Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
das Gefühl, als starrten ihm die Blicke der anwesenden Stände wie Lanzenspitzen entgegen. Dem war jedoch nicht so: die schwarzgekleidete, ein wenig gebeugte Gestalt des Kaisers, der feine Silberschimmer, der über seinen Haaren lag, der Ausdruck des Leidens auf seinem bleichen Gesicht erregte Mitleid und Rührung in den Gemütern und schlug für den Augenblick die feindliche Leidenschaft nieder. Diese gesänftigte Stimmung, die er mit einem verstohlen auf die Versammelten geworfenen Blick erhaschte, erleichterte es ihm, die wenigen Worte, die er zu sprechen hatte, in würdevoller Haltung und mit dem Schein edler Gelassenheit vorzutragen.
Als die Sitzung vorüber war und er sich von der ungewohnten Anstrengung erholt hatte, ließ er auftischen und nahm mit Frauen und Zechgenossen eine Mahlzeit ein. In heiterer Laune machte er sich über die trotzigen Stände lustig, die er am Narrenseil springen ließe; nichts, nichts würde er von ihren Forderungen bewilligen, sie möchten sitzen und beraten und Paragrafen schreiben, solange es sie gelüstete, zuletzt schickte er sie mit langer Nase heim. Es trug zu seinem Wohlbefinden bei, dass Lang auf einer Reise abwesend war; denn dessen Fall war, seit die Sache mit Matthias zum Ausbruch gekommen war, beschlossen. Bei seiner Rückkehr wurde er verhaftet, vor ein Gericht gestellt, und auf sein Vermögen wurde Beschlag gelegt. Einen Teil davon erhielten die vielen Herren, die nun Klagen einreichten, sie hätten Lang große Summen ausgezahlt, damit er ihre Anliegen, Beförderungen und andere Gnadenakte beim Kaiser betreibe, aber keinen Erfolg gesehen; das übrige fiel dem Kaiser zu. Viele wünschten, den hochmütigen und habgierigen Mann am Galgen oder auf dem Scheiterhaufen enden zu sehen; allein das Gericht fand eine solche Schärfe dem ehemaligen Liebling des Kaisers gegenüber nicht angezeigt, zumal da ihm weder in hochverräterischen Handlungen noch in Zauberei etwas Eigentliches nachzuweisen war, und ließ es bei Verlust des Vermögens und der Freiheit auf Lebenszeit bewenden.
Matthias hatte sich die künftige Größe mehr Mühe und Arbeit kosten lassen, als von seiner Natur zu erwarten war, nur in einem wichtigen Punkte blieb er hartnäckig, nämlich in dem einer standesgemäßen Heirat. Hätte er einen ehelichen Nachfolger gehabt, so hätte er weit mehr Aussicht auf allgemeine Anerkennung gehabt, als jetzt der Fall war, und er selbst wie die Verfechter seiner Sache hätten viel ruhiger in die Zukunft blicken können. Die Schwierigkeit bestand aber darin, dass er seit Jahren mit einer Frau namens Susanna Wachter zufrieden und bequem lebte, von der er sich durchaus nicht trennen wollte. Diese hatte einen feurigen und herrschsüchtigen Charakter, weswegen die Menschen im Allgemeinen nicht mit ihr anzubinden liebten; ihn jedoch, der ihr vollkommen ergeben war, versorgte sie mütterlich, und ihre genaue Bekanntschaft mit seinen Gewohnheiten und Bedürfnissen ermöglichte es ihr, ihm das tägliche Leben glatt eingehen zu lassen.
