Offen gesagt Band 3 Zum aktuellen Zeitgeschehen. Tassilo Wallentin

Offen gesagt Band 3 Zum aktuellen Zeitgeschehen - Tassilo Wallentin


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würden bei einer Steinigung nur bis zu den Hüften, Frauen hingegen bis zu den Schultern eingegraben. Das sei nicht gendergerecht; Männer hätten größere Fluchtchancen. „Gleichberechtigung nun auch bei Steinigungen – die wirren Forderungen einer Politikerin“, titelte daraufhin die renommierte „Huffington Post“. Da­runter war ein Foto von Frau Heinisch-Hosek zu sehen.

      Ob ein/e Genderbeauftragt/er/e ihres Ministeriums einer „nicht-frauenfeindlichen“ Steinigung bereits beiwohnen durfte, war der „Huffington“ nicht zu entnehmen.

      ERSCHIENEN AM 6. 9. 2015

      „NEUSPRECH“

      Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) hat vor einigen ­Tagen den 2000 Jahre alten Tempel von Palmyra gesprengt, eines der wichtigsten Kulturdenkmäler der Menschheit. Der schlichte Grund: Er entsprach nicht dem Zeitgeist der neuen Machthaber. Wer meint, derartiges könne es bei uns nie geben, hat sich noch nicht mit den Tendenzen unserer immer dreisteren Tugendwächter befasst.

      Im Tempel von Palmyra – Weltkulturerbe der UNESCO – verehrte man vor 2000 Jahren Götter, an die heute keiner mehr glaubt. Er hatte in all seiner Pracht nur einen Fehler: Er widersprach dem von den neuen Machthabern staatlich verordneten Zeitgeist, wonach man fremde Götter nicht einmal mehr zeigen darf. Deshalb sprengte ihn der IS. Ein schriller Schrei der Empörung ging durch die westliche Welt. Die UNESCO bezeichnete die Tat als Kriegsverbrechen. Von unfassbarer Barbarei war die Rede. Doch unsere selbsternannten Tugendwächter stehen derartigen Taten gar nicht so ferne, wie man meinen möchte:

      Die beliebten Kinderbücher von Otfried Preußler wie „Die kleine Hexe“ oder „Der Räuber Hotzenplotz“ werden nach politisch nicht mehr korrekten Begrifflichkeiten wie „Türke“, „Chinese“ oder „Negerlein“ durchforstet. Die „Biene Maja“ und „Pipi Langstrumpf“ müssen in ihren Neufassungen ab nun „geschlechtsneutral“ sein, und der Kobold „Pumuckl“ darf keinen Bauch mehr haben. Am schlimmsten aber hat es Erich Kästner erwischt. Seine ­Bücher fielen schon 1933 der Bücherverbrennung anheim und liegen nun zum zweiten Mal auf dem Scheiterhaufen: diesmal in der Stadtbibliothek im deutschen Bad Dürrheim. Gemeinsam mit 3200 anderen Werken wurden Kästners Bücher wegen Verstoßes gegen den staatlich verordneten Zeitgeist zum Zwecke der Umerziehung eingestampft. Das endgültige Aus für „Das fliegende Klassenzimmer“, „Das doppelte Lottchen“, „Pünktchen und Anton“ und „Emil und die Detektive“.

      Johann Strauss hat mit dem „Zigeunerbaron“ nichts Böses gemeint, und William Shakespeare wollte weder mit ­„Othello, der Mohr von Venedig“ Rassismus noch mit dem „Kaufmann von Venedig“ Antisemitismus schüren. Natürlich ­erfahren Begriffe einen Bedeutungswandel. Heute formuliert man vieles anders, wir leben auch in einer anderen Zeit. Deshalb haben bigotte, selbsternannte Tugendwächter nicht das Recht, Bücher großer Autoren rückwärts zu be­reinigen. Sonst müsste man auch der „Mona Lisa“ einen „geschlechtsneutralen“ Bart verpassen und das Kunsthistorische Museum einer Zensur unterziehen. Wer Kästner liest, hat ihn aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Wie den Tempel von Palmyra. Alles andere ist eine Form von Tugendterror.

      Das Umschreiben von Kinderbüchern ist keine große Sache. Aber es ist ein weiterer, bewusst gesetzter Schritt in eine ­unheilvolle Richtung: Die Menschen sollen die Welt nicht mehr so sehen, wie sie ist oder wie sie einmal war, ­sondern wie sie nach dem Willen unserer Tugendwächter zu sein hat. Und von dort aus ist es nicht mehr weit zum Orwell’schen Überwachungsstaat mit seiner „Gedanken­polizei“, dem „staatlichen Ministerium für Wahrheit“ und dem „Neu­sprech“, der von oben vorgeschriebenen, künstlich veränderten Sprache als Mittel der neuen Herrschaft über uns.

      ERSCHIENEN AM 13. 9. 2015

      WO BLEIBT DIE SOLIDARITÄT DER REICHEN GOLFSTAATEN?

