Durchgeknallt. Wolfgang Breuer

Durchgeknallt - Wolfgang Breuer


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umringt von Schaulustigen, die jede Menge anerkennende Schulterklopfer für den Mutigen übrig hatten. „Das war ja der Hammer, wie Sie den zusammen gefaltet haben“, meinte ein Junge, vielleicht gerade mal 15 Jahre alt.

      ‚Wenn die wüssten, wie mir zumute war‘, dachte er nur, als er zum Ort des Geschehens zurückging. Aber die Anerkennung tat ihm gut. Klaiser grinste zufrieden in sich hinein.

      „Samma, dämm hässe awwa ordentlisch die Fresse poliert. Wie jing dat dann?“, wollte der Größere von den beiden Kollegen in breitestem Kölsch wissen. Während der andere gerade dabei war, per Funk einen Rettungssanitäter heranzuholen. Den mittlerweile verstummten, aber immer noch blutenden Gestrauchelten hatten sie derweil im Inneren des VW-Busses an einem Haltegriff angekettet.

      Klaus´ Erklärung zu den wirklichen Umständen wollte der Kölner gar nicht so richtig glauben und grinste breit „Dä häddet sischer verdient“, meinte er nur. „Oder jloubst du, dat dämm Kaventsmann dat jeile Auto jehört? Dat iss doch vill zo kleijn füa dänn. Un zo düa. Dat hät dä doch jarantiert irjendwo jeklout.“

      Kurz darauf klemmte er sich an den Funk und fragte die Autonummer in der Zentrale ab.

      „Die hann im Moment zo vell zo donn“, kam er kurz darauf wieder zurück. „Do is irjendwo ’n Riesensouereij im Jang. Da is de Kacke rischdisch am Dampfen.“

      „Kann ja wohl nicht an uns liegen“, lachte Klaus und freute sich auf seine Frau und ein ordentliches Abendessen. So langsam hing ihm nämlich der Magen zwischen den Knien. Und Ute, Physiotherapeutin in einer der Berleburger Kliniken, dürfte längst zu Hause sein und schon mal alles vorbereitet haben. Am Mittag hatten sie noch telefoniert und sich für fünf Uhr verabredet. Das würde zwar knapp, aber käme immer noch hin. Bis nach Hause bräuchte er von hier aus im Wagen gerade mal zwei, drei Minuten.

      Die beiden hatten sich nach Klaisers Versetzung zur Polizei in Berleburg ein schmuckes Häuschen hier im Ort gemietet. 130 Quadratmeter, so gut wie neu, direkt am Ortsrand. Nicht weit weg von der Straße zur Krimmelsdell. Ein herrliches Eckchen mit hoher Feierqualität. Das war wichtig in Berghausen.

      Ute war schon zwei Jahre vor ihm in die Kurstadt gekommen, in deren Namen die Einheimischen das „Bad“ gerne wegließen. Aus purer Gewohnheit. Berleburg war zwar schon eine halbe Ewigkeit für Kneippkuren bekannt. Den Titel „Bad“ hatte die Kleinstadt aber erst 1971 bekommen.

      Doch das Kuren nach Pfarrer Kneipp hatte die Zeit nicht überdauert. Die meisten Kliniken hatten sich mittlerweile auf Rehabilitationstherapien spezialisiert. Auf die Heilung von Schlaganfallpatienten oder solchen mit schweren Traumata oder massiven Hörschäden, zum Beispiel. Blitzgüsse und Heusäcke hatten Therapien in Neurologie, Psychologie oder Psychosomatik Platz gemacht.

      Und genau dort hatte die damals frisch gebackene Physiotherapeutin und Schwimm- und Bademeisterin Ute angeheuert. In einer gerade umfunktionierten Doppelklinik.

      Zum Leidwesen von Klaus, damals noch Polizeikommissar bei der Münsteraner Schutzpolizei.

      Zwei Jahre lang war der aufstrebende Schutzmann an freien Wochenenden ins Wittgensteiner Land gefahren, um seine bildhübsche Freundin zu besuchen. Die musste in der Klinik häufiger auch an Samstagen Dienst schieben. Da war sein Besuch hier schon praktischer.

      Und zwischendrin feilte er an seiner Karriere, wechselte nach Lehrgängen zur Kripo und wurde befördert.

      2013 schließlich hatte er die Chance, als Hauptkommissar bei der Kripo in Berleburg einzusteigen. Das passte prima zu den Heiratsplänen des Paares, das sich hier auf dem Land mit seinen etwas knorrigen, aber unheimlich herzlichen Menschen sauwohl fühlte. Er griff zu.

      Den Klaisers gefiel Bad Berleburg und seine Umgebung. 23 Ortsteile mit insgesamt nur knapp 20.000 Einwohnern. Das war so richtig nach dem Geschmack der beiden, die bei Telgte im Münsterland groß geworden waren. „Unheimlich viel schöne Gegend hier“, hatte Ute mal gesagt.

