Drogen und soziale Praxis - Teil 2: Das Drogenthema und wie es in Berufsfeldern der sozialen Arbeit auftaucht. Gundula Barsch

Drogen und soziale Praxis - Teil 2: Das Drogenthema und wie es in Berufsfeldern der sozialen Arbeit auftaucht - Gundula Barsch


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die Gefahr eines regelmäßig zu hohen Alkoholkonsums in Schädigungen, die an diversen Organen und in verschiedenen Bereichen des Nervensystems auftreten. Ein verbreiteter Irrtum ist, dass allein die Leber, als unser wichtigstes Entgiftungsorgan, durch Alkoholkonsum belastet wird. Richtig ist, dass der Alkohol mit dem Blut durch den Körper zirkuliert und durch seine Wasser-und Fettlöslichkeit selbst die Blut-Hirnschranke überwindet. Er gelangt also in jede Körperzelle und kann diese schädigen.

      Die durch regelmäßigen Alkoholkonsum verursachten Folgekrankheiten variieren in Abhängigkeit von individueller Anfälligkeit. Letztlich sind je nach Neigung mehr oder weniger schnell ganze Organe und Organsysteme von den negativen Auswirkungen zu hohen Alkoholkonsums betroffen. Dies erklärt, warum Krankheiten, die auf regelmäßig zu hohen Alkoholkonsum zurückgeführt werden müssen, quasi an allen Organen und in allen Bereichen des Nervensystems gefunden werden können (vgl. Abbildung). Sie reichen von Veränderungen der Haut, über Störungen des Magen-Darm-Traktes, der Milz und Bauchspeicheldrüse bis hin zu Schädigungen des Nervensystems, die sich insbesondere an den Extremitäten und in deutlichen Einschränkungen der Hirnleistungen bemerkbar machen können. Auch für einen bedeutenden Teil der Krebserkrankungen im Mund- und Rachenraum, an der Speiseröhre, am Magen, Darm sowie an Leber und Bauchspeicheldrüse werden Alkoholfolgekrankheiten verantwortlich gemacht.

       Merkenswert: Alkoholfolgekrankheiten können ernstzunehmende gesundheitliche Folgen verursachen, die bis zu letalen Erkrankungen reichen und sowohl die Lebensqualität (z. B. bei Gelenkserkrankungen) als auch die Lebenserwartung einschränken.

       Alkoholfolgekrankheiten: Schwer als solche auszumachen

      Eine Besonderheit der Alkoholfolgeerkrankungen ist, dass sie sich relativ unspezifisch bemerkbar machen. Die auftretenden Symptome können in der Regel auf sehr unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden. Deshalb wird nicht unbedingt zuerst an einen regelmäßig zu hohen Alkoholkonsum als Auslöser der jeweiligen Störung gedacht. Wenn auch der Volksmund oft über die Belastungen der Leber durch starken Alkoholkonsum witzelt, lassen sich selbst auffällige Leberbefunde durch andere Erkrankungen ebenfalls erklären. Wenn also nicht andere Anzeichen des Patienten (z. B. eine regelmäßige Alkoholfahne) unübersehbar auf diese Vermutung verweisen, geht die medizinische Klärung in der Regel zunächst anderen möglichen Ursachen nach.

      Abbildung: Alkoholfolgekrankheiten (Winter, Stoiber, Engel 1987, S. 36)

      Oft unerkannt: Ursache Alkohol

      Für fast alle Alkoholfolgekrankheiten gilt, dass sie sich hinter vielen Krankheitsbildern verstecken können. Unter Mediziner werden sie deshalb auch als die „Affen unter den Krankheiten“ bezeichnet. Angedeutet wird damit, dass die tatsächlich ursächlichen Bezüge kaum zu ermittelt sind, wenn nicht gleichzeitig das Trinkverhalten der Patienten mit in den Blick genommen wird. Darauf verzichten aber viele Mediziner. Nicht nur, weil die pro Patient zur Verfügung stehende Zeit dafür nicht ausreicht und/oder entsprechende Leistungen nicht honoriert werden. Oft ist es den Ärzten auch unangenehm, den Alkoholkonsum ihrer Patienten anzusprechen und sich dazu kritisch zu äußern. Die Angst vor einem Vertrauensverlust, aber auch das Risiko, dass sich dieser Patient zukünftig von einem anderen ärztlichen Kollegen behandeln lassen könnte, verhindern oft ein couragiertes Handeln. Und dies selbst dann, wenn verschiedene Zeichen unmissverständlich auf eine Alkoholfolgekrankheit weisen.

       Merkenswert: Die ätiologische Unklarheit der Beschwerden sorgt dafür, dass Alkoholfolgekrankheiten in der Regel nicht zweifelsfrei als solche erkannt werden können. Um regelmäßig zu hohen Alkoholkonsum als Ursache der Störung/Erkrankungen feststellen zu können, ist immer auch das Trinkverhalten des Betroffenen in den Blick zu nehmen. Die Tatsache, dass damit oft Tabugrenzen tangiert werden, erklärt, weshalb Prävention und Behandlung von Alkoholfolgekrankheiten Herausforderungen sind.

