Warum bin ich hier?. Thomas Ach

Warum bin ich hier? - Thomas Ach


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du darüber denkst, wie du es in deinem Innern verarbeitest. Auf diese Art transportierst du dein eigenes Ich sozusagen nach außen."

      „Kannst du mir den Unterschied zwischen Sein und Denken noch etwas genauer erläutern?“

      „Sehr gerne, aber es wird sicherlich etwas schwierig“, meinte der Geist, und das wunderschöne Licht rückte wieder ein Stückchen näher an mich heran. „Sein ist - Denken tut. Sein ist die erste Ursache und verursacht alles. So wie du bist, so fühlst du dich und so denkst du auch über dich. Andererseits bist du so, wie du über dich denkst. Wie du siehst, entsteht hier ein Kreislauf. Dieser hat seinen Ursprung im Sein, aus dem das Denken hervorgeht. Alles was jemals war, ist und sein wird, existiert im ewigen Moment des Jetzt. Mit deinem Denken verursachst du eine Erfahrung vom Sein, das du zu sein glaubst, ohne dass jedoch deine wirkliche Identität – die reine Energie, das reine Sein - davon berührt wird. Du erschaffst mit deinen Gedanken kein neues Sein, sondern holst dir lediglich etwas von dem, was ist und was immer schon existiert hat. Gedanken sind somit auch Illusionen, die dem, was ist, subjektive Bewertungen und Bedeutungen geben. Das wahre Sein wird durch das Denken nicht beeinflusst, denn das würde eine Veränderung Gottes bedeuten. Gott ist unbewegt und bewegt dennoch alles. Gott ist der unbewegte Beweger.

      Obwohl du das Sein als Ursache von allem ansehen kannst, ist es kein Prozess, durch den etwas geschieht. Es ist eher ein Gewahrseins-Zustand oder ein Bewusstseinszustand, der unmittelbar dann eintritt, wenn du eine Wahl triffst. Das Denken als schöpferischer Akt hingegen ist ein zeitlicher Prozess, durch den dem Sein die Möglichkeit der Erfahrbarkeit eingeräumt wird. Näheres wird dir der Geist der Phantasie erklären, der sich dir noch vorstellen wird, denn das Denken beherbergt ein ungeheures Potential an Phantasie. Doch eins nach dem andern. Nur noch so viel: Denken benötigt Zeit. Wenn du dir in Gedanken ein Wunschbild von dir machst, kann das auch zu dem Gedanken führen, dass du diesem Bild noch gar nicht entsprichst. Verneinungen im Denken können dich in deinem Wachstum hemmen. Sie können Zweifel an der Realisierbarkeit deiner Ziele nähren und damit deren Realisierbarkeit erst verhindern. Sei darum vorsichtig. Denken erschafft häufig Probleme, da das Sein sofort eintritt. Hast du schon einmal ohne ersichtliche Ursache Dankbarkeit empfunden? Warst du schon einmal grundlos glücklich - einfach so?“

      „Ja - mit Sicherheit!“

      „Siehst du! So ist es mit dem Sein. Es ist sofort zur Stelle - ohne Nachdenken! Es wäre also besser, wenn du dich in Zukunft bewusst für einen bestimmten Seinszustand entscheidest, da du auf diesem Wege viel Zeit sparst. Hast du dies verstanden?“

      „Ich glaube schon“, entgegnete ich nachdenklich. „Es wird allerdings sehr schwer umsetzbar sein, da es ein vollständiges Umdenken erfordert.“

      „Psst! Unterlasse dein Denken! Sei einfach!“

      „Mmh. Kannst du mir noch etwas über den Sinn der Religionen sagen?“

      „Oh, das ist ein weites Feld. Zunächst musst du wissen, dass das Wort ‚re-ligio‘ lateinischen Ursprungs ist und Rückverbindung bedeutet. Gemeint ist natürlich die Wiedervereinigung mit Gott. Dies haben alle Religionen gemeinsam. Sie haben die Absicht, den Menschen Gott näher zu bringen. Sie legen ihm Verhaltensweisen bzw. Einstellungen ans Herz, mit denen er besser werden und sich als würdig erweisen kann, in Gottes Reich aufgenommen zu werden. Wie ich allerdings schon erwähnte, wird Gott von vielen frommen Menschen personifiziert und damit auf ein allzu menschliches Maß reduziert.

      Gemäß der christlichen Religion ist Gott ein liebender Gott, gleichzeitig aber auch ein Rachegott, der die Menschen in die Hölle schickt, wenn sie nicht an ihn glauben. Dadurch wird Gott zu einem neurotischen Diktator oder Monarchen, der den Glauben an ihn fordert und seine Untertanen bestraft, wenn sie dem nicht nachkommen. Wie absurd! Die wahre Gottheit ist die Einheit von allem, was ist, und steht jenseits jeder Dualität. Religionen sehen den Menschen oft als von Gott getrennt, doch das ist eine Illusion. Ein Mensch kann sich letztlich das Ausmaß Gottes nicht vorstellen, doch die Gottesreduktionen, die unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit ins Leben gerufen werden, zeugen von einer sehr selektiven Wahrnehmung. Die Menschen unterschätzen, was wahre Macht bedeutet. Gott hat es nicht nötig, dass jemand an ihn glaubt. Der Glaube an Gott ist eine Frage des Erinnerns - Erinnerung an den Ursprung des eigentlichen Seins. Noch einmal: Gott ist in allem, was ist.

