Kalewala. Lönnrot Elias
die Späne in den Fluthen,
Sammelt sie in ihren Ranzen,
Trägt im Ranzen sie nach Hause,
Nach dem Hof im langberiemten,
Daß der Zaubrer daraus Pfeile,
Waffen sich der Schütze schaffe.
Als die Eiche nun gefället,
Als gebeugt der stolze Baumstamm,
Konnt’ die Sonne wieder scheinen,
Konnt’ das liebe Mondlicht leuchten,
Weit die Wolken sich verbreiten,
Wölben sich des Himmels Bogen
Auf der nebelreichen Spitze,
Auf des Eilands wald’gen Ufern.
Schön erhoben sich die Haine,
Ganz nach Wunsche wuchsen Wälder,
Baumesblätter, Erdenkräuter,
Vögel sangen in den Bäumen,
Lustig lärmten heitre Drosseln
Und der Kuckuck ließ sich hören.
Beeren wuchsen aus dem Boden,
Goldne Blumen auf den Fluren,
Kräuter mancher Art entstanden
Und Gewächse jeder Weise;
Nur die Gerste wollte noch nicht,
Nicht die schöne Saat gedeihen.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Gehet hin und überleget
An dem Strand des blauen Meeres,
An des mächt’gen Wassers Rande;
Fand daselbst der Körner sechse,
Sieben schöne Samenkörner
An dem Strand des großen Meeres,
In dem lockern, sand’gen Lande,
Barg sie in dem Marderfelle,
In des Sommereichhorns Beinhaut.
Ging den Boden zu besäen,
Ging den Samen auszustreuen
An den Rand des Kalewbrunnens
An den Saum des Osmofeldes.
Sieh, da lärmt vom Baum die Meise:
„Nicht gedeihet Osmo’s Gerste,
Nicht der Hafer von Kalewa,
Wird der Boden nicht bereitet,
Wird die Waldung nicht gelichtet,
Nicht mit Feuer gut gesenget.“
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Ließ ein scharfes Beil sich machen,
Fing die Waldung an zu fällen
Und den Hain mit Kraft zu schwenden,
Fällte Baume aller Weise,
Ließ nur eine Birke stehen
Als ein Ruheplatz den Vögeln,
Wo der Kuckuck rufen könnte.
Her vom Himmel kam ein Adler,
Kam geflogen durch die Lüfte,
Kam die Sache anzuschauen:
„Weshalb ward denn so gelassen
Diese Birke unbeschadet,
Nicht der schlanke Baum gefället?“
Wäinämöinen gab zur Antwort:
„Deshalb ward sie so gelassen,
Daß die Vögel auf ihr ruhten,
Daß des Himmels Aar hier säße.“
Sprach der Aar, des Himmels Vogel:
„Gut gewiß ist deine Sorge,
Daß die Birke du gelassen,
Daß der schlanke Baum geblieben
Als ein Ruheplatz den Vögeln,
Daß ich selber hieselbst sitze.“
Feuer schlug der Lüfte Vogel
Und verbreitet rasch die Flamme,
Bald versengt den Busch der Nordwind,
Nordost setzte ihn in Asche,
Brannte alle Bäume nieder,
Bis in Staub sie ganz zergingen.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Holt hervor der Körner sechse,
Holt die sieben Samenkörner
Aus dem Mardersack behende,
Aus der Haut des Sommereichhorns,
Aus dem Sommerfell des Iltis.
Ging sodann das Land besäen,
Ging den Samen auszustreuen,
Redet selber diese Worte:
„Werfe jetzo diesen Samen
Durch des Schöpfers Fingerspalten,
Mit der Hand des Machterfüllten
Hin auf dieses Land zu wachsen,
Aus dem Boden hier zu sprossen.“
„Alte, die du unten weilest,
Erdenmutter, Flurengöttin,
Bring’ den Rasen nun zum Drängen,
Bring’ die Erde du zum Treiben;
Nimmer wird die Kraft der Erde,
Nimmer ihre Macht je fehlen,
Wenn die Geberinnen Gnade,
Huld der Schöpfung Töchter leihen.“
„Steig, o Erde, auf vom Schlafe,
Von dem Schlummer, Land des Schöpfers,
Laß die Halme sich erheben,
Laß die Stengel auf sich richten
Tausend Ähren auferstehen,
Hundertfach sie sich verbreiten
Durch mein Ackern, durch mein Säen,
Da ich also mich bemühe!“
„Ukko, du, o Gott dort oben,
Du, o Vater in dem Himmel,
Der du in den Wolken waltest
Und die Wölklein alle lenkest!
Halte Rath du in der Wolke,
Guten Rath du in den Lüften,
Schick’ aus Osten eine Wolke,
Laß aus Nordost sie erscheinen,
Sende andre her von Westen,
Schneller welche aus dem Süden,
Sende Regen von dem Himmel,
Laß die Wolken Honig träüfeln,
Daß die Ähren sich erheben,
Daß die Saaten munter rauschen.“
Ukko, er, der Gott dort oben,
Er, der Vater in dem Himmel,
Hielt nun Rath im Wolkenraume,
Guten Rath im Raum der Lüfte,
Schickt’ von Osten eine Wolke,
Ließ in Nordwest eine steigen,
Sandte eine aus dem Westen,
Früher eine aus dem Süden,
Fügt die Säume an einander,
Stößt die Seiten rasch zusammen,
Sendet Regen von dem Himmel,
Tröpfelt