Kalewala. Lönnrot Elias
Und verleihet ihnen Schärfe
In dem schwarzen Saft der Schlange,
In dem Blute gift’ger Nattern.
Fertig hatte er die Pfeile,
Wohl bespannet seinen Bogen,
Wartete auf Wäinämöinen,
Daß den Wogenfreund er fasse,
Spähet Morgens, spähet Abends,
Spähet selbst zur Mittagsstunde.
Wartet lang’ auf Wäinämöinen,
Wartet lange, wird nicht müde,
Sitzet fleißig an dem Fenster,
Wachet an des Zaunes Ecke,
Horchet an des Weges Ende,
Spähet an dem Ackersaume,
Auf dem Rücken hängt der Köcher,
In dem Arm der schöne Bogen.
Spähet dann noch weiter draußen,
Drüben an dem andern Hause,
An der Feuerspitze Ende,
An der langen Landzung’ Biegung,
Dicht am Wasserfall voll Feuer,
An des heil’gen Stromes Strudel.
Einst an einem Tage endlich
Warf er um die Morgenstunde
Gegen Nordwest seine Blicke,
Wandte seinen Kopf zur Sonne,
Sah was Schwarzes auf dem Meere,
Auf den Fluthen etwas Blaues:
„Ist das ein Gewölk im Osten,
Ist es etwa Morgendämmrung?“
Nicht war es Gewölk im Osten,
Keineswegs die Morgendämmrung,
Wäinämöinen war’s der alte,
Dieser ew’ge Zaubersänger,
Zog dort seinen Weg zum Nordland,
Ritt drauf los zum Düsterlande,
Auf dem Roß, dem strohhalmleichten,
Auf dem erbsenstengelgleichen.
Hastig faßte Joukahainen,
Dieser schwache Lappenjüngling,
Seinen Bogen voller Feuer,
Wendete den wunderschönen
Zum Verderben Wäinämöinen’s,
Um den Wogenfreund zu tödten.
Vorher fragte ihn die Mutter,
Forscht ihn aus die greise Alte:
„Gegen wen schufst du den Bogen
Und beschlugst du ihn mit Eisen?“
Joukahainen gab zur Antwort,
Redet Worte solcher Weise:
„Schuf den Bogen gegen diesen,
Hab’ mit Eisen ihn beschlagen
Zum Verderben Wäinämöinen’s,
Um den Wogenfreund zu tödten,
Wäinämöinen will ich treffen,
Ihn, den ew’gen Zaubersänger,
Durch das Herz und durch die Leber,
Durch das Schulterfleisch ihm schießen.“
Sie verbietet ihm zu schießen,
Nicht erlaubte es die Mutter:
„Schieße nicht auf Wäinämöinen,
Auf den Heldensohn Kalewa’s,
Wäinö ist von großem Stamme,
Meiner Schwester Sohn, mein Neffe.“
„Tödtest du den Wäinämöinen,
Ihn, den Helden von Kalewa,
Dann ach! schwindet alle Freude,
Schwindet der Gesang von hinnen,
Besser ist die Freud’ auf Erden,
Schöner der Gesang hier oben,
Als in Unterweltsgefilden,
In des Todtenreiches Stuben.“
Doch der junge Joukahainen
Dachte nach ein kleines Bißchen,
Hielt zurück sich nur ein wenig;
Trieb die eine Hand zum Schießen,
Schien die andre es zu hindern,
An die Sehne dringt der Finger.
Redet endlich noch die Worte,
Läßt sich selber also hören:
„Möge immerhin verschwinden
Alle Freude von der Erde,
Mögen alle Lieder schwinden,
Schießen werd’ ich, nichts beachtend.“
Spannte seinen Feuerbogen,
Stützt die kupferreiche Waffe
Auf dem linken seiner Kniee,
Stemmt den rechten seiner Füße,
Nimmt den Pfeil dann aus dem Köcher,
Holt hervor den federreichen,
Wählte wohl den allergradsten,
Mit dem allerbesten Schafte,
Diesen that er auf den Bogen,
Fügt’ er an die Flachsessehne.
Richtet dann den Feuerbogen
An der rechten seiner Schultern,
Stellt sich hin um loszuschießen
Auf den alten Wäinämöinen,
Redet selber diese Worte:
„Geh nun los, du Birkenspitze,
Strecke dich, du Tannenrücken,
Gleite ab, du Flachsessehne;
Wenn die Hand zu niedrig zielet,
Mag der Pfeil sich höher richten,
Zielt die Hand zu sehr nach oben,
Mag der Pfeil nach unten gehen!“
Rasch bewegt er nun den Drücker,
Schoß den ersten Pfeil behende,
Viel zu hoch enteilet dieser,
Über seinen Kopf zum Himmel,
Daß die Wolken schier zerbersten,
Er die Lämmerwolken sprenget.
Schoß dann weiter unbekümmert,
Schoß den zweiten seiner Pfeile,
Viel zu niedrig eilte dieser,
Tief hinein in unsre Erde,
Wollt’ zur Unterwelt selbst dringen,
Um den Sandberg zu zerspalten.
Grade schoß er ab den dritten,
Grade ging der Pfeile dritter
In die Milz des blauen Elenns,
Traf des alten Wäinämöinen’s
Roß mit strohhalmleichtem Körper,
Traf das erbsenstengelgleiche
Durch das Fleisch, am Kummet-Knochen
Durch die linke seiner Schultern.
Darauf stürzte Wäinämöinen
Rasch ins Naß mit seinen Fingern,
Mit den Händen in die Wogen,