Baobab - Die heilsame Frucht des Apothekerbaums. Kompakt-Ratgeber. Barbara Simonsohn
Freya, damals zehn Jahre alt, in der Savanne Südafrikas unterwegs. »Mama, guck mal, ein Baum – auf den Kopf gestellt!«, entfuhr es ihr beim Anblick des ersten Baobab-Baumes, den sie sah. Genau so heißt er auf Englisch: »Upside-down-tree.« Die Afrikaner selbst nennen den Affenbrotbaum »Apothekerbaum« oder »Symbol der Erde«. Den Vorfahren der Menschen diente er schon seit mehr als zwei Millionen Jahren als Nahrungs- und Wasserquelle und Schattenspender. So gut wie alles an ihm kann man essen, als Medizin verwenden oder zu etwas Nützlichem verarbeiten. Vielleicht kennen Sie den Baobab auch aus der Netflix-Serie »The Queen«. Die britische Thronfolgerin Elizabeth wohnte im The Treetops Hotel (→ Wikipedia) in einem Baumhaus inmitten eines Baobab-Baums, als sie vom Tod ihres Vaters und ihrer damit beginnenden Regentschaft erfuhr. Ihr Bodyguard Jim Corbett schrieb die berühmten Zeilen in sein Tagebuch: »Das erste Mal in der Weltgeschichte erklomm ein junges Mädchen an einem Tag einen Baum als Prinzessin und nach diesem, ihrem ›aufregendsten Erlebnis‹, wie sie es beschrieb, stieg sie am nächsten Tag als Königin hinab – Gott segne sie.«1 Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie den Affenbrotbaum kennen. Nämlich aus »Der kleine Prinz« von Antoine de Saint-Exupéry. Dort kommt der junge Adelige ganz schön ins Schwitzen, weil sein Planet nur winzig ist und er täglich Schösslinge ausreißen muss, damit die Baobabs nicht irgendwann seinen Stern von innen sprengen. Was vielleicht der Autor nicht wusste: Affenbrotbäume sind Flachwurzler. Vielleicht hat der Baobab aber eine ganz andere, positive »Sprengkraft« als Superfrucht der Zukunft?
Baobab, der Affenbrotbaum, ist das Symbol Afrikas. Jeder, der diesen Baum sieht, ist von Ehrfurcht erfüllt. Baobabs sind bei Weitem nicht die höchsten, aber die dicksten Bäume der Welt und werden bis zu 2000 Jahre alt. Michel Adanson, der Namensgeber des lateinischen Adansonia digitata, schreibt 1757: »Ich konnte den Baobab-Baum mit ausgestreckten Armen 13-mal umfassen, um ihn ganz zu umrunden. Ich glaube nicht, dass es irgendwo auf der Welt dickere Bäume gibt.« In seinem Stamm kann der Baobab bis zu 140 000 Liter Wasser speichern. Den größten Teil des Jahres ist der Baum unbelaubt, und die Photosynthese spielt sich dann in der grünen Rindenschicht ab. Dann sehen Affenbrotbäume aus, als ragten ihre Wurzeln in den Himmel.
Alle seine Teile sind nutzbar als Nahrungsmittel, für Stoffe und Seile, für Gefäße, und auch für Medizin. In vielen Ländern Afrikas wird der Baobab als heilig verehrt, und wer einen Baum fällt, wird hart bestraft. Unter bestimmten uralten Affenbrotbäumen halten Afrikaner ihre Dorfversammlungen ab, feiern Feste oder treten dort in Kontakt mit ihren Ahnen.
Für mich ist der Affenbrotbaum ein Geschenk des Himmels für den Menschen der heutigen Zeit, weil er an ursprünglicher Power nicht zu toppen ist. Unser Planet kann noch mehr Baobabs vertragen: für Mensch und Tier und unsere Kinder und Kindeskinder. Für mich steht der Affenbrotbaum für das große Herz Afrikas.