       Zu hohe Trinkmengen sind weit verbreitet, aber kaum erkannt

      Riskant hoher Alkoholkonsum ist mit unserer Trinkkultur durchaus vereinbar. In unserer Gesellschaft ist der Konsum von Alkohol in so viele Aktivitäten und Anlässe eingebunden, dass in der Regel weder vom Konsumenten selbst noch vom sozialen Umfeld wahrgenommen wird, dass die täglich getrunkenen Mengen ein problematisches Maß haben.

      Zwar unterscheiden sich in den sozialen Schichten, Gruppen und kulturellen Milieus die Anlässe und Gelegenheiten, bei denen mehr oder weniger stark Alkohol getrunken wird. Aber allen Bevölkerungsgruppen ist gemeinsam, dass kaum jemand Anstoß an der Alltäglichkeit des Trinkens nimmt, so dass sich sozial völlig unauffällig, oft sogar getrieben durch einen sozial mehr oder weniger stark formulierten Trinkzwang Alkoholmengen summieren, die mit einem erheblichen Risiko für das Entstehen einer Alkoholfolgekrankheit einher gehen.

       Merkenswert: In unserer Gesellschaft ist das Trinken von Alkohol unreflektiert und selbstverständlich in viele Lebensbereiche und Aktivitäten eingeordnet. Oftmals unbemerkt summieren sich die täglich getrunkenen alkoholischen Getränke zu einer Alkoholmenge, die ein unproblematisches Maß weit überschreitet.

      Diese Besonderheit unserer Trinkkultur sorgt dafür, dass das Risiko einer Alkoholfolgekrankheit weit und in allen sozialen Gruppen, Schichten und kulturellen Milieus gleichermaßen stark verbreitet ist.

       1.2Die Rolle von Sozialer Arbeit bei der Prävention und Behandlung von Alkoholfolgekrankheiten

      Wenig Wissen zu Folgekrankheiten

      Das Wissen über Alkoholfolgeerkrankungen und Möglichkeiten, diese zu verhindern, ist in der Bevölkerung vergleichsweise wenig verbreitet. Insofern stehen neben Ärzten, Pflegediensten und medizinischem Personal auch Sozialarbeiter in der Verantwortung, in ihren Arbeitsfeldern für Alkoholfolgekrankheiten zu sensibilisieren und ihre Klienten zu einem Risikomanagement beim Umgang mit Alkohol zu befähigen.

      Die Berufsgruppe der Sozialarbeiter ist dafür auf besondere Weise prädestiniert: Sie entwickelt in Zuge einer oft langandauernden Beratungs- und Betreuungstätigkeit einen sehr persönlichen, vertrauensvollen Kontakt zu ihren Klienten und gewinnt dabei auch detaillierte Einblicke in deren persönliche Lebensgewohnheiten. Sozialarbeiter erfahren deshalb oft auch aus erster Hand etwas über Trinkgewohnheiten, können sich einen Überblick über regelmäßig konsumierte Trinkmengen verschaffen und aus diesen Positionen heraus am ehesten Zusammenhänge zwischen dem Alkoholkonsum und gesundheitlichen Beschwerden herstellen.

       Merkenswert: Wie kaum eine andere Berufsgruppe verfügen Sozialarbeiter über Möglichkeiten, sich in Bezug auf die Prävention von Alkoholfolgekrankheiten zu engagieren:

       Sie können erstens durch eine frühzeitige Intervention die Entwicklung von Alkoholfolgekrankheiten ausbremsen.

       Zweitens kann Soziale Arbeit durch ein gezieltes Hinlenken in ärztliche Betreuung dazu motivieren, bereits bestehende Alkoholfolgekrankheiten einer sachgerechten Behandlung zuzuführen.

       Soziale Arbeit sollte schließlich drittens bei unklaren Beschwerden an eine möglicherweise alkoholbedingte Verursachung denken und an einer Aufklärung der tatsächlichen Gründe der Symptome mitwirken.

      Es sind also drei sehr verschiedene Bereiche, in denen Soziale Arbeit einen Beitrag leisten kann, zusammen mit den Klienten Gesundungsprozesse schnell und zielsicher in Gang zu setzen.

       1.2.1Voraussetzungen für professionelles sozialarbeiterisches Handel: Eigene Klärungsprozesse

      Die Mitwirkung an der Prävention und Behandlung von Alkoholfolgeerkrankungen setzt allerdings voraus, dass sich jeder Sozialarbeiter klare Positionen erarbeitet, wie er sich zum Thema „Alkoholfolgekrankheiten“ verhalten will. Dieser individuelle Klärungsprozess ist oft schwerer


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