Gestalt-Traumatherapie. Группа авторов

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Menschen, die diese Art der Transformation traumatischer Erfahrungen vollziehen konnten, sind jedem bekannt und üben eine ermutigende Leuchtkraft aus. Die Perls’ selbst, deren Familien teilweise in Konzentrationslagern verschwanden, sind ein Beispiel dafür. In diesem Sinne kann die Gestalttherapie auch als Transformationsleistung traumatisierter Analytiker angesehen werden. Schöpferische Anpassung wird als wesentliche Funktion des Selbst angesehen. »Aber wenn man einmal die schöpferischen Funktionen der Selbstregulation, die für das Neue, für die Zerstörung und Neuintegration der Erfahrung offen sind – wenn man diese einmal ausgelöscht hat, dann bleibt nicht mehr viel übrig, was als Grundlage einer Theorie des Selbst dienen könnte« (PHG, 49). Bedeutsam für die Traumatherapie ist auch der Umgang des Klienten mit Widerstand. Hier versuchen PHG »… den Horizont der Bewusstheit und des Risikos zu vergrößern und es dem Selbst zu erlauben, seine eigene kreative Synthese zu finden …« (PHG, 53).

      Wiederaneignung und Identifizierung

      Der Klient muss sich die abgesprengten Teile seiner Selbst und seines Lebens wieder aneignen, und die in ihnen liegende Kraft sich wieder zu eigen machen. »Wenn die Vergangenheit des Patienten während der Behandlung wiederentdeckt wurde, muss er sie schließlich als seine eigene Vergangenheit annehmen. Wenn er sich in seinem zwischenmenschlichen Verhalten anpasst, muss er in der sozialen Situation selbst zum Handelnden werden. Wenn sein Körper dazu animiert wurde, lebendig zu reagieren, muss der Patient spüren, dass er es ist, nicht sein Körper, der dies vollzieht.« (PHG, 53)

      Kontakt und Unterbrechung

      »… im Kontaktgeschehen gibt es nur die Einheit einer die Perzeption anregenden Bewegung, die emotional eingefärbt ist« (PHG, 63). Bei traumatischen Erlebnissen wird dieses Kontaktgeschehen als sehr unangenehm erlebt, der Mensch möchte am liebsten aus der Situation verschwinden, aus dem Felde gehen, nicht dasein, sich nicht spüren. Genau dies wird dann psychologisch z.T. auch gemacht als Dissoziation, während die Person leibhaftig aber in der Situation bleiben muss. Die Dissoziation ist in gestalttherapeutischem Sinne die völlige Unterbrechung des Kontaktes, das Rausgehen aus dem Kontakt, bzw. die Abspaltung des Erlebten als nicht zu sich gehörig. Ein kleines Beispiel für alltägliche Dissoziationen ist das Warten in einer Schlange, wo sich viele Menschen gedanklich an einen völlig anderen Ort versetzen. In Notsituationen gibt es die Schutzfunktionen der sensiblen Oberfläche (65), die in subnormalen oder supernormalen Formen auftreten: »panische Flucht, Schock, Betäubung, Bewusstlosigkeit, Totstellen, partielles Blackout, Amnesie«. (65) »Diese Formen beschützen die Grenze, indem sie sie zeitweise desensibilisieren oder paralysieren und darauf warten, dass die Gefahr vorbei geht. Andererseits gibt es Mittel, die die Spannung abfangen, indem sie die Grenze selbst durch Anteile der Spannungsenergie in Bewegung setzen, beispielsweise durch Halluzination und Traum, lebhafte Imagination, Zwangsgedanken, Grübeln und damit einhergehende Rastlosigkeit. Die subaktiven Mittel scheinen geeignet zu sein, die Grenze vor Überflutungen aus der Umwelt zu schützen, indem sie die Gefahr ausschließen; die superaktiven Mittel haben eher mit propriozeptiver Überlastung, die die Energie abschöpft, zu tun – außer man fällt in Ohnmacht, wenn der Gefahrenpunkt bei Not und Krankheit erreicht ist« (PHG, 65).

      »An der Kontaktgrenze gibt es diese beiden Prozesse zur Bewältigung von Notfallsituationen: Auslöschen und Halluzinieren. (Es handelt sich … um gesunde temporäre Reaktionen in einem komplizierten Organismus-Umweltfeld« (PHG, 67).

      Trauma als unerledigte Situation

      PHG führen als Beispiel das Erleben eines kindlichen Frustrationstraumas an: »Der Einfachheit halber denken wir an einen einzigen dramatischen Augenblick, ein ›Trauma‹. Der Wunsch wurde frustriert: Seine Befriedigung war gefährlich, und die durch die Frustration ausgelöste Spannung war unerträglich. Dann unterdrückte man den Wunsch und die Bewusstheit des Wunsches absichtlich, um nicht zu leiden und die Gefahr abzuwehren. Der ganze Komplex von Gefühl, Ausdruck, Geste und sinnlichem Eindruck, der besonders tief geht, weil er auf wesentliche Weise unerledigt bleibt, ist außer Funktion; beträchtliche Energie wird ständig darauf verwendet, ihn in der jeweiligen Gegenwart außer Funktion zu halten. Wie kommt es nun zur Wiedererinnerung? Nehmen wir an, die gegenwärtige absichtliche Unterdrückung wird gelockert, beispielsweise durch Übungen mit den Augenmuskeln und dem Umherschauen …« »Plötzlich kommen die immer gegenwärtigen, aber latenten Gefühle und Gesten zum Ausdruck, und mit ihnen taucht die alte Szene bildhaft wieder auf. Nicht das alte Bild hat also das Gefühl ausgelöst, sondern die Lockerung der gegenwärtigen Unterdrückung. Die alte Szene wird wiederbelebt, weil sie zufällig der letzte freie Ausdruck des Gefühls und der Geste in der Sinnenwelt war bei dem Versuch, die unerledigte Situation zu einem Abschluss zu bringen.« (PHG, 108, 109).

