365 Schicksalstage. Johannes Sachslehner

365 Schicksalstage - Johannes Sachslehner


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absolviert hat, zu wenig: Er beschließt, sich freiwillig zur Wehrmacht zu melden, um auch hier politisch tätig werden zu können. Unmittelbar nach seiner Einberufung am 18. Oktober 1940 beginnt er mit dem Verfassen und Verteilen regimekritischer Flugzettel; der Widerstandsgruppe gehören neben ihm noch Karl Drews, Josef Neuhold, Franz Weiß und andere an. Man nimmt sich kein Blatt vor den Mund – in einem Flugblatt, das die Euthanasie anprangert, heißt es: „Vielleicht wird auch euer Hitler, den ihr vor März 1938 in Vorausahnung schon auf die Außenseite der Feldhofmauer gemalt habt, in Steinhof, aber innerhalb der Mauer landen. (…) Kein anständiger Mensch kann mehr in dieser Partei bleiben, die kaltblütig und überlegt kranke und alte Leute mordet.“

      Am 7. Februar 1941 wird Herbert Eichholzer verhaftet; am 9. September 1942 verurteilt man ihn wie Drews, Neuhold und Weiß wegen „Hochverrat“ zum Tode. Ein Gnadengesuch wird abgelehnt, das Urteil am 7. Januar 1943 im Wiener Landesgericht vollstreckt.

      Seit 1992 wird von der Stadt Graz und der Technischen Universität Graz alle zwei Jahre der „Herbert-Eichholzer-Förderungspreis“ vergeben, der an die „verantwortungsbewusste Auseinandersetzung des Architekten mit den Strömungen seiner Zeit“ erinnern und diese fortführen soll.

       Der Tod des heiligen Severin

      Im Kloster von Favianis, dem heutigen Mautern an der Donau, bereitet sich Severin von Noricum auf den Tod vor. Es ist Mitternacht, als der Heilige, der seit drei Tagen einen leichten Schmerz in der Seite spürt, seine Brüder zu sich kommen lässt. Er sagt ihnen nochmals, was mit seinem Leichnam zu geschehen habe, und wendet sich dann mit „eindringlichen und wunderbaren Worten“ an sie, anschließend tauscht er mit jedem einzelnen der Mönche einen Kuss und empfängt das heilige Abendmahl. Severin bittet sie, nicht um ihn zu weinen, dann „machte er mit ausggestreckter Hand über seinen ganzen Körper das Kreuzeszeichen und forderte sie auf, einen Psalm zu singen. Als sie vor übermäßiger Trauer zögerten, stimmte er selbst den Psalm an und sang:, Lobet den Herrn in seinen Heiligtümern … alles, was atmet, lobe den Herrn‘“ – mit diesem Vers auf den Lippen stirbt der Heilige.

      Seine Mitbrüder tun, wie ihnen geheißen worden ist. Nach der Beisetzung fertigen sie einen hölzernen Sarg an, in dem die sterblichen Überreste Severins bei der Übersiedlung des Konvents nach dem Süden, die er vorausgesagt hat, mitgenommen werden sollen. Als 488, sechs Jahre später, auf Befehl des Skiren Odoaker der Abzug der romanischen Bevölkerung aus dem Land an der Donau Wirklichkeit wird und die Prophezeiung sich erfüllt, öffnen sie das Grab und finden den „ganzen Körper vollkommen erhalten“ vor.

       Der Leichnam Severins wird von der 488 aus Ufernoricum abziehenden Bevölkerung mit in die neue Heimat genommen.

      Mit dem Tod des heiligen Severin, dessen Sterben uns in der Vita Sancti Severini des Eugippius überliefert ist, neigt sich die Herrschaft Westroms in Noricum dem Ende zu. Eindringlich zeigt die Schrift des Eugippius, der die Entfernung der Provinzialbevölkerung als Mitglied des Klosters von Favianis selbst miterlebt, wie Severin, ein Mann vornehmer italienischer Abstammung, allein durch seine Autorität als Seelsorger, durch sein diplomatisches Geschick im Umgang mit den Germanenfürsten und durch seine soziale Fürsorge über knapp drei Jahrzehnte hinweg – er kommt 453 nach dem Tod des Hunnenkönigs Attila an die Donaugrenze – das Schicksal der Provinz bestimmt, auch über den Untergang des Reiches 476 hinaus.

      Die Gebeine des heiligen Severin von Noricum ruhen seit 1807 in der Pfarrkirche von Frattamaggiore nördlich von Neapel.

