Gewürze aus dem Alten Rom. Günther Thüry
nicht übertrieben dar, wenn er formuliert: „Fleisch sagt an sich nie zu. Vielmehr wird es mit einem gewissen Raffinement geschmacklich verändert und erst so dem abgeneigten Magen angenehm gemacht“ (Petron 141, 6). Entsprechend lautet der letzte Wille, den das Schweinchen Corocotta in der spätantiken Scherzschrift Das Testament des Spanferkels äußert: „Ich bitte Euch darum, dass Ihr mit meinem Körper gut umgeht: dass Ihr ihn einbalsamiert mit guten Gewürzen, mit Pinienkernen, Pfeffer und Honig, damit mein Name nie in Vergessenheit gerät“ (Testamentum porcelli, p. 269 Bücheler).
Was hier als makabre Parodie auf den Nachruhm-Gedanken auftritt, macht zugleich drastisch deutlich, wie wichtig die Würzstoffe waren: als Gestaltungsmittel der Küchenkunst und als ein Requisit des Genießens und der Lebensfreude. Dieser zweite Punkt dürfte auch für die große Zahl antiker Personennamen verantwortlich sein, die von Gewürzbezeichnungen abgeleitet sind – wie zum Beispiel Anisatus („der Anisartige“), Cinnamis („die Zimtartige“) oder Myrtis („die Myrtengleiche“).
Dass aber die kulinarische Romanisierung die spezielle Eigenart des römischen Umgangs mit den Würzstoffen bis in die nördlichen Provinzen getragen hat, zeigt die Verbreitung bestimmter Olivenkonserven (Abb. 14). Die Pinselaufschriften auf den Keramikbehältern, in denen sie auch dorthin verschickt wurden, nennen sie oliva ex dulci oder oliva ex defruto; d. h. etwa so viel wie „gesüßte Olive“. Die Formulierung bedeutet, dass die Früchte vor dem Versand eine Zeit lang süß bzw. in einem süßen Mostkonzentrat eingelegt wurden. Auch die römischen Landwirtschaftsschriftsteller haben uns diese geschmacksverändernd-süße Konservierungsart der bitteren Früchte beschrieben.32
Abb. 14 Hälse von Amphoren, die nach der aufgemalten Inhaltsbezeichnung gesüßte schwarze Oliven enthielten. Funde aus Ovilavis-Wels (Oberösterreich). Stadtmuseum Wels.
Tab. 1 Die Würzstoffe des sogenannten Apiciuskochbuchs und der Exzerpte des Vinidarius; nach der Häufigkeit ihres Vorkommens in den Texten geordnet. Statistische Angaben nach Urbán 1995
Lauf. Nr. | Antik-lateinische Namen der Würzstoffe (mit vulgärsprachlichen Nebenformen); deutsche Bedeutung | Zahl der Erwähnungen in den Texten |
1 | piper = Pfeffer (einschl. der Wortbelege für piperatum = Pfeffersauce; piperium = Pfefferwein?; piperatus = gepfeffert) | 482 |
2 | garum; liquamen; muria: Salzprodukte (einschl. garum/liquamen mit Essig-, Öl-, Wasser- und Weinzusatz und von garum/liquamen abgeleiteter Adjektive) | 468 |
3 | merum; passum; vinum = Wein (einschl. weinhaltiger Mischprodukte; enococtus/inococtus/inocuctus/oenococtus = mit W. gekocht. – Zugleich Getränk) | 345 |
4 | oleum = Öl (zugleich Speisefett) | 338 |
5 | mel = Honig (einschl. der Mischprodukte mit Wasser und Wein) | 239 |
6 | acetum = Essig | 187 |
7 | legisticum/ligisticum/ligusticum = Liebstöckel? | 184 |
8 | ciminum/cuminum = Kreuzkümmel (einschl. ciminatum/cuminatum = Kreuzkümmelsauce) | 124 |
9 | coliandrum/coriandrum = Koriander (einschl. coriandratum = Koriandersauce; coriandratus = mit K. gewürzt) | 107 |
10 | ruda/ruta = Raute | 101 |
11 | lasar/laser; silfi/silfium/silpium = Asafötida und ähnl. Gewürz (einschl. der Sauce laseratum und des Adjektivs lasaratus/laseratus) | 96 |
12 | cepa/cepul(l)a/ciba/cipa = Zwiebel | 92 |
13 | sal = Salz (einschl. Pökelsalz; salsum = Salzkonserve; salsus = gesalzen) | 90 |
14 | menta = Minze | 76 |
15 | corona bubula; origanum = Oregano (Gemeiner Dost) | 75 |
16 | apius = Sellerie (zugleich Gemüse) | 72 |
17 | passum = Rosinenwein | 71 |
18 | nuclei (pinei) = Pinienkerne | 68 |
19 | porrus = Porree (zugleich Gemüse) | 68 |
20 | careotae/cariotae = (?) da(c)tili = Datteln (bzw. Dattelsirup oder Dattelwein?) | 64 |
21 | defretum/defrictum/defritum: ein Mostsüßstoff | 57 |
22 | anetum = Dill (einschl. anetatus = mit D. gewürzt) | 42 |
23 | carenum/carinum/caroenum = ein Mostsüßstoff | 42 |
24 | senape/senapi/sinape/sinapi = Senf (zugleich Gemüse) | 39 |
25 | serpillum; thymum/tim(m)um/tym(m)um = Thymian | 35 |
26 | careum = Echter Kümmel | 33 |
27 | enogarum/inogarum/oenogarum = garum (s. o. Nr. 2) mit Wein (einschl. des Adjektivs oenogaratus) | 33 |
28 | petroselinum/petrosilenum = Petersilie | 33 |
29 | sature(g)ia = Bohnenkraut | 33 |
30 | laurus = Lorbeer (einschl. laureatus = mit L. gewürzt) | 26 |
31 | ubae/uvae passae = Rosinen | 22 |
32 | calvae; nuces; Ponticae = Nüsse | 19 |
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