Grundkurs Existenzsicherungsrecht für die Soziale Arbeit. Markus Fischer

Grundkurs Existenzsicherungsrecht für die Soziale Arbeit - Markus Fischer


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kann das SGB II mittlerweile zum ,gesicherten Bestand‘ des Sozialgesetzbuchs gezählt werden.

      Die nachfolgenden Kapitel beschäftigten sich im Schwerpunkt mit den Existenzsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die zahlenmäßig kaum noch ins Gewicht fallenden existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII und das Sondersystem der Asylbewerberleistungen werden im Überblick dargestellt.

      1Existenzsicherungsleistungen im System der sozialen Sicherung

      Das für die Soziale Arbeit und das Sozialrecht in Deutschland wichtigste Gesetz ist das Sozialgesetzbuch (SGB) (dazu: BMAS 2019, Frings 2018, Herborth 2014, Kokemoor 2020, Palsherm 2015). 1975 ist das Erste Buch (Allgemeiner Teil) des SGB verabschiedet worden, das bis ins Jahr 2021 auf zwölf Bücher (SGB I bis XII) angewachsen ist (zum Ganzen: GK-SRB 2018; zur historischen Entwicklung: ISS / Wabnitz 2011, Kap. 2.1).

      Eine Reihe wichtiger Vorprägungen erhält das Sozialrecht bereits durch das Grundgesetz (GG): u. a. durch dessen Staatsprinzipien nach Art. 20 und 28 GG, insbesondere durch die Prinzipien von Sozialstaat, Rechtsstaat und Bundesstaat, und durch die Grundrechte nach Art. 1 GG (Menschenwürde, Menschenrechte), Art. 2 sowie 4 bis 17 GG (Freiheitsgrundrechte) und Art. 3 GG (Gleichheitsgrundrechte) (dazu im Einzelnen: Wabnitz 2016, Kap. 8). Nach der Rechtsprechung des BVerfG besteht aufgrund von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das Grundrecht sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. (Urteile vom 09.02.2010, NVwZ 2010, 27; 23.07.2014, NJW 2014, 3425).

      Die wesentlichen Ziele und Aufgaben des Sozialgesetzbuchs sind nach § 1 Abs. 1 SGB I: Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit. Und gemäß § 1 Abs. 2 SGB I soll das Recht des SGB auch dazu beitragen, dass die dafür erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen, z.B. Beratungsstellen, Heime, Tageseinrichtungen (Näheres bei Wabnitz 2020, Kap. 10; BMAS 2017, Einführung; HSRB 2020).

      Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 SGB I dienen „der Erfüllung der in § 1 genannten Aufgaben die nachfolgenden sozialen Rechte“. Diese „sozialen Rechte“ sind in den §§ 2 bis 10 SGB I umschrieben, beinhalten gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 SGB I keine Leistungsansprüche (BMAS 2019, 11; Trenczek et al. 2018, Kap. III. 1), aber „Auslegungsregeln“ mit dem Ziel, „dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden“ (§ 2 Abs. 2 SGB I). Aufgaben, „Soziale Rechte“ und ggf. einklagbare individuelle Leistungsansprüche ergeben sich aus der auf den ersten Blick schwer durchschaubaren „Normenpyramide“ des SGB.

      Übersicht 1

      Aufgaben, soziale Rechte und Ansprüche nach dem SGB

      1. Aufgaben des SGB: § 1 SGB I (Programmsatz – ohne individuelle Ansprüche)

      2. „Soziale Rechte“: §§ 2, 3 bis 10 SGB I (Auslegungsregeln bzw. Leitlinien für die Anwendung des gesamten SGB – ohne individuelle Ansprüche)

      3. Übersicht über die einzelnen Sozialleistungen und zuständigen Leistungsträger: §§ 18 bis 29 SGB I (als „Einweisungsvorschriften“ zum Überblick über Leistungen und Leistungsträger nach dem SGB – ebenfalls ohne individuelle Ansprüche)