       Die Hinrichtung Walter Caldonazzis

      Er ist der Erste, der aus der Widerstandsgruppe um Kaplan Heinrich Maier (siehe 22. März) und Semperit-Generaldirektor Franz Josef Messner (siehe 23. April) der Gestapo in die Hände fällt: Am 25. Februar 1944 wird der 1916 in Mals in Südtirol geborene und in Kramsach aufgewachsene Forstingenieur Walter Caldonazzi in Wien verhaftet. Die „Selbständigmachung Österreichs zum Schaden des Deutschen Reiches“ wird man ihm in der Anklageschrift vorwerfen, gemeint sind damit das Verteilen von Flugblättern und die Besorgung von fiebererregenden Medikamenten für Wehrpflichtige, die dem Dienst für „Führer“ und Vaterland entkommen wollen. Vor allem aber geht es den Gestapobeamten darum, in den Verhören mit ihm mehr über Arbeitsweise und Kontaktpersonen der Gruppe zu erfahren, bereitet man doch den entscheidenden Schlag gegen Maier und Messner vor.

       1184 Hinrichtungen in der NS-Zeit: der Gedenkraum im Wiener Landesgericht.

      Am 28. Oktober 1944 wird Walter Caldonazzi gemeinsam mit seinen Mitstreitern zum Tode verurteilt und wartet von nun an in der Zelle E44 auf die Hinrichtung. Am 1. Januar 1945 schreibt er an seine Familie und seine Braut Hedi Kapeller: „Meine Tage und Stunden sind bereits gezählt, wisset, daß ich mein Leben gerne für die Heimat hingebe, obwohl mich der Gedanke an meine Hedi und Hertha so manche bittere Träne kostete. Ihr wißt, ich war immer ein Gegner des Krieges, immer ein Feind des geistlosen preußischen Militarismus. Macht mir keine Vorwürfe, bitte, mir war dieser scheußliche Tod vorgezeichnet, ich trage mein Los voll treu ergeben als treuer Christ. Eine Freude hätte ich, das heißt Bitte: Bringt mir am schönsten Platz der Welt, wie es mir schien, am Almkranz auf der Praa-Alm ein Marterl an, mit der Bitte um Gebet und den Worten, O Land Tirol, mein einzig Glück, dir sei geweiht mein letzter Blick!‘“

      Walter Caldonazzi, der „unentwegte Österreicher“ und engagierte Burschenschafter – er ist seit seiner Gymnasialzeit bei der Kufsteiner MKV-Verbindung „Cimbria“ und seit 1937 Mitglied der Wiener „Amelungia“ –, der für die Monarchie als Staatsform wirbt, ist ein tief religiöser Mensch und tritt mit dem Ruf „Es lebe Christus der König!“ den Weg zum Schafott an; er stirbt um 18.04 Uhr.

      Gedenktafeln in Kufstein und Kramsach sowie auf der Praa-Alm und der Walter-Caldonazzi-Platz in Wien-Hietzing, auf dem 2008 ein Gedenkstein enthüllt wird, erinnern an den Tiroler Widerstandskämpfer.

       Die Anarchistenmorde

      Am Abend des 10. Januar 1884 geht die Nachricht wie ein Lauffeuer durch Wien: Im „Apothekerhaus“ in der Mariahilfer Straße 55 sei der Wechselstubenbesitzer Heinrich Eisert überfallen und durch einen Axthieb gegen den Kopf schwer verwundet und verstümmelt worden; sein elfjähriger Sohn Rudolf sei getötet, der neunjährige Heinrich ebenfalls schwer verletzt worden, die 65-jährige Caroline Baier, die Französischlehrerin der beiden Kinder, habe ebenfalls eine Verwundung erlitten; ein großer Teil der Wertgegenstände in der Wechselstube sei verschwunden.

      Anton Kammerer versucht, sich bei seiner Verhaftung den Weg freizuschießen.

      Die Täter, so kann man bereits am nächsten Morgen in den Blättern der Hauptstadt lesen, seien zwei Männer gewesen, einer davon groß und schlank „mit schwarzem Haar und ebensolchem Backenbart“; das „grauenvolle Verbrechen“, so erkennen die Ermittler der Polizei schnell, trägt die Handschrift der beiden „Anarchisten“ Anton Kammerer und Hermann Stellmacher, die wenig später wieder töten: Am 25. Januar 1884 wird der Polizeiagent Ferdinand Blöch auf offener Straße erschossen; Heinrich Eisert erliegt am 22. Januar seiner schweren Verletzung, Sohn Heinrich stirbt vier Tage später. Bereits am 15. Dezember 1883 hatten Kammerer und Stellmacher in Floridsdorf den Polizeibeamten Franz Hlubek erschossen. Nach den Morden tauchen jeweils Flugblätter auf, in denen den „Ordnungskanaillen vom Schottenring“ der „Kampf mit allen Mitteln“ angesagt wird – Wasser auf die Mühle der Regierung Taaffe, die nun glaubt, scharf gegen die radikalen Exponenten der Arbeiterbewegung vorgehen zu können: Am 30. Januar 1884 verhängt


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