INFO
MEINE BAOBAB-MEDITATION
Wer einmal einen ausgewachsenen oder gar alten Baobab-Baum erleben durfte, ist voller Ehrfurcht. Rupert Watson schreibt in seinem traumhaft bebilderten Buch »The African Baobab« von 2007: »Es gibt eine Stille und Gelassenheit unter einem alten Baobab-Baum zum Sonnenuntergang, der sich niemand entziehen kann.« Inspiriert zu meiner Meditation wurde ich auch von dem Zitat von Ernestine Hill aus dem Jahr 1940, das ich in Watsons Buch fand: »Baobabs sind wie Schutzengel für den Menschen. Sie liefern Nahrung für seinen Hunger, Wasser für seinen Durst, ein Haus zum Drinleben, Fasern, um sich zu bekleiden, Futter für seine Herde, ein Seil, um sich aufzuhängen, und einen Grabstein, wenn er tot ist – das alles sind die Geschenke des Baobabs für den Menschen. In der ganzen Natur gibt es keine Allianz, die so freundlich ist, mit der einzig möglichen Ausnahme, der Kokospalme.«
Ich erholte mich nach einer Safarireise durch die Nationalparks Kenias am wunderschönen Diana-Beach südlich von Mombasa. Ausgewachsene Baobab-Bäume sehen wegen ihrer Form und elefantenhautartigen Rinde bereits uralt aus. Ich setzte mich unter einen dieser Riesen, und er flüsterte mir zu:
»Ich begleite euch Menschen seit Anbeginn der Zeit als Nahrungsquelle, Apotheke und Quelle der Inspiration. Seit alters her stehe ich auch für Güte, Großzügigkeit, Hingabe, Resilienz und Ewigkeit. Äußere Wunden tun mir nichts. Ich heile sie einfach. Wenn ihr von mir esst, werdet auch ihr diese Widerstandsfähigkeit erlangen. Stress kann mir nichts anhaben. Ich speichere Wasser in meinem Stamm und wappne mich damit für Dürren und andere Krisen. Meine Stärke wird zu eurer Stärke, wenn ihr euch mit mir verbindet, wenn ihr meine Gaben annehmt. Wachst wie ich gerade und aufrecht und wachst zu eurer eigenen Großartigkeit heran. Werdet auch ihr von Weitem gesehen. Fühlt euch wie ich mit allem verbunden, und steht ihr auch mal allein da. Pflanzt einen Baobab-Samen und damit Hoffnung für unseren geschundenen Planeten. Damit auch eure Kinder und Kindeskinder noch von meinen Früchten essen und unter meinem Blätterdach Schatten und Kühle finden.
Ich verbinde euch mit dem Ursprung, mit eurer Heimat Afrika, und damit mit eurer spirituellen Herkunft. Ich schlage den Bogen über viele, viele Generationen und erde euch. Ich bin ein kleines Universum und schenke vielen Tieren eine Heimat. Seid auch ihr großzügig und Heimat für viele Kleine und Schwache. Weil ich Wasser speichern kann, bin ich Lebensretter für Mensch und Tier. Ich symbolisiere das Wasser des Lebens und den Ursprung des Seins. Ich schenke euch Gesundheit, Widerstandsfähigkeit, Charakterstärke und ein sonniges Gemüt.
Ich mache euer Herz weit und stehe für die Zeit der Transformation.«
Ich wurde an die berühmte Rede von Häuptling Seattle aus dem Jahr 1854 erinnert, in der es heißt: »Lehrt eure Kinder, was wir unsere Kinder gelehrt haben, dass die Erde unsere Mutter ist. Was immer der Erde widerfährt, widerfährt den Söhnen und Töchtern der Erde … Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns … Unser Gott ist derselbe Gott. Diese Erde ist ihm heilig.«2 Selbst Papst Franziskus hat daran erinnert, in seiner Enzyklika »Laudato si’«, dass die Schöpfung fragil ist und wir dazu verpflichtet sind, sie zu bewahren. Das gibt Hoffnung.
Die Erde ist Milliarden Jahre gut ohne uns Menschen ausgekommen. Wir aber können ohne die Erde nicht leben. Möge es noch lange Leben auf diesem Planeten geben, Schönheiten wie Baobabs wachsen, blühen und fruchten und Myriaden von Lebewesen den Reigen der Schöpfung tanzen.
Baobab, Afrikas Wunderbaum
Die Geschichte und Verbreitung des Baobab-Baumes
Rupert Watson schreibt in seinem Buch,3 dass die Buschmänner von Namibia und Botswana immer noch auf Baobab-Zisternen angewiesen sind, ohne die sie nicht durch die wasserlose Wüste der Kalahari reisen könnten. Weil das Baobab-Fruchtfleisch so ein beliebtes Nahrungsmittel in Afrika ist, ist die Verbreitung des Baumes auch entsprechend hoch: Das Fruchtfleisch wird gegessen, die Samen ausgespuckt, und sie können so gleich an Ort und Stelle keimen. F. W. H. Migeod schrieb 1924 in »Through Nigeria to Lake Chad«: »Wenn man Baobab-Bäume in der Wildnis findet, zeugen sie meist von einem Dorf, das es irgendwann einmal dort gab.«4
Die Heimat des afrikanischen Baobabs ist Afrika südlich der Sahelzone bis zum Süden Afrikas in frostfreien Gegenden. Adansonia digitata wurde als erster Affenbrotbaum entdeckt und beschrieben. Er ist der typische Baum der afrikanischen Savanne und tritt dort als Solitär, also einzeln, auf oder in kleinen Baumgruppen. Seine Ansprüche an Boden und Klima sind sehr moderat. So wächst er auf bis zu 1500 Metern Höhe und verträgt sogar salzigen Boden. Trockenheit macht ihm nichts aus. Er wirft vorher seine Blätter ab und kann bis zu 140 000 Liter Wasser – das sind rund 800 Badewannen voll! – in seinem dicken Stamm speichern.
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