Gestalt-Traumatherapie. Группа авторов
in der Arbeit mit erwachsenen Mißbrauchsüberlebenden und Inzestopfern. Im deutschsprachigen Raum kann für den bewusst erlebten und subjektiv erfahrenen Körper der ältere und phänomenologisch aufgeladenere Begriff Leib wieder herangezogen werden. Die Wiederaneignung des Leibes durch eine sehr achtsame, genaue, supportive und versprachlichend-bewusstmachende Aufmerksamkeit mit dem Erspüren dessen, was der Leib ausdrücken will, was er sagen will, was er in sich eingeschlossen hat und was demnach das Subjekt in sich eingeschlossen hat, ist das Ziel des Kepnerschen Ansatzes. Er ist gegenwärtig die theoretisch am besten ausgearbeitete Anwendung der Gestalttherapie für die Therapie erwachsener Mißbrauchsopfer.
Kepner nennt seinen Ansatz »Healing Tasks« was wörtlich mit »Hei-lungs-Aufgaben« übersetzt werden kann, worin allerdings der Wachstumsgedanke stark mitschwingt. Kepner erläutert die Entwicklungsunterbrechungen, die durch ein Kindheitstrauma ausgelöst werden. Er versteht Heilung als Wachstum und Fortführung der gestörten Entwicklung. Dieser Prozess kann in vier wichtige Phasen unterteilt werden. Für die jeweiligen Phasen werden verschiedene therapeutische Aufgaben beschrieben:
1. Entwicklung von Unterstützung (Developing Support):
Unterstützung ist der entscheidende Bezugsgrund für alle Entwicklungs- und Wachstumsprozesse.
2. Entwicklung der Selbstfunktionen (Development of the Self Functions):
Selbstfunktionen helfen Erregung zu modulieren. Missbrauchsopfer haben aufgrund der missbräuchlichen Entwicklungsumgebung häufig nur eingeschränkt entwickelte Selbstfunktionen. Kinder können in diesem Zusammenhang von Gefühlen überschwemmt werde. Als Folge kann es zu Fühllosigkeit, Dissoziationen und zum der Verlust der Unterscheidungsfähigkeit oder zum Erstarren kommen. Eine Entwicklungsumgebung, die dem Kind nicht hilft die intensiven Gefühle und Erlebnisse zu verarbeiten, trägt nicht zur Entwicklung der Selbstfunktionen bei. Bei nicht ausreichenden Selbstfunktionen kann das kathartische Abreagieren der traumatischen Erinnerungen retraumatisierend sein, da keine andere Erfahrung als in der Vergangenheit gemacht werden kann. Kepner sieht hierin den größten Mangel der kathartischen Methode.
3. Rückgängig machen, wiederholen, Trauer (undoing, redoing and mourning):
Da das Opfer zum Zeitpunkt des Missbrauchs ein Kind war, und wenig Macht und Fähigkeiten hatte, die Grenzen seiner Integrität aufrecht zu erhalten, wurde ein Großteil des Geschehens verinnerlicht und wird nun als eigene Erfahrung anstatt als Beziehungserfahrung erlebt. Da es nicht möglich war wegzulaufen, zurückzustoßen oder das Geschehen anders zu beenden, mussten solche gegen die Umgebung gerichteten Impulse nach innen gegen sich selbst gewendet werden. Als Retroflexionen führt dies zu einem »Einfrieren« der Betroffenen und einer Haltung voller Selbstbestrafung, Selbstbeherrschung und Vorsicht. Als Introjektionen werden diese Geschehnisse verinnerlicht, und führen zu einem falschen Selbst voller Scham, Glaubenssätzen und Überzeugungen der eigenen Wertlosigkeit, oder falschen Darstellungen und Präsentationen der eigenen Person, jenseits der wahren Bedürfnisse. Das beschämte Kind sagt nicht: »Hör auf, mir so schlechte Gefühle machen«, sondern zwingt sich zu einem unauffälligen Verhalten, spannt seine Muskeln an und verfällt in eine eingezogene Haltung. Im alltäglichen Verhalten einer Person lässt sich die Wiederholung und Reinszenierung der traumatischen Geschehnisse beobachten. Beim Rückgängigmachen wird die gesamte Beziehung des Organismus zu seiner Umgebung mittels Ausdrucksarbeit wieder hergestellt. Hierfür werden therapeutische Reinszenierungen, Dialoge und verschiedene Alltagshandlungen eingesetzt, die nur bei ausreichendem Support und ausreichenden Selbstfunktionen gelingen. Eine weitere Folge dieses Umkehrprozesses ist der Verlust eines idealisierten Elternbildes, der Verlust der Kindheit. Diese Verluste müssen betrauert werden.
4. Wiederherstellung (reconsolidation)
Die Person bzw. der Organismus und das gesamte Umweltfeld organisieren sich bei diesem Prozess neu, wodurch Wachstum ermöglicht wird. Für den Überlebenden beinhaltet dies möglicherweise eine grundlegende Neuorientierung seines Lebens. Er lernt nicht nur neue Fähigkeiten, sondern wird wirklich ein anderer Mensch.