      Das schwerreiche Saudi-Arabien, Kuwait und alle anderen Golfstaaten nehmen keine Syrien-Flüchtlinge auf. Wenn es hingegen darum geht, die Islamfeindlichkeit in der Welt anzuprangern, sind sie zur Stelle. Das nennt man Doppelmoral. Die EU sollte nicht nur über Quoten diskutieren, sondern den Druck auf diese Länder zur Aufnahme von Flüchtlingen massiv erhöhen.

      Saudi-Arabien verdient eine Milliarde Dollar pro Tag im Erdölgeschäft. Kuwait rangiert auf Platz 15 der reichsten Länder der Welt. Katar ist das reichste Land der Welt. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind das erdölreichste Land der Welt. Der Oman liegt weltweit an der zehnten Stelle der Länder, in denen die meisten Millionäre leben, und Bahrein ist so reich, dass seine Bürger weder Einkommen- noch Mehrwertsteuern zahlen und die Gesundheitsversorgung gratis ist. Sie alle verbindet neben ihrem märchenhaften Reichtum eine Gemeinsamkeit: Sie sind arabisch-islamisch und haben keinen einzigen Syrien-Flüchtling aufgenommen. Dies, obwohl der König von Saudi-Arabien – mit seinem Privatvermögen von 21 Milliarden Dollar – den Titel ­„Hüter der heiligen Stätten“ trägt. In seinem Königreich wurde übrigens auch der Blogger Raif Badawi zu zehn ­Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von etwa 194.000 Euro verurteilt, weil er im Internet ­Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig ­bezeichnet hatte. Das sei eine Beleidigung des Islam – die Glaubensbrüder aus Syrien im Stich zu lassen, offenbar nicht.

      Alle Golfstaaten sind Mitglieder der Arabischen Liga, die über eine Armee verfügt, und der Organisation für Isla­mische Zusammenarbeit, die eine Resolution gegen Islamfeindlichkeit verabschiedet hat. Sie alle tun das, was sie ­immer tun: Sie kaufen sich frei. Und auch das nur in be­schämendem Ausmaß. Allein Großbritannien stellt mehr Geld für Syrien zur Verfügung, und die Hilfsgelder der USA übersteigen diejenigen der Golfaraber um das Vier­fache.

      Die Wut der jungen Menschen in der arabischen Welt über die Doppelmoral am Golf wird immer größer. Jor­danien, Ägypten und der Libanon haben 2,2 Millionen ­Syrer aufgenommen. Ihre Kapazitäten sind erschöpft. Und die Hilf­losigkeit der überforderten EU-Politik ist bestürzend.

      Der Sicherheits- und Militärexperte Afzal Ashraf beschrieb das vor Kurzem in seinem sehr bemerkenswerten Artikel auf „Al Jazeera“ – dem wichtigsten arabischen Nachrichtenportal – so: „Was immer die westlichen Länder für die Flüchtlinge tun, wird nichts anderes als eine Wundpflaster-Lösung sein. Die Zahl der Flüchtlinge ist bereits jetzt schon viel zu groß, dass eine Ansiedlung außerhalb der ­Region noch machbar wäre. Manche in den Golfstaaten rechtfertigen sich damit, dass mit dem Flüchtlingsstrom der radikal-militante Islam importiert werde, doch diese Be­drohung ist für westliche Staaten nicht geringer. Die Kriege in Libyen und im Jemen können diese Krise in eine Katas­trophe verwandeln.“

      Die Politiker in der EU und in Österreich müssen auf die Golfstaaten massiv Druck machen, nötigenfalls durch schwere Sanktionen; alles andere führt uns in die Katas­trophe. Richtige Außenpolitik böte auch die Chance, das Herz der jungen arabischen Welt zu erobern. Und das ist etwas, was keine bürokratische EU-Quotenregelung vermag.

      ERSCHIENEN AM 20. 9. 2015

      „POLITIK IST AUSSENPOLITIK“

      Die nicht zu Ende gedachte und von Bürokraten betriebene Außenpolitik der EU stürzt Europa zunehmend ins Chaos: Die EU-Sanktionen gegen Syrien fachen Flüchtlingswellen bis hin zur Völkerwanderung an; diejenigen gegen Russland sind ein wirtschaftliches Desaster. In beiden Fällen steckt man in der Sackgasse. Weder wird Assad stürzen noch Putin die Krim jemals räumen. Den Schaden tragen wir.

      „Nur eine geschickte Außenpolitik, eine Politik bedeutender Unternehmungen, ermöglicht eine fruchtbare Innenpolitik; letztere ist von geringerem Tiefgang“, so der große spanische Philosoph Ortega y Gasset. Übersetzt bedeutet das, dass man nur mit richtiger Außenpolitik dauerhaft Wohlstand im Inland schaffen kann, oder umgekehrt, dass Fehler in der Außenpolitik zumeist unverzeihlich und innenpolitisch kaum noch zu korrigieren


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