Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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ge­meint hat­te; denn wäh­rend er auf ei­ner klei­nen Rei­se ab­we­send war, brach in der Hof­kir­che beim Got­tes­dienst ein Tu­mult aus, dem bei­na­he die am­tie­ren­den Geist­li­chen zum Op­fer ge­fal­len wä­ren. Dies war für Mo­ritz umso pein­li­cher, als er es grund­sätz­lich miss­bil­lig­te, in An­ge­le­gen­hei­ten des Glau­bens die Un­ter­ta­nen zu zwin­gen, und doch im Diens­te der Wahr­heit und Ord­nung vor­wärts­kom­men woll­te. Vor­züg­lich er­bit­ter­te ihn der all­ge­mei­ne Wi­der­stand der Rit­ter­schaft, von der er am ehe­s­ten er­war­tet hat­te, sie wür­de ohne Wei­te­run­gen sei­nem Bei­spiel fol­gen als die dem Thro­ne am nächs­ten Ste­hen­den und ihm am meis­ten Ver­pflich­te­ten.

      In­des­sen ent­mu­tig­ten ihn sol­che Er­fah­run­gen nicht, son­dern reg­ten ihn an, sei­ne Tä­tig­keit zu ver­dop­peln. Stets sah man den un­er­müd­li­chen Mann be­schäf­tigt: in der von ihm ge­grün­de­ten Rit­ter­schu­le, wo er die Auf­sät­ze der Schü­ler ver­bes­ser­te und be­sprach, im Ge­spräch oder Brief­wech­sel mit Ge­lehr­ten al­ler Art, auf der Rei­se in den ver­schie­de­nen Tei­len sei­nes Lan­des oder an den Hö­fen glau­bens­ver­wand­ter Fürs­ten, um sie zur Wach­sam­keit an­zu­spor­nen. Die Auf­merk­sam­keit auf das nahe Jü­lich ge­rich­tet, mahn­te er die An­spre­cher, wel­che haupt­säch­lich in Be­tracht ka­men, sich über das schö­ne Erbe nicht zu ver­fein­den, son­dern sich zu ge­mein­sa­mer Be­sitz­er­grei­fung zu ver­bin­den, da­mit nicht ein Drit­ter zum Scha­den des evan­ge­li­schen Glau­bens es an sich rei­ße. Einst­wei­len ver­pflich­te­ten er und Kur­pfalz sich, Bran­den­burgs ge­rech­ten An­spruch zu un­ter­stüt­zen; schwie­ri­ger war es, mit dem al­ten Her­zog von Pfalz-Neu­burg ins rei­ne zu kom­men.

      In dem statt­li­chen Schlos­se zu Neu­burg an der Do­nau wal­te­te die­ser lu­the­ri­sche Fürst ehr­bar und be­däch­tig, den Welt­hän­deln im gan­zen ab­ge­neigt und der rei­chen Erb­schaft, die ihm durch sei­ne Jü­lich-Cle­ve­sche Ge­mah­lin zu­fal­len soll­te, mit eben­so viel Miss­trau­en wie Be­gehr­lich­keit ent­ge­gen­se­hend. Da sein Länd­chen ihm nur eine ge­rin­ge Sum­me an jähr­li­chen Ein­künf­ten ab­warf, hät­te er die rhei­ni­schen Lan­de mit ih­ren ge­werb­flei­ßi­gen Städ­ten gut ge­brau­chen kön­nen; doch be­ängs­tig­ten ihn die Ver­wick­lun­gen, die der Be­sitz­er­grei­fung ver­mut­lich vor­aus­ge­hen muss­ten und die aus­zu­fech­ten sei­ne Macht al­lein nicht aus­reich­te. Von sei­nen drei Söh­nen war der äl­tes­te ihm am meis­ten un­gleich, ein hüb­scher jun­ger Mann, der den Frau­en ge­fiel, so­wohl durch sei­ne Be­red­sam­keit wie durch das ver­hal­te­ne Selbst­be­wusst­sein, das sei­ne Er­schei­nung kö­nig­lich um­gab. Des­sen Mei­nung war, dass man gut­tue, sich bei­zei­ten nach wirk­sa­mer Hil­fe in Be­zug auf Jü­lich um­zu­se­hen und sich des­halb mit Bran­den­burg und Kur­pfalz in Ver­hand­lun­gen ein­zu­las­sen, wäh­rend Her­zog Phil­ipp, sein Va­ter, mit den Re­for­mier­ten nichts zu tun ha­ben woll­te. Er nann­te sie Ab­trün­ni­ge, de­ren Selb­st­über­he­bung und Un­ab­hän­gig­keits­ge­lüs­te et­was Teuf­li­sches wä­ren und die man eben­so be­kämp­fen müs­se wie den Gräu­el des Pa­pis­mus.

      Sein Va­ter habe zwar recht, sag­te da­ge­gen Wolf­gang Wil­helm, doch müs­se man die Po­li­tik vom Kirch­li­chen ab­tren­nen. Sei Jü­lich erst ein­mal in sei­nen Hän­den, wer­de er na­tür­lich das Luther­tum dort ein­füh­ren. Was scha­de es, wenn Re­for­mier­te zu die­sem Zweck bei­trü­gen? Hef­tig und ent­schie­den auf sei­nem Wil­len zu be­ste­hen, war in­des­sen sei­ne Art nicht, nur ge­le­gent­lich ließ er El­tern und Brü­der et­was von sei­nen Wün­schen und Plä­nen mer­ken. Die Brü­der wa­ren zu be­schei­de­ner Un­ter­ord­nung un­ter den äl­tes­ten er­zo­gen; doch er­tapp­te sich der zwei­te, Au­gust, zu­wei­len auf ei­nem Ge­fühl des Miss­trau­ens, ja der Ab­nei­gung ge­gen ihn, das er im Be­wusst­sein sei­ner Sün­dig­keit zu be­kämp­fen such­te. Jo­hann Fried­rich da­ge­gen, der viel jün­ger war, sah in Wolf­gang Wil­helm die Ver­kör­pe­rung des Ed­len, der Schön­heit und Lie­be, und er dach­te nicht ohne se­li­ges Be­ben an den Au­gen­blick, wo es ihm ge­lun­gen war, sei­ne wohl­ge­form­te wei­ße Hand zu küs­sen, als sie sich ge­ra­de schön ge­bo­gen auf ei­ner kar­min­ro­ten Da­mast­de­cke aus­brei­te­te.

