Mit Gott die Welt verändern. John Eldredge

Mit Gott die Welt verändern - John Eldredge


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Menschheit und um diesen Planeten.“

      Sehen Sie, welchen Unterschied die wenigen „Auslassungen“ machen? Ohne diese Elemente der Geschichte können wir Dinge wie Waldbrände oder Mordfälle nicht verstehen. Ebenso wenig wie die Frage, warum manche Gebete wirken und manche nicht.

      Es gibt Antworten

      Das Gebet stellt uns vor ein furchtbares Dilemma. Wir wollen beten, das liegt in unserer Natur. Wir wollen verzweifelt gern glauben, dass Gott sich für unsere Sache einsetzt. Aber dann … sieht es nicht danach aus, als ob er das täte. Und was machen wir dann?

      Ich glaube, gerade in diesem Dilemma steckt Gott. Ich glaube, er will, dass wir dranbleiben, dass wir damit ringen, so lange, bis wir wirkliche, tragfähige Antworten gefunden haben.

      Die Wirklichkeit, in der wir uns vorfinden, ist weitaus komplexer, als man die meisten Menschen glauben gemacht hat – besonders Menschen, die an Gott glauben. Wie Patch haben wir ein gefährlich lückenhaftes Verständnis von unserer Situation, zum Beispiel:

      Gott ist allmächtig.

      Er hat nicht eingegriffen.

      Also war es wohl nicht sein Wille, etwas zu tun.

      Ja – Gott ist souverän. Und in dieser Souveränität hat er eine Welt erschaffen, in der die Entscheidungen von Menschen und die Entscheidungen von Engeln zählen. Und zwar gewaltig.

      Er hat uns die „Würde der Ursächlichkeit“ verliehen, wie ­Blaise Pascal es formuliert hat. Unsere Entscheidungen haben enorme Konsequenzen. Darauf werden wir noch ausführlich zurückkommen. Auf jeden Fall lässt sich das Gebet nicht auf die schlichte Formel bringen: „Ich habe gebetet; Gott hat sich nicht gerührt. Er hat es wohl nicht gewollt.“

      Wir sind in die spannendste Geschichte eingestiegen, die sich überhaupt nur denken lässt. Eine Geschichte voller Gefahr, Abenteuer und Wunder. Es gibt nichts Hoffnungsvolleres als den Gedanken, dass die Dinge auch anders sein können, dass wir in der Tat Berge versetzen können und dass wir eine Rolle darin spielen, dass dies geschieht.

      Vielleicht finden wir erste Antworten oder wenigstens eine neue Perspektive auf die Dinge in einer Geschichte aus dem Alten Testament. Während der Herrschaft von König Ahab (circa 860 v. Chr.) litt der Nahe Osten unter einer Dürre, die dreieinhalb Jahre anhielt. Die Ernte verdorrte; im Land herrschte Hunger; das Vieh musste geschlachtet werden, weil es nicht genug Futter fand. Eine Szene wie aus den jüngsten Hungergebieten Afrikas. Aber ein Ende war in Sicht; Gott hatte dem Propheten Elia gesagt, dass die Zeit der Dürre zu Ende sei. „Nach mehr als zwei Jahren sagte der Herr zu Elia: ‚Geh jetzt, und zeig dich Ahab! Ich will es wieder regnen lassen‘“ (1. Könige 18,1; Hfa).

      Endlich hatte sich der Himmel erbarmt; es würde regnen; eine wahre Sturzflut nahte bereits heran, beinahe eine biblische Sintflut – Regen von der Art, dass Ochsenkarren bis zu den Rad­achsen im Schlamm versinken und die Kinder eine Woche schulfrei kriegen. Aber bevor das geschehen konnte – und das ist der erste faszinierende Zug an der Geschichte –, bevor es so weit war, musste Elia beten. Warum das denn? Konnte Gott es nicht einfach regnen lassen? Schwer zu sagen. Bleiben wir also bei der Geschichte …

      Während Ahab aß und trank, stieg Elia zum Gipfel des Karmel hinauf. Dort oben kniete er nieder, verbarg das Gesicht zwischen den Knien und betete. Nach einer Weile befahl er seinem Diener: „Steig auf den höchsten Punkt des Berges, und blick über das Meer! Dann sag mir, ob du etwas Besonderes siehst.“ Der Diener ging, hielt Ausschau und meldete: „Kein Regen in Sicht!“ Doch Elia schickte ihn immer wieder: „Geh, sieh noch einmal nach!“

      Endlich, beim siebten Mal, rief der Diener: „Jetzt sehe ich eine kleine Wolke am Horizont, aber sie ist nicht größer als eine Hand.“ Da befahl Elia: „Lauf schnell zu Ahab, und sag ihm: ,Lass sofort anspannen, und fahr nach Hause, sonst wirst du vom Regen überrascht!‘“ Da kam auch schon ein starker Wind auf, und schwarze Wolken verfinsterten den Himmel. Es dauerte nicht mehr lange, und ein heftiger Regen prasselte nieder. Ahab bestieg hastig seinen Wagen und fuhr in Richtung Jesreel (1. Könige 18,42-45; Hfa).

