AschePerlen. Группа авторов

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geschah, aber auch sie haben ihre Geschichten über Erlebnisse, die ihr Leben gezeichnet haben. Ich erinnere mich an eine Frau aus Europa: Sie weinte immer wieder vor Kummer über die zerbrochene Beziehung zu ihrem Vater, die bis zu dessen Tod nicht mehr in Ordnung kam. Unter Schluchzen entschuldigte sie sich dafür, an diesem Ort nicht über die Mordtaten und den Genozid zu sprechen, sondern über einen persönlichen Verlust, der sich viele Jahre später ereignete.

      Deutsche Teilnehmer sprachen über die Geheimnisse in ihren Familien; Polen sprachen über das Schweigen in ihren. Palästinenser und Indianer klagten zornig über den Verlust ihres Landes; Ruander beweinten ihr eigenes Massaker. Wer hatte keine eigene Geschichte von Verlust – eines Sohnes, einer Tochter, eines Elternteils, einer Zukunft? Wer wurde nicht alles beschuldigt? Nazis, Deutsche, Polen, Israelis, Europäer, Amerikaner, Präsident Clinton, Saddam Hussein und ja, selbst Juden. Was wurde im Laufe dieser Retreats nicht alles zum Ausdruck gebracht? Ärger, Wut, Selbstgerechtigkeit, Empörung. Es ist so einfach, sich beleidigt zu fühlen, zumal durch triviale Ansichten, die kaum die Oberfläche zu berühren scheinen, auch durch ein plötzliches Lachen oder albernes Geschwätz von Menschen, die für einen Moment vergessen, dass sie mitten auf dem größten Friedhof der Welt stehen.

      Bestimmte Wörter – wie Heilung und Transformation – tauchten öfter auf. Man besucht einen riesigen Friedhof nicht, um Heilung zu finden, wütete ein Teilnehmer in einem Jahr. Ich stimme zu, und doch kann es dazu kommen. Mit der Zeit wurde das, was vor zwanzig Jahren damit begann, dass ich meine eigenen Toten beklagte und das Schicksal der europäischen Juden betrauerte, zu etwas ganz anderem. Der Ort, an dem Leben und Tod zusammenkommen, birgt große Kraft in sich. Wie wirst du diesem Ort begegnen, habe ich mich Jahr um Jahr im November erneut gefragt. Die Antwort fiel jedes Mal anders aus, denn diesem Ort begegnen bedeutet meinem eigenen Selbst in der Gestalt von Auschwitz begegnen.

      Tut diese Arbeit nicht für euch selbst oder für die Menschen, die kommen, sagte Rabbi Zalman Schachter-Shalomi, Gründer der jüdischen Erneuerungsbewegung, als Bernie 1996 mit ihm über dieses erste Retreat sprach. Tut sie für die Seelen, die noch dort sind.

      USA (1994 + dann oft ab 1996)

      Manfred Deselaers

      Gesegnet sind die Peacemaker …

      Seit 1990 lebe ich in Oświęcim, in der katholischen Gemeinde Mariae Himmelfahrt, und seit 1995 arbeite ich als Seelsorger am Centrum für Dialog und Gebet (CDiM). Von Anfang an habe ich die Peacemaker-Retreats mitbekommen, zunächst aus großer Entfernung. Ich hörte in den neunziger Jahren von Piotr Wrona, Priester und damaliger Direktor des CDiM, dass eine amerikanische internationale buddhistische interreligiöse Gruppe mit jüdischen Wurzeln (oder so ähnlich, wörtlich erinnere ich mich nicht mehr) Besinnungstage in Auschwitz plane und durchführe. Darunter vorstellen konnte ich mir nichts.

      Dann kam es zu zufälligen Begegnungen, zu Gesprächen am Rande, zu Einladungen und schließlich irgendwann zu der Bitte, die Rolle eines Christian Spirit Holder – eines christlichen Hüters des Retreat-Geistes – zu übernehmen.

      Oft habe ich später gesagt, dass für mich diese Retreats der Peacemaker zu den wichtigsten Geschehnissen in Auschwitz und Birkenau gehören. Warum?

      Es gibt wenige Gruppen, die so intensiv „auf die Stimme dieser Erde hören“. Besichtigung, natürlich. Begegnungen mit Zeitzeugen gibt es sonst auch oft. Aber schweigend auf der Rampe sitzen, von Zeit zu Zeit Litaneien von Namen der Ermordeten vorlesen … Meditierend den Raum erfahren, an verschiedenen Stellen sich immer neu der vielen verschiedenen Dimensionen bewusst werden … Das ist ein so intensives Ernstnehmen dieses Ortes und seiner Opfer (und sogar seiner Täter), dass sogar ehemalige Häftlinge wiederkamen, um daran teilzunehmen.