      4. Ansprüche allgemeiner Natur nach dem SGB I: etwa auf Beratung (§ 14 SGB I), Wahrung des Sozialgeheimnisses (§ 35 Abs. 1 SGB I) oder auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 S. 2 SGB I)

      5. Individuelle Ansprüche auf bestimmte Sozialleistungen nach den Büchern II, III, V bis IX, XI und XII des SGB aufgrund spezieller Regelungen. Dort finden sich die für den Bürger jeweils primär wichtigen, weil konkreten und damit „harten“ und grundsätzlich einklagbaren, Rechtsgrundlagen für die Erbringung und Durchsetzung von Sozial-leistungen.

      

      Derzeit sind in das Sozialgesetzbuch (SGB) die 12 Bücher (SGB I bis SGB XII) wie in der Übersicht 2 dargestellt eingeordnet.

      Übersicht 2

      Die Bücher des Sozialgesetzbuchs (mit den Daten des Inkrafttretens)

      1. Erstes Buch (SGB I), Allgemeiner Teil (01.01.1976)

      2. Zweites Buch (SGB II), Grundsicherung für Arbeitsuchende (01.01.2005)

      3. Drittes Buch (SGB III), Arbeitsförderung (01.01.1998)

      4. Viertes Buch (SGB IV) mit gemeinsamen Vorschriften für die fünf Zweige der Sozialversicherung (01.07.1977)

      5. Fünftes Buch (SGB V), Gesetzliche Krankenversicherung (01.01.1989)

      6. Sechstes Buch (SGB VI), Gesetzliche Rentenversicherung (01.01.1992)

      7. Siebtes Buch (SGB VII), Gesetzliche Unfallversicherung (im Wesentlichen 01.01.1991)

      8. Achtes Buch (SGB VIII), Kinder- und Jugendhilfe (03.10.1990 bzw. 01.01.1991)

      9. Neuntes Buch (SGB IX), Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (01.07.2001)

      10. Zehntes Buch (SGB X), Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (01.01.1981 bzw. 01.07.1983)

      11. Elftes Buch (SGB XI), Soziale Pflegeversicherung (ab dem 01.01.1995)

      12. Zwölftes Buch (SGB XII), Sozialhilfe (01.01.2005)

      Hinweis: Ab dem 01.01.2024 wird als Vierzehntes Buch (SGB XIV) das Soziale Entschädigungsrecht in Kraft treten.

      Darüber hinaus gibt es noch weitere Sozialgesetze des Bundes, die noch nicht in das Sozialgesetzbuch eingeordnet sind, gleichwohl aber bereits als dessen besondere Teile gelten:

      

      Übersicht 3

      Besondere Teile des SGB gemäß § 68 Nrn. 1 bis 17 SGB I, u.a.

      – Bundesausbildungsförderungsgesetz

      – Bundesversorgungsgesetz sowie weitere Gesetze, die dessen entsprechende Anwendung vorsehen

      – Bundeskindergeldgesetz

      – Wohngeldgesetz

      – Adoptionsvermittlungsgesetz

      – Unterhaltsvorschussgesetz

      – (teilweise) Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz

      – (teilweise) Schwangerschaftskonfliktgesetz

      Den verschiedenen Büchern des SGB und den übrigen Sozialgesetzen liegen teilweise sehr unterschiedliche Strukturprinzipien zugrunde (Kievel et al. 2018, Kap. 14.0, Kookemoor 2020, 1. Kap. III., aber auch z.B. ISS / Kreft 2011, Kap. 1.3; Falterbaum 2020).

      Übersicht 4

      Strukturprinzipien des Sozialrechts

      1. Versicherung (mit Beiträgen zu den fünf Zweigen der Sozialversicherung, grds. beitragsfinanziert).

      2. Versorgung (insbesondere bei Gesundheitsschäden nach dem Sozialen Entschädigungsrecht;


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