      Ich liebe diese Geschichte; sie ist so bodenständig und unglaublich hilfreich, wenn es darum geht zu verstehen, was Beten ist und wie es funktioniert. Gott will handeln, das steht fest; aber er besteht darauf, es nicht ohne Elias Gebet zu tun. Das erinnert mich an ein Wort von Augustinus: „Ohne Gott können wir nicht. Ohne uns will Gott nicht.“

      Wir befinden uns in einem Universum, das so gestaltet ist, dass das Gebet darin eine wesentliche Rolle spielt, manchmal die entscheidende Rolle. Unsere Entscheidungen zählen.

      Weiter: Elia sondert nicht nur ein paar kleine Stoßgebete ab; keine „Schnittblumen-Gebete“, wie Eugene Peterson sie nennt. Kein schnelles „Jesus, bitte geh mit uns in diesen Tag“. Elia ist entschlossen, Ergebnisse zu sehen. Er kniet nieder und betet und dann schickt er seinen Diener, damit der feststellt, ob sein Gebet funktioniert – hat es irgendwelche Auswirkungen?

      Ich liebe diese Haltung des alten Propheten, seine Bereitschaft, alles daranzusetzen, zu sehen, was geschieht, und dann anhand der Ergebnisse den nächsten Schritt zu tun. Der Diener kommt zurück und berichtet, der Himmel sei klar und blau, so wie seit Jahren, so verschlossen wie der Schoß der alten Sarai. Das ist der Punkt, an dem die meisten von uns aufgeben. Aber der alte Prophet bleibt bei der Stange. Noch eine Gebetsrunde, noch einmal muss der Diener Ausschau halten. Nichts.

      Elia zieht den Mantel aus, stemmt sich in die Riemen und betet weiter. So schnell lässt er sich vom Augenschein nicht entmutigen.

      Noch sechs Mal wiederholt er sein Gebet. Wir würden inzwischen längst bei Starbucks hocken und etwas von der „dunklen Nacht der Seele“ vor uns hin jammern und fragen, was wir nur mit dem „Schweigen Gottes“ anfangen sollen. Ganz anders unser alter Israelit – der ist noch immer auf seinem Berg und hält durch. Nach acht Gebetsrunden – und Runden scheint mir tatsächlich ein angemessener Ausdruck; man denkt an Runden im Boxring, an Schweiß, verbissenen Siegeswillen und ganzen Einsatz –, nach acht Runden also sagt der Diener: „Tatsächlich, da ist eine kleine Wolke am Horizont, kaum eine Hand groß.“ Mehr braucht es nicht und der Sturm ist im Anmarsch.

      Vergleichen wir dies mit einer Geschichte, die Anne Lamott in ihrer Autobiografie Traveling Mercies erzählt. Sie schildert ihre verständliche überwältigende Sorge angesichts einer möglichen ­Diagnose von schwarzem Hautkrebs (verständlich, da ihr Vater daran verstorben war) und die sechs Wochen, die sie auf einen Biopsietermin warten musste. Nach einem Besuch beim Hautarzt kommt sie nach Hause: „Auf einem Zettel schrieb ich Gott eine kleine Nachricht. Sie lautete: ,Ich bin ein bisschen besorgt. Hilf mir, nicht zu vergessen, dass du auch jetzt bei mir bist. Ich werde jetzt meine klebrigen Finger vom Steuerknüppel nehmen, bis ich wieder von dir höre.‘ Dann hab ich den Zettel zusammengefaltet und in die Nachttischschublade gesteckt, als sei es Gottes Briefkasten.“2

      Um das vorwegzusagen: Ich mag Anne Lamott sehr; ihr Buch erzählt eine berührende Geschichte, die so viel Wahres über uns und unsere Menschlichkeit enthält. Aber wenn sie zum Thema Gebet kommt, finde ich nicht mehr viel Hilfreiches. Was glauben Sie, wessen Gebet wird wohl eher Ergebnisse sehen können – Elias oder Anne Lamotts? Wenn Sie einen von beiden bitten könnten, für einen nahestehenden Menschen zu beten – wen würden Sie wählen?

      Seien wir ehrlich – manche Gebete wirken, manche wirken nicht. Es mag uns peinlich sein, das zuzugeben, aber wir wissen, dass es so ist. Wenn wir uns überhaupt für das Gebet interessieren, dann natürlich für ein Gebet, das wirkt. Und ein solches Gebet ist Gegenstand dieses Buches. Das bringt uns zurück zu Elia, dem Propheten aus Tischbe in Gilead.

      Es gibt eine oft übersehene Aussage im Neuen Testament, die unser Bild von Gebet auf unerwartete Weise bereichern kann. Wir finden sie im Jakobusbrief und sie bringt uns zurück zu dem alten Propheten bei seinem Gebetskampf auf dem Berg Karmel: „Das Gebet eines Menschen, der sich nach Gottes Willen richtet, ist wirkungsvoll und bringt viel zustande. Elia war ein Mensch wie wir, und als er Gott im Gebet anflehte, es möge nicht regnen, fiel drei Jahre und sechs Monate lang im ganzen Land kein Regen. Danach betete er erneut, und diesmal ließ der Himmel es regnen, und das Land brachte wieder seine Früchte hervor“ (Jakobus 5,16-18).

      Jakobus


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