Die ersten Versuche Khlesls, diesen heiklen Gegenstand anzurühren, ließ Matthias abgleiten, als ob er ihn nicht verstehe; dann wehrte er sich, indem er die Heirat auf die Zeit verschieben wollte, wo er sein Ziel erreicht hätte. Das gehe nicht an, sagte Khlesl, man müsse einmal zugeben, dass seine Jugend ohnehin verrauscht sei, wolle er noch Nachkommenschaft erzielen, so müsse er sich dazuhalten. Seinem früheren Stande hätte es hingehen mögen, dass er sich eine Beischläferin genommen habe, jetzt müsse er als ein Mann und Christ den Pflichten seines hohen Amtes nachkommen. In seiner Verblendung bilde er sich ein, dass von der Susanna Wachter seine Seligkeit abhänge; wenn er aber einmal eine andere koste, werde er merken, dass der eine Teig gewälzt und gebacken sei wie der andere und dass dieselbe Ware auf jedem Markte feil sei. Um ihn davon zu überzeugen, führte ihm Khlesl bei Gelegenheit eines Reichstages eine hübsche Person zu, die sich bereit erklärte, wenn es so der Wille Gottes sei, dem Erzherzog entgegenzukommen; aber schon nach kurzer Zeit wurde Matthias ihrer überdrüssig und verlangte mit verdoppelter Sehnsucht Susanna Wachter zurück. Dieser Umstand legte die Vermutung nahe, dass Matthias von der Wachter behext und unfähig gemacht sei, Kinder zu erzeugen oder überhaupt sich mit anderen Frauen einzulassen. Mit Vorstellungen, welche Gefahr er an der Seite dieses Weibes laufe, brachte Khlesl es allmählich dahin, Matthias ein wenig ängstlich und misstrauisch zu machen und ihn wenigstens zum Anhören seiner Vorschläge zu bewegen.
Es war die jüngste Schwester des Herzogs von Bayern, Magdalena, die Khlesl ins Auge gefasst hatte, um damit seinem Schützling den Beistand dieses tatkräftigen und glaubensstrengen Herzogs zu sichern, und Matthias ließ es endlich zu, dass der Bischof nach München reiste und insgeheim anklopfte, wie die Werbung des Erzherzogs am dortigen Hofe aufgenommen werden würde. Da Magdalena bisher noch keine Bewerber gehabt hatte, die ernstlich in Betracht gekommen wären, begann die Frage ihrer Versorgung dem alten Herzog, ihrem Vater, ernste Gedanken zu machen, und die Aussicht auf diese Heirat versetzte ihn in nicht geringe Aufregung. Allerlei Bedenken standen freilich entgegen: erstens das Alter des Matthias, der damals fünfzig Jahre alt war, ferner sein wunderliches Verhältnis zu Rudolf und sein verwegenes Scharmutzieren in Ungarn und Böhmen, womit er noch alles verspielen könne. Hiergegen führte Khlesl an, wie lästerlich und schändlich es in Prag zugehe, dass Gottes Beistand dem Matthias nicht fehlen könne und dass er ja auch nichts Unbrüderliches gegen Rudolf vorhabe, sondern auf dem Wege der Billigkeit bleiben wolle. Anders ließ sich die Erzherzogin Maria, Wilhelms Schwester, vernehmen: er solle sich doch den stinkenden Matthias vom Leibe halten, schrieb sie ihrem Bruder; nach außen scheine er vielleicht noch ein wenig, aber innen sei alles verfault, und der Teufel werde über kurz oder lang damit davonfahren. Ob Wilhelm nicht wisse, dass seine Hure, die Wächter, ihm die Manneskraft abgehext habe? Das wäre ein gottloser Handel, wenn er seine Tochter einem solchen Manne gäbe, von dem sie keine Kinder gewinnen und auch sonst wenig Ehre davontragen könnte.
Diese Warnungen machten nur geringen Eindruck auf den alten Herzog und noch weniger auf Magdalena selbst; ihre Tante sei neidisch, sagte sie, und fürchte, dass Matthias von ihr Kinder bekomme und dadurch für ihren Ferdinand die Aussicht, Kaiser zu werden, dahinschwinde. Maximilian erinnerte sie neckend daran, wie sie, als ihre Schwester Maria Anna den Ferdinand genommen habe, spöttisch gesagt habe, sie möchte keinen von den buckeligen Österreichern zum Manne; worauf Magdalena errötend entgegnete, der Ferdinand sei allerdings ein alberner Löffel und wackelig in den Gelenken wie ein Hampelmann, mit Matthias sei es etwas anderes, er sei bei Jahren, habe Vernunft und Erfahrung, solle gar nicht so übel sein. Übrigens, sagte