      Meis­tens be­schäf­tig­ten sich Wolf­gang Wil­helms Träu­me mit sei­nem künf­ti­gen Reich am Rhei­ne; denn Neu­burg hielt er für et­was Un­ge­nü­gen­des und Vor­läu­fi­ges. Es wurm­te ihn, dass er die Erb­schaft mit Bran­den­burg tei­len soll­te, und da es ihm schwer mög­lich schi­en, den mäch­ti­ge­ren Fürs­ten ganz zu ver­drän­gen, mal­te er sich aus, wie er sich durch Hei­rat mit ei­ner bran­den­bur­gi­schen Prin­zes­sin zum Herrn des Gan­zen ma­chen kön­ne. Um sei­nen Va­ter mit der Hei­rat aus­zu­söh­nen, wür­de er sie zu sei­nem Glau­ben be­keh­ren, was er so­wie­so für not­wen­dig zum ehe­li­chen Glücke hielt. Er be­schloss, sich ihr Bild zu ver­schaf­fen, und such­te eine Ge­le­gen­heit, sie zu se­hen; denn ohne Lie­be woll­te er nun ein­mal kei­ne Ehe ein­ge­hen. Für alle Fäl­le schi­en es ihm gut, sich auch an­de­re Fürs­ten warm zu hal­ten, und da kam un­ter den Ver­wand­ten der Her­zog Ma­xi­mi­li­an von Bay­ern in Be­tracht als der­je­ni­ge, des­sen Freund­schaft am meis­ten nüt­zen, wie sei­ne Feind­schaft am meis­ten scha­den konn­te. Die­ser Ein­sicht ver­schloss sich Her­zog Phil­ipp Lud­wig nicht; doch schi­en ihm in dem Ver­kehr sei­nes Soh­nes mit dem erz­ka­tho­li­schen Vet­ter et­was Hoch­be­denk­li­ches zu lie­gen. Er hat­te dar­über mit sei­nem Ver­trau­ten, dem Hof­pre­di­ger Heil­brun­ner, eine lan­ge Un­ter­re­dung, in der er sag­te, sie hät­ten nun gott­lob in sei­nem Lan­de den Irr­glau­ben voll­stän­dig aus­ge­rot­tet, die Saat des Luthe­ri­schen Wor­tes sei herr­lich auf­ge­gan­gen, so­dass Got­tes­furcht und gute Sit­te bei den Un­ter­ta­nen herr­sche, so­weit es die mensch­li­che Schwach­heit zu­las­se. Ob er nicht ein ge­fähr­li­ches Bei­spiel gebe, wenn er sei­nem äl­tes­ten Sohn er­lau­be, sich da, wo des Teu­fels Un­kraut am üp­pigs­ten wu­che­re, ver­trau­lich um­zu­trei­ben, das Gift, das die alte Hure von sich gebe, ein­zuat­men, wohl gar aber­gläu­bi­schen und got­tes­schän­de­ri­schen Ge­bräu­chen schein­bar bei­fäl­lig bei­zu­woh­nen? Ob er das vor sei­nem Gott ver­ant­wor­ten dür­fe?

      Das sei al­les nur zu wahr, ant­wor­te­te sor­gen­voll der Pre­di­ger; doch müs­se der Her­zog auch be­den­ken, zu wel­cher Glau­bens­fes­tig­keit sein Sohn er­zo­gen sei und wie man nicht zu fürch­ten brau­che, dass der An­ti­christ et­was über ihn ge­win­ne, wie er viel­mehr auf die Ver­stockt­heit der Glau­bens­fein­de wir­ken kön­ne, und dass der Mensch den fein­ge­spon­ne­nen Plä­nen des Herrn nicht vor­grei­fen sol­le. Frei­lich dür­fe es nicht so weit ge­hen, dass der jun­ge Herr in Per­son dem Baals­dienst bei­woh­ne, wo­vor er aber durch die Keusch­heit sei­nes Ge­wis­sens oder durch eine vä­ter­li­che Ver­ord­nung be­wahrt wer­den kön­ne.

      Mit dement­spre­chen­den Er­mah­nun­gen ver­se­hen, trat Wolf­gang Wil­helm die Rei­se nach Mün­chen an, wo er mit dem Her­zog Ma­xi­mi­li­an gut aus­kam, ob­wohl die­ser bald mer­ken ließ, dass er sich die Be­keh­rung des jün­ge­ren Vet­ters zum Ziel ge­setzt hat­te. Wolf­gang Wil­helm wi­der­sprach ihm nicht mit hit­zi­gem Ei­fer, wie die Luthe­ra­ner zu tun pfleg­ten, son­dern hör­te ach­tungs­voll an, was Ma­xi­mi­li­an in Glau­bens­sa­chen vor­brach­te, ohne von sei­nem Stand­punk­te ab­zu­wei­chen, und nö­tig­te den Geg­ner da­durch, mit sei­nem Gas­te auch sei­ner­seits vor­sich­tig und rück­sichts­voll um­zu­ge­hen.


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