      Beide liebten das Leben auf dem Land, waren begeisterte Wanderer und Skifahrer und vor allem keine Schönwetter-Anbeter. Das war wichtig in einem Landstrich mit gefühlten 250 Regen- und Schneetagen pro Jahr.

      Heute war es übrigens trocken und warm. Ein Septembertag, wie man ihn gerne hatte. Und es versprach ein schöner Abend zu werden, als der Rettungswagen heranrollte. Endlich. Ein Rettungsassistent und eine Notärztin kletterten aus dem Fahrzeug. Der Fahrer wendete und stellte den Wagen neben dem Polizei-Bulli ab. Zwischenzeitlich hatten sich auch die Gaffer am Straßenrand verkrümelt.

      Klaus Klaiser und der Kleinere von den beiden Kölner Kollegen kümmerten sich um den Chaoten. Losschließen vom Haltegriff und Hände auf den Rücken. Damit er keine Dummheiten macht.

      Nebenbei erklärte der Hauptkommissar den Rettern in kurzen Zügen, was passiert war und wie es zu den Verletzungen des Gefesselten gekommen war. Dann ging es an dessen grobe Untersuchung.

      „Das an der Stirn werden wir klammern müssen. Und das hier an der Lippe auch“, erklärte die Ärztin, als sie sich das Gesicht näher angeschaut hatte. „Haben Sie schlimme Schmerzen?“

      Der Fleischkloß schwieg.

      „Wir nehmen ihn am besten gleich mit ins Krankenhaus nach Bad Berleburg. Da kann er sofort in der chirurgischen Ambulanz behandelt werden“, beschied die junge Medizinerin. Ohne eine Reaktion der Polizisten abzuwarten bat sie darum: „Am besten machen Sie ihm die Handschellen ab. Damit er auf dem Rücken liegend transportiert werden kann. Der Mann hat bei dem Sturz auf die Fahrbahn mit ziemlicher Sicherheit eine Gehirnerschütterung abbekommen. Einer von Ihnen kann uns ja im Rettungswagen begleiten.“

      Nebenan im VW-Bus knarzte der Funk. Der große Kölner wurde gerufen und gebeten, sich per Handy zu melden. Was dieser auch sofort tat. Dann wurde er still. Sekunden hörte er gebannt zu, um dann die Augen weit aufzureißen. „Ach du dicke Scheijße!“, rief er, „dat hat uns jerade noch jefehlt. … Juut … Okay, isch meld‘ misch jleisch wieder.“

      Fast auf Zehenspitzen pirschte er zum Rettungswagen, wo sie gerade den Porschefahrer auf die Trage legen wollten. Der stand mit dem Rücken zur Tür am Heck. Hinter ihm aber der kleinere Polizist, der mit dem Schlüssel an den Handschellen herumfingerte. Und dahinter der Rettungssanitäter. An der offenen Seitentür innen die Notärztin, außen der Hauptkommissar.

      „Hörens“, flüsterte der Kölner Klaus Klaiser ins Ohr, „dä Typ da is‘ extrem jefährlisch. Dä hät nit nua dat Auto jeklout. Dä hät wahrscheijnlisch och dänn Besitzer entführt. Enne Industrielle ous‘em Souerland. Loss dä Kääl bloß anjekettet.“

      Aber dazu war es schon zu spät. Mit einem wuchtigen Stoß seines inzwischen nicht mehr gefesselten rechten Arms katapultierte der Bodybuilder die Notärztin aus dem Wagen – direkt in Klaisers Arme und in die des daneben stehenden Kollegen. Die beiden konnten sich kaum auf den Beinen halten. Dann schoss der Koloss förmlich herum, packte den geschockten Polizisten hinter ihm am offenen Kragen der Einsatzkombi und knallte ihn gegen die Brust des Rettungssanitäters, der jetzt das Gleichgewicht verlor und rückwärts aus dem Wagen stürzte.

      Sekundenbruchteile später hatte der Gangster die Dienstwaffe des Beamten in der Hand, die dieser offen an der Hüfte getragen hatte. Rausgerissen aus dem Holster.

      „Weg hier, fonft mach‘ ich euch alle platt“, nuschelte er und verspritzte dabei eine Menge Blut aus seiner gespalteten Lippe.

      Noch ehe Klaiser zur Waffe unter dem Sakko greifen konnte, war er ihnen aus dem Krankenwagen entgegen gesprungen. Doch dabei hatte er sein lädiertes linkes Bein vergessen und beim Aufkommen laut aufgeschrieen.

      Der große Kölner erkannte darin seine Chance und machte einen Satz nach vorne, um dem Gestrauchelten die Pistole zu entringen. Aber der schoss sofort.

      „Buff“. Der Knall entwickelte sich gar nicht richtig. Der Schuss war aufgesetzt und hatte ein qualmendes kreisrundes Loch in den linken Oberschenkel von Polizeihauptmeister Markus Schröder gebohrt. Fassungslos stierte der auf seine Verletzung und kippte seitlich um. Schmerzen schien er noch nicht zu haben. Aber einen Schock.

      Instinktiv umarmte


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