Heilung ist nach Kepner (1995) kein linearer Prozess. Er benutzt ein schematisches Modell (ebd., 8), um die einzelnen therapeutischen Phasen zu verdeutlichen. Dabei bedingen sich die oben beschriebenen Phasen in sukzessivem Aufbau mit dem Support zu Beginn und der Wiederherstellung gegen Ende der Therapie. Im therapeutischen Prozess können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Kepner unterscheidet als Schwerpunkte die Arbeit mit Gefühlen, mit dem Gedächtnis oder mit dem therapeutischen Selbst. Gerade für die Traumatherapie scheint die Konzentration auf körperlich-sensorisch-emotionale Antworten des Klienten unverzichtbarer als für andere Störungsbilder zu sein. Nach Kepner (1995, 31f) wird traumatisches Material auch infolge der Wirkung des Feldes vergessen, oder wieder erinnert. Bei geänderten Feldbedingungen ändern sich auch die Zugangsbedingungen zu den Erinnerungen. Besonders wertvoll erscheint Kepners (38) detaillierte Beachtung verschiedener Aspekte der Scham bei Mißbrauchsopfern. Scham wird dabei als Zurückweisung, Unterbrechung der Verbindung zu anderen und als eigene Wertlosigkeit und Schlechtheit erlebt. Diese Aspekte zeigen sich in Introjekten (Bezeichnungen des Aggressors werden übernommen z.B. »Ich bin eine Hure, ich bin schlecht«), in Retroflexionen (der Wunsch den Aggressor zu bestrafen, wird in Selbstbestrafung zurück gewendet), im Bedürfnis nach Unterstützung (Äußerungen dieses Bedürfnisses verbunden mit dem Glauben, aufgrund der eigenen Wertlosigkeit keine Unterstützung zu verdienen), in der Selbstführung (Self Management, Kontakte mit anderen werden abgebrochen, da sie als zu überwältigend erlebt werden) in Gefühlen mit unstimmiger Kontextzuordnung (Statt »ich fühle mich schlecht durch das, was mir angetan wurde« »ich bin schlecht«) in fixierten Gestalten (aus der Kindperspektive ergeben sich Konstruktionen wie »Ich erhalte keine Hilfe, also bin ich es auch nicht wert, Hilfe zu erhalten«). Als eine weitere wichtige Selbststützung wird die Stärkung des Kontaktgeschehens über die Aneignung oder Wiederaneignung des Leibes durch gezielte Körperaktivitäten wie Yoga, Laufen, Tanzen, Kampfsport etc. (Kepner ebd., 254) gefördert.
Besems & van Vugt
Für den deutschsprachigen Raum legten Besems und van Vugt bereits 1990 eine an Fallbeispielen reiche Darstellung ihrer Arbeit mit Inzestbetroffenen vor. Zur Frage des Settings schätzen die Autoren eine 50-Minuten-Therapieeinheit als meist zu kurz ein, häufig werden längere Sitzungen benötigt. In Stunden, in denen es besonders um Körperexploration geht, sind auch zwei Therapeuten anwesend. Der zweite Therapeut ist Zeuge und bietet Schutz vor möglichen Ängsten, Übergriffen und Wiederholungen des Missbrauchs. Besems & van Vugt (1990) sprechen explizit nicht von Missbrauch, sondern von Inzest (15f), um Betroffene dabei nicht zu stigmatisieren und dabei erlebte mögliche positive Gefühle nicht zu verdammen. Die Wahrnehmung und der Ausdruck blockierter Gefühle (23f), angefangen bei Trauergefühlen, aber besonders durch die (Wieder-) Aneignung der aggressiven Selbstfunktionen (29f), hat einen grundlegenden Stellenwert. Besems und van Vugt betonen eine forderungsfreie und gleichzeitig versorgend-direktive Haltung zu Beginn der Therapie. Die (Um-) Feldabhängigkeit der Klientin besonders unter dem Sicherheitsaspekt ist eine wichtige Besonderheit. Die Selbstaktualisierung und Selbstdarstellung im Hier und Jetzt jenseits von Sprache ist gerade aufgrund des Verbotes der Täter darüber zu sprechen eine entscheidende therapeutische Technik. Die Wiederaneignung des erstarrten, abgetöteten Körpergefühls geht einher mit dem Ausdruck der Geschichte der Traumatisierung. Für diese empfindliche Ausdrucksarbeit setzten Besems und van Vugt zur Erleichterung des Ausdrucks des Unsagbaren sprachfreie kreative Medien ein, wie z.B. Ton (Besems & van Vugt 1990, 78f) oder Kinderbücher. Dies hilft gleichzeitig an die abgebrochene emotionale Kindheitsentwicklung anzuknüpfen. Eine wichtige Etappe ist schließlich, langsam die Worte für das zu finden, was geschehen ist und den Missbrauch zu erzählen. Die Aufgabe der inneren Beziehung zum Täter, die als Verrat empfunden wird, ist eine lange und schmerzhafte Wegstrecke. Für die Wiederherstellung von Selbstwert und Würde wird besonders Gruppentherapie als geeignet angesehen. Das Bewusstsein, Opfer gewesen zu sein, aber diese Rolle überlebt zu haben, muss als Realität der eigenen Biographie bestehen bleiben. Seine innere Gewichtung im Rahmen einer Polaritäten-Arbeit als Teil einer z.B. Ohnmacht/Opfer- und Macht/Prinzessin-Polarität zu verschieben ist ein weiterer bedeutungsvoller Schritt. Die Autoren skizzieren auch die Problematik des Inzestgeschehens bei Jungen durch Väter und Mütter. Nach Hille (2002) haben Besems &