      Jede äußere Erscheinung trägt das Wesen der wahren Wirklichkeit in sich. Es gibt letztendlich kein Ausweichen vor der Wahrheit. Gott ist unausweichlich. Das ist die wirkliche Macht. Eine Macht, die nichts zu fordern hat, die einfach nur wirkt und sich in allem erfährt, was ist.

      Die Steigerung des Glaubens an Gott ist das sich Bewusstwerden Gottes. Du spürst dann eine Kraft in dir, die mit deinem Ego nichts zu tun hat. Wenn du nun versuchst, dieses Gefühl auf andere Menschen zu übertragen, wirst du dein Getrenntsein von Gott und den anderen Menschen als Illusion erkennen. Alles ist Eins. Damit ist auch die Frage des Bösen geklärt, das übrigens nicht vom Teufel stammt. Den gibt es nämlich nicht. Er ist eine Erfindung des Menschen und personifiziert das Böse, das aus dem Denken bzw. dem Bewusstsein kommt. Die Hölle, in der angeblich der Teufel herrscht, existiert nicht, sonst gäbe es einen Bereich, in dem Gott keinen Einfluss hat. Merkst du etwas? Auch hier liegt eine Gottesreduktion vor. Im übrigen: Kann es denn wirklich gerecht sein, für menschliche Verbrechen die ewige Hölle zu fordern? Allein der Glaube daran ist – banal ausgedrückt - schon böse. Du siehst, böses Denken und Tun entspringen einem falschen Bewusstsein, das nicht auf einem einheitlichen, auf Gott ausgerichteten Denken beruht. Aber Gut und Böse sind im Grunde genommen philosophische Polaritäten, die dem irdischen Zeitgeist unterworfen sind und in euren Gesellschaften nicht einmal eine gleichbleibende Definition erfahren. Dagegen sind Liebe und Mitmenschlichkeit Konstanten im Bedürfnis aller Menschen, in der psychischen Sensibilität. Das ist es, was zählt! Der Geist des Egos, der nach mir folgt, wird dir erläutern, was diese Grundbedürfnisse überdeckt.

      Doch stellen wir uns zum Schluss folgende Frage: Was muss ein Mensch verinnerlichen, um weise zu sein? Wodurch zeichnet sich das Alltagsbewusstsein eines so genannten Weisen aus?

      Der Weise denkt, fühlt und lebt stets im Bewusstsein des Ganzen. Er weiß, dass er nicht von dieser Welt ist, dass er aber mit ihr verbunden ist, und er handelt im kosmischen Bewusstsein, das die Welt mit einbezieht. Das individuelle Bewusstsein ist somit untrennbar mit dem Ganzen verknüpft und ist kraft der unendlichen schöpferischen Mannigfaltigkeit dennoch frei.

      Ein Weiser will nichts, was er nicht hat, sondern verlangt nach dem, was er bereits hat. Er weiß, dass bereits alles da ist und er zu gegebener Zeit einzelne Aspekte des immer vorhandenen Ganzen erfährt.

      Ein Weiser setzt sich nicht mit seinem Ego gleich. Er weiß, dass er Bewusstsein ist, das sich nicht auf das Ego beschränkt und das sich des Egos bedient, wenn es intensivere individuelle Erfahrungen machen möchte.

      Ein Weiser kennt den eigenen Anteil an seinen Erfahrungen in seiner gegenwärtigen Realität. Er weiß, dass er auf den verschiedenen Bewusstseinsebenen die Aspekte seiner gegenwärtigen Erfahrungen erschafft, auch wenn ihm nicht immer bewusst sein muss, auf welcher Ebene er was erschaffen hat. Der Weise vertraut dem Ganzen. Dieses Vertrauen ist Ausdruck der höchsten Ehrerbietung für Gott. Das Bewusstsein gliedert sich in das Unterbewusstsein, das ‚normale‘ Alltagsbewusstsein und das Überbewusstsein – die Seele. Nur ein so genannter Erleuchteter ist sich aller drei Ebenen gleichzeitig bewusst. Oder er hat sie gar überschritten - transzendiert - und findet sich im Zustand der Vollendung wieder, den kein Mensch beschreiben kann.

      Der Weise hegt Absichten und haftet nicht an den Resultaten. Er tut, was er für richtig hält, erwartet aber kein bestimmtes Ergebnis und erfährt somit volle innere Freiheit. Er urteilt nicht vorschnell und versucht, mit hintergründigen Fragen an das Leben die Geschehnisse zu verstehen, was nicht immer auch bedeutet, dass er diese bejaht.

      Der Weise erkennt die Kraft Gottes als die Kraft zur Selbstüberschreitung, die er bei sich selbst erfahren durfte. Ein anderer Name für diese Kraft ist Liebe. Sie ist nicht nur der Bauplan, der allem Lebendigen zu Grunde liegt, sondern auch die Dynamik, die zu Erlösung und Heilung führt. Die Tendenz, sich in der Sorge um das eigene Wohl dem anderen zu verschließen, entspringt letztendlich dem Egoismus. Der Weise hat dies durchschaut und erfährt


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