      Viel gelernt habe ich auch von der Methode, vom Stil des Miteinander-Teilens. Morgens in kleinen Gruppen, abends in großen Gruppen. Es sind nicht Vorträge, die die Atmosphäre prägen, sondern respektvolles Hören auf den inneren Reichtum, den jeder und jede mitbringt.

      „Auschwitz“ – das war die Vernichtung des Anderen. Kaum eine Gruppe, die heute nach Auschwitz kommt, bringt so deutlich verschiedene Nationen, Biografien, Konfessionen und Religionen zusammen. Das Heilen der verletzten Identitäten und der verletzten Beziehungen gehört zusammen, es geht nicht anders, davon bin ich überzeugt. Neues Vertrauen wächst aus ehrlichem Einander-Zuhören. Dafür braucht es einen geschützten Raum, in dem Vertrauen möglich ist. Das bieten diese Retreats.

      Ich bin katholischer Priester, weder Jude noch Buddhist. Das bedeutet, dass ich mich nicht auf Liturgien einlassen müssen möchte, die ich nicht verstehe oder die mir fremd bleiben. Und das geht nicht nur mir so. Deshalb war für mich dieser Respekt vor der Andersheit des Anderen immer wichtig. Ausdruck davon waren die getrennten Gebete der verschiedenen religiösen Gruppen, die ein Teil des Retreat-Programmangebots waren, wenn auch sonst meist alles gemeinsam angeboten wurde. Jeder konnte „die anderen“ besuchen, aber auch eine Gruppe mit der eigenen Gebetssprache finden.

      Manchmal ergaben sich gemeinsame Gebete oder Gebetswege, bei denen wir uns nacheinander in unseren Traditionen ausdrückten. Nicht vergessen werde ich das erste Mal, als ich bei solch einem Gebet vor der Todeswand bei Block 11 im Lager Auschwitz I mitmachte. Meine Rolle war, ein christliches Gebet zu sprechen. Der Rabbi blies das Schofar. Gosia Braunek kniete sich vor die Todeswand, verneigte sich bis zum Boden und drehte die Hände zum Himmel.

      Ich hatte diese buddhistische Geste vorher noch nie gesehen. Sie hat mich beeindruckt: Was kann hier angemessener sein, als sich tief zur Erde zu verneigen, in die das Blut der Ermordeten geflossen ist, und gleichzeitig den Kontakt zum Himmel zu suchen?

      Gosia ist inzwischen heimgegangen. Auf diesem Weg möchte ich ihr noch einmal danken.

      Viele wunderbare Menschen habe ich getroffen. Allen möchte ich danken, besonders den Gründungseltern und denen, die seit Jahren das Rückgrat dieser Retreats bilden, Bernie und seiner „Familie“. Das Retreat ist nicht nur Bearing Witness, also Zeugnis ablegen. Es ist auch Building a Civilisation of Love – eine Zivilisation der Liebe bauen.

      Deutschland/Polen

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      Blessed Are the Peacemakers …

      I live in Oświęcim since 1990, in the Catholic Community Mariae Himmelfahrt, and since 1995 I work as a minister for the Centre for Dialogue and Prayer (CDiM). From the start I was aware of the Peacemakers-Retreats, from a big distance at first. In the nineties, I heard from priest Piotr Wrona, director of the CDiM at that time, that an American international Buddhist interreligious group with Jewish roots (or something like that, I don’t remember exactly) was planning and conducting contemplative days in Auschwitz. I had no idea what that meant. Then coincidental meetings happened, conversations in between, invitations and then, eventually, at some point the request to take over the role of a Christian Spirit Holder.

      Later I often said that for me, the Peacemakers-Retreats belong to the most important events in Auschwitz and Birkenau. Why?

      There are only few groups that listen so intensively to “the voice of this ground.” Sightseeing – yes, of course. Encounters with contemporary witnesses also take place every now and then. But sitting in silence on the tracks, from time to time chanting the names of those who were murdered … feeling the space while meditating, becoming aware of the many different dimensions in different spots of the camp site … this is such an intense offering to take this place and its victims (and even its offenders) seriously that even former inmates came back to participate.

      I also learned a lot from the method, the style of Sharing. Mornings in small groups, evenings in bigger groups. It’s not the lectures that account for the atmosphere, it’s the respectful listening to the inner wealth everyone brings in.

      “Auschwitz” – that was the annihilation of others. Nearly none of all the groups coming to Auschwitz these days brings together different nations, biographies, faiths and religions so intentionally. The healing of broken identities and broken relationships belongs together,


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