Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald. Margarete Schneider

Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald - Margarete Schneider


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solche Versetzung. Es kamen zwei Vertreter des Konsistoriums; sie waren zuerst bei mir und dann bei den Stützpunktleitern. Inzwischen war eine erhebliche Unruhe und Auflehnung gegen die Stützpunktleiter in beiden Gemeinden wach geworden … So waren diese schließlich froh, wieder einlenken zu können. Ich habe am letzten Sonntag wieder gepredigt über Römer 1,16«177 (Brief vom 26. Oktober 1933). – »Ich glaube nicht, dass unsere evangelische Kirche um eine Auseinandersetzung mit dem NS-Staat herumkommen wird, dass es nicht einmal geraten ist, sie noch länger aufzuschieben, bei allem schuldigen christlichen Gehorsam« (Brief vom 29. Januar 1934). – Die Stützpunktleiter rühmten sich nachher, dass sie des Pfarrers Schicksal in der Hand gehabt hätten. Paul gab dagegen bekannt, nur das Vertrauen der Gemeinde hätte ihn in Hochelheim gehalten. Er fühle sich frei von einer Bindung.

      Da die Auseinandersetzung um Röhms Aufruf gegen das »Muckertum« der erste größere Konflikt mit den 1933 zur Herrschaft gekommenen Gewalten ist, da in diesem Zusammenhang auch zum ersten Mal geäußert wird, Pfarrer Schneider gehöre in ein Konzentrationslager, schildere ich hier – den bei Wentorf 178 veröffentlichten Dokumenten folgend – die oben erwähnten Vorgänge näher:

      Der Aufruf Röhms gegen das »Muckertum« liest sich zunächst wie eine Zurechtweisung an SA- und SS-Führer, Frauen gegenüber keine spießigen Forderungen aufzustellen, wie z. B. dass sie in Lokalen nicht rauchen dürften. Ihm lägen Meldungen vor, »dass auch SA- und SS-Führer und -Männer sich öffentlich zu Moralrichtern aufwürfen und weibliche Personen in Badeanstalten, Gaststätten oder auch auf der Straße belästigt hätten«. Es müsse einmal eindeutig festgestellt werden, »dass die deutsche Revolution nicht von Spießern, Muckern und Sittlichkeitsaposteln gewonnen worden sei, sondern von revolutionären Kämpfern«. Diese allein würden sie auch sichern. Es gehe darum, Deutschland durch eine »freie und revolutionäre Kampfgesinnung hochzureißen«. Ein SA-Mann dürfe sich nicht »zum Handlanger verschrobener Moralästheten hergeben«.

      Wen wollte Röhm mit diesem Aufruf treffen? Einzelne SA-Führer? P. S. verstand den Aufruf als eine Verächtlichmachung christlicher Moralbegriffe. Röhm versuche in ihm, diejenigen, die sich nicht an »NS-Kämpfern« orientierten, der Lächerlichkeit preiszugeben. P. S. erwartete einen Protest der offiziellen Kirche. Als ein solcher nicht kam, verlas er bei den Abkündigungen im Gottesdienst seinen eigenen und gab ihn im Aushängekasten der Kirchengemeinde am Pfarrhaus der Bevölkerung zu lesen. Er stellt fest, Röhm spreche sich »gegen die Geltung von sittlichen Grundsätzen und gegen das Eintreten dafür in unserem Volksleben in einer Weise aus, dass man vom Standpunkt evangelischen Glaubens nur aufs Schärfste gegen Geist und Inhalt dieses Aufrufs protestieren« könne. Er folgert: »Wenn Stabschef Röhm meint, dass der Aufbau unseres Volkes und die Aufgabe der SA nichts mit Sittlichkeit und Keuschheit zu tun habe, und wenn er von diesen Dingen als von ›verschrobenen Moralstützen‹ spricht, so irrt er und hat mit diesem Aufruf unserem Volk einen schlechten Dienst geleistet.«

      Als der NSDAP-Stützpunktleiter Johannes Mehl von diesem Aufruf hörte, ließ er P. S. bitten, ihm diesen auszuhändigen. Als der Pfarrer das verweigerte, ließ er den ganzen Kasten von der Wand abmontieren, um zu Hause die Stellungnahme aus ihm zu entfernen und den leeren Kasten dem Pfarrer zurückzuschicken. Mehl forderte P. S. schriftlich auf: »Für die Zukunft bitte ich Sie, Schriftstücke politischer Art vor der Veröffentlichung mir vorzulegen.«

      Mehl benachrichtigte die NSDAP-Kreisleitung Wetzlar über den Vorgang, diese informierte das Landratsamt (was nicht nötig gewesen wäre, denn Kreisleiter Grillo war zugleich Landrat). Der Vertreter des Landratsamtes teilte dem Konsistorium in Koblenz mit, die NSDAP verlange, Pfarrer Schneider sofort in Schutzhaft zu nehmen, um ihn vor der empörten Öffentlichkeit zu schützen. Um nicht die Autorität des Pfarrers vor seiner Gemeinde durch eine Verhaftung zu beschädigen, möge das Konsistorium ihn bis zur Aufklärung der Sache beurlauben. In einem zweiten Anruf am selben Tag erklärte der Vertreter des Landratsamtes, wenn das Konsistorium nicht sogleich die Beurlaubung verfüge, sei Schutzhaft nicht zu vermeiden. Daraufhin beauftragte Oberkonsistorialrat Siebert Superintendent Wieber, sofort P. S. aufzusuchen, ihm die Beurlaubung auszusprechen und ihn zu einer Aussprache in das Konsistorium zu bestellen.