      Sicherheitsventile

      Die Reaktionsformen auf Traumata, das Halluzinieren, Träumen, Totstellen, Auslöschen, Verzerren, Isolieren, (zwanghafte) Wiederholen oder panikartige Flucht werden von PHG als gesunde »Sicherheitsventile zum Schutze der Kontaktgrenze bezeichnet« (PHG, 129f).

      Identifikation mit dem Aggressor, Auslöschung des Selbst und Introjekte

      Abb. 1: Trauma-Kontakt-Schema

      Ein traumatischer Prozess kann gestalttherapeutisch als das Scheitern der Integrationsleistungen des Selbst gesehen werden, so wie der neurotische Prozess selbst auch. Der Zusammenhang zwischen einem traumatischen Erlebnis und einem posttraumatischen Folgeprozess wird klar dargelegt in der Beschreibung der Selbstunterdrückung. »Wenn weder Flucht noch Vernichten möglich sind, nimmt der Organismus zum Auslöschen der eigenen Bewusstheit Zuflucht« (PHG, 171). »Im Augenblick des Höhepunktes eines Konfliktes und der Verzweiflung reagiert der Organismus, indem er sich auslöscht – im spektakulären Fall, indem er bewusstlos wird, häufiger aber durch Taubheitsgefühle, Lähmung oder eine andere Form der zeitweisen Verdrängung« (PHG, 196). »Es gibt einen leeren Raum in der Figur, denn der allgemeine Kontext des Bedürfnisses, der Gelegenheit, der Schwierigkeit usw. bleibt gleich; die Selbstbehauptung, die den zentralen Platz im Konflikt einnahm, fehlt jetzt nämlich. Dieser leere Raum wird jetzt durch die Identifikation mit einer anderen Person gefüllt, nämlich der Person, die den Konflikt hat unerträglich werden lassen … jetzt wird diese Person zu einem selbst« (196f). »… die Introjekte müssen bewusst werden, damit sie zerstört werden können; der Kontakt zu den isolierten sexuellen, sozialen Interessen muss wieder aufgenommen werden« (PHG, 204)

      Gestalttherapeutische Traumakompetenzen

      Serok (1985) betont die Eignung der Gestalttherapie für traumatisierte Menschen und kennzeichnet ein Trauma als ein unfinished business, also eine offene, unabgeschlossene Gestalt. Wolf (1999) stellt eine integrative gestalttherapeutische Traumatherapie vor. Strümpfel (2006) nennt in seiner Metaanalyse die Studie von Paivio & Nieuwendhuis (2001, zit. nach Strümpfel 2006, 194) mit Emotionsfokussierter Therapie bei in ihrer Kindheit sexuell missbrauchten Erwachsenen sowie die Metaanalyse von Greenberg (2004, zit. nach Strümpfel 2006, 244) als Belege für die Wirksamkeit prozess-erfahrungsorientierter Therapie. Psychische Störungen im gestalttherapeutischen Sinne werden als eine Art eingefrorene und festgefahrene Notfallreaktion angesehen, bzw. als das, was von der Notfallreaktion in der Selbst-Struktur übrig geblieben ist. In diesem Sinn geht die gestalttherapeutische Traumatheorie von der Begegnung mit einem Ereignis aus, welches die aktuell verfügbare Selbst-Integrationsfähigkeit und Selbstunterstützung (self support im Sinn von Lore Perls) übersteigt. Die Notfallreaktion führte zum Zeitpunkt ihres Entstehens zu Unterbrechungen und Schutzreaktionen, die das Individuum in seinem Erleben des Schreckens, der Ohnmacht und Hilflosigkeit herunterfahren sollen. Diese Unterbrechungen der Kontaktfunktionen sind der zentrale Arbeitsfokus gestalttherapeutischer Therapie. Dabei wird versucht die alten, festgefahrenen Reaktionen auf bestimmte Ereignisse wieder aus ihrer Erstarrung zu befreien, sie aufzulösen und ihre Angemessenheit für die aktuelle Lebenslage zu prüfen. Hardie (2002) kommt in einem Übersichtsartikel zu Gestalttherapie und Sozialarbeit im Zusammenhang mit dem 11. September zu dem Schluss, dass Gestalttherapie für die Behandlung von PTSD geeignet ist. Sie ist der Meinung, dass es kaum Literaturbeiträge der Gestalttherapie zu den Themen Trauma und PTBS gibt (Hardie 2002, 7). Cohen (2002) beschreibt in der gleichen Ausgabe


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