«, sag­te der Kai­ser. »Wa­rum hat er mei­ne Gna­de nicht an­ge­ru­fen, da ich ihm doch im­mer ein mil­der Herr ge­we­sen bin?« Er sei sich wohl be­wusst ge­we­sen, dass er sie nicht ver­dient habe, mein­te Lang; auch habe er nie­mand au­ßer sich selbst ge­ach­tet.

      Er sei auch tüch­tig ge­we­sen, sag­te der Kai­ser. Ja er habe ihm Glück ge­bracht. Jetzt sei er von Ver­rä­tern um­ge­ben und wis­se nicht, wem er trau­en sol­le.

      Lang nann­te die­sen und je­nen, der Ruß­worm weit über­le­gen sei, und führ­te Bei­spie­le von dem ver­wahr­los­ten Zu­stan­de an, in den das Heer un­ter ihm ge­ra­ten sei. Er habe nur den Vor­zug plum­per Tap­fer­keit be­ses­sen; der ver­stor­be­ne Schwar­zen­berg habe stets an ihm ge­ta­delt, dass er al­les bes­ser wis­sen wol­le als die an­de­ren, dass aber sei­ne Plä­ne un­aus­führ­bar sei­en.

      »Ei­ner be­nei­det den an­de­ren, und ei­ner miss­traut dem an­de­ren«, sag­te Ru­dolf. »Sie ha­ben es im Grun­de alle nur auf mein Geld ab­ge­se­hen.«

      Wenn der Kai­ser woll­te Gna­de wal­ten las­sen, sag­te Lang vor­sich­tig, so kön­ne nie­mand ihn an der Aus­übung die­ses gött­li­chen Rech­tes hin­dern, wenn es hie und da auch bö­ses Blut ma­chen wer­de.

      »Ich habe nie­mand als dich«, sag­te Ru­dolf kla­gend, »die­je­ni­gen, die mich eh­ren und lie­ben soll­ten, trach­ten nach mei­nem Le­ben. Mag der Ruß­worm üb­ri­gens sein, wie er will, er war mir er­ge­ben und war des­halb mei­nem Bru­der Matt­hi­as im Wege, der ihn ver­leum­de­te. Sie ha­ben es dar­auf ab­ge­se­hen, dass ich in ihm mich selbst op­fe­re.« Er stand vom Bett auf und ging, auf Lang ge­stützt, im Zim­mer auf und ab, das ein trü­bes Nacht­lämp­chen er­hell­te. In­des­sen kroch der Mor­gen an das Fens­ter; mit fie­bri­gen Au­gen sah der Kai­ser zu, wie sich un­ten die Dä­cher und Tür­me spitz und frös­telnd in das kah­le Zwie­licht zu boh­ren be­gan­nen.

      Wäre Ruß­worm der kai­ser­li­chen Ma­je­stät so er­ge­ben ge­we­sen, sag­te Lang, so hät­te er nicht der­ma­ßen fre­vel­haf­te Re­den über sie füh­ren sol­len, wie vie­le ge­hört hät­ten; frei­lich sei er ja noch jung, und im Rau­sche kön­ne man die Wor­te nicht wä­gen, Gna­de sei im­mer wohl an­ge­wandt; wenn der Kai­ser es wol­le, so wer­de er schleu­nig einen Bo­ten mit der Be­gna­di­gung auf das Rat­haus schi­cken. Eile tue jetzt not, fuhr er fort, da Ru­dolf, sicht­lich er­leich­tert, doch noch ein we­nig zau­der­te, mit Ta­ge­s­an­bruch sol­le ja die Hin­rich­tung voll­zo­gen wer­den; wor­auf er ge­schäf­tig die nö­ti­gen An­ord­nun­gen traf und dem Bo­ten ein­schärf­te, zu lau­fen, so schnell ihn sei­ne Bei­ne trü­gen. Als der­sel­be vor dem Rat­hau­se an­kam, wur­de eben der in schwar­ze Tü­cher ge­wi­ckel­te Kör­per des Ge­rich­te­ten auf einen Wa­gen ge­la­den, um aus der Stadt ge­schafft zu wer­den.

      Die­ser Mis­ser­folg er­schüt­ter­te den Kai­ser im ers­ten Au­gen­blick nicht son­der­lich; denn er hat­te sich in­zwi­schen vor­ge­stellt, was für un­be­que­me Fol­gen sein Ein­griff nach sich zie­hen könn­te und wie Ruß­worm viel­leicht über sei­ne Schwä­che prah­len und ihn heim­lich aus­la­chen wür­de. Schon am sel­ben Abend je­doch kam die Be­ängs­ti­gung wie­der, und es ge­wann den An­schein, als soll­te die Me­lan­cho­lie, die man schon über­wun­den glaub­te, sich des Kai­sers von Neu­em be­mäch­ti­gen.

      1 fremd­län­disch, be­son­ders ro­ma­nisch, süd­län­disch <<<

      Der jun­ge Ma­xi­mi­li­an von Bay­ern war zäh, schlau und herrsch­süch­tig, ver­stieg sich in sei­nen Plä­nen aber nie zu hoch, son­dern zü­gel­te sie mit Ge­duld und Vor­sicht und wuss­te sei­nen Hoch­mut sehr wohl mit ei­ner schein­ba­ren Un­ter­ord­nung un­ter die Je­sui­ten zu ver­ei­nen, die je­doch bald merk­ten, dass ihre Macht über ihn nicht wei­ter ging,


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