      Einstweilen schrieb die Kreisleitung Wetzlar an den Landrat: »Ich bitte Sie, den Landjäger aufmerksam zu machen, dass er sofort diesen Kasten für alle Zukunft verbietet, und dass Sie Pfarrer Schneider in Schutzhaft nehmen. Dieser Mensch gehört in ein Konzentrationslager und nicht auf die Kanzel.« Die Kreisleitung Wetzlar hat zugleich die Gauleitung in Frankfurt/Main schriftlich über diesen Vorgang informiert.

      Was das Gespräch des neuen Bischofs Dr. Heinrich Oberheid – er war drei Tage zuvor in das neu errichtete »Evangelische Bistum Köln-Aachen« eingeführt worden – mit P. S. betrifft, so berichtete M. S., ihr Mann sei danach äußerst deprimiert nach Hause gekommen. Oberheid, in SA-Uniform auf dem Schreibtisch sitzend, Zigarette rauchend, habe es durch sein Auftreten verstanden, dem kleinen Landpfarrer deutlich zu machen, dass er mit seinem Angriff auf Röhm sich und die Kirche blamiert habe. Dem Landrat und Kreisleiter der NSDAP, den er mit »Euer Hochwohlgeboren« anspricht, berichtet Oberheid noch am selben Tag über dieses Gespräch: »Ich habe ihm sein Vorgehen ernst verwiesen.« P. S. habe sich seinen Vorhaltungen bereitwillig geöffnet. Er habe folgende Erklärung unterschrieben: »Nachdem ich mich durch meine vorgesetzte Kirchenbehörde habe unterrichten lassen, dass Sinn und Abzweckung des Aufrufes des Herrn Stabschef Röhm an die SA und SS gegen das Muckertum anderer Art gewesen ist, als ich es in meinem Protest vom 8. ds. Mts. glaubte annehmen zu sollen, bedauere ich, dass ich diesen Protest gefasst habe, und nehme ihn hiermit zurück.« Er, Oberheid, sei »der Zuversicht, dass Pfarrer Schneider hinfort die richtige Einstellung zu den Maßnahmen des Staates und der Partei finden wird«, er bitte, »deshalb von weiteren Erwägungen über die Verhängung der Schutzhaft absehen zu wollen«. Dann könne er auch die Beurlaubung rückgängig machen.

      Schon am nächsten Tag antwortete der Landrat dem Bischof, er hielte es nicht für angängig, wenn die Beurlaubung zurückgezogen werde, ehe die Angelegenheit völlig geklärt sei. Schneiders Verhältnis zu den beiden Stützpunktleitern seiner Gemeinde sei zu gespannt. »Herr Pfarrer Schneider hat durch seine Haltung den Eindruck erweckt, als ob er nicht voll auf dem Boden des heutigen Staates steht. Es liegen über ihn eine ganze Reihe von Eingaben bei der Kreisleitung der NSDAP vor.« Der Bischof solle vor Ort klären lassen, ob P. S. in der Gemeinde bleiben könne. Er gibt dem Bischof zu bedenken: »Ich persönlich glaube kaum, dass sich die Angelegenheit anders erledigen lässt als durch die Versetzung des Pfarrers Schneider … Die ausgesprochene Beurlaubung kann m. E. nicht zurückgenommen werden.« Erstaunlich, wie ungeniert der Landrat dem neuen Bischof sagt, was die Kirche gegen P. S. zu tun habe.

      Getreu dem Rat des Landrats sandte das Konsistorium zwei Beauftragte, Konsistorialrat Dr. Jung179 und Pfarrer Wolfrum180, nach Hochelheim und Dornholzhausen, die erkunden sollten, ob P. S. in seinen Gemeinden noch den nötigen Rückhalt habe. Die beiden gingen freilich zuerst zum Landrat nach Wetzlar und ließen sich von ihm und vom stellvertetenden Gauleiter der NSDAP sagen, dass Schneider wegen der Erregung der beiden Stützpunktleiter versetzt werden müsse. Sie sprachen daraufhin in Hochelheim mit P. S. Davon berichtet Dr. Jung:181 »Pfarrer Schneider bestritt, dem nationalen Staat ablehnend gegenüberzustehen.« Seinen Austritt aus der Glaubensbewegung Deutsche Christen habe er deswegen der Gemeinde mitgeteilt, weil er ihr bei einer vorherigen Gemeindeversammlung seinen Eintritt mitgeteilt habe. Er halte sich für verpflichtet, »die Gemeinde von seiner kirchenpolitischen Stellung in Kenntnis zu setzen«. Die Presbyter und Gemeindeverordneten von Dornholzhausen hätten einstimmig eine Vertrauenskundgebung für ihren Pfarrer beschlossen. Auch in Hochelheim hätte eine solche Kundgebung beschlossen werden sollen, doch habe der Lehrer die Leute gewarnt, sie könnten sich damit Ungelegenheiten bereiten. Daher sei sie in Hochelheim unterblieben.

      Pfarrer Schneider habe ferner berichtet, Stützpunktleiter Mehl in Hochelheim habe öffentlich angeschlagen und mit der Ortsschelle182 bekanntgeben lassen, wer etwas gegen ihn, den Stützpunktleiter, sage, der werde einer strengen Bestrafung zugeführt werden. Der Polizeidiener habe an diese Bekanntgabe die Bemerkung geknüpft: »Jetzt bringen wir ihn weg«. Zu einem Gespräch mit dem Presbyterium in Hochelheim hätten nur zwei Presbyter kommen können. Diese hätten sich entschieden für Pfarrer Schneider


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