Elbkiller: 7 Hamburg Krimis. Alfred Bekker

Elbkiller: 7 Hamburg Krimis - Alfred Bekker


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zappelte hin und her und versuchte, sich aus dem eisernen Griff zu befreien.

      Cornelius Brock wusste sofort, dass der Junge keine Chance gegen seinen sehr viel stärkeren Cousin hatte.

      Er hob die Hand. „Keiner rührt sich!“

      „Richtige Entscheidung!“, brüllte Tim Holler. „Alle ziehen sich zurück, bis ich bei meinem Auto bin. Fahrt den Streifenwagen vom Tor weg!“

      Brock musterte den Mörder, der jetzt langsam die Treppe herunterkam, den Jungen wie einen Schild vor sich her schiebend. Das Messer blieb dabei unverändert an seinem Platz.

      Brock hatte die Waffe mit ihrer merkwürdigen wellenförmigen Klinge schon gesehen. Sie stammte ebenfalls aus der Sammlung des Hausherrn. Ein malaiischer Kris, wie er sich erinnerte.

      Er gab den beiden Uniformierten ein Zeichen. „Tut, was er sagt.“

      Sie zogen sich vorsichtig zur Einfahrt zurück, um ihren Wagen zur Seite zu fahren. Spengler nestelte an seinem Holster herum, wagte es aber nicht, seine Pistole zu ziehen. Brock brauchte das gar nicht zu versuchen, denn er trug wie fast immer, keine Dienstwaffe bei sich.

      Tim Holler machte einige weitere Schritte auf Brock zu.

      „Gehen Sie zur Seite!“, herrschte er den Hauptkommissar an.

      Brock sah, dass sich an Daniels Hals bereits eine schmale rote Spur gebildet hatte und dass der Junge leise weinte. Er war dabei so sehr auf Tim fixiert, dass er nicht mitbekommen hatte, wie Anton Holler in das Haus zurückgelaufen war. Der alte Mann stand plötzlich wieder vor der Tür, diesmal hielt er allerdings eines seiner teuren Jagdgewehre in der linken Hand. Mit der anderen, deutlich zitternden Hand, lud er eine ziemlich große Patrone in den Verschluss und lud durch. Dann kam er die Treppe herunter gestürmt, direkt auf seinen Neffen zu, der ihn noch nicht bemerkt hatte.

      „Du wirst nicht noch einen Sohn von mir umbringen!“, schrie er mit sich überschlagender Stimme und richtete seine Waffe auf den Kopf von Tim, der sich dadurch nicht beeindrucken ließ und nur verächtlich grinste.

      Spengler hatte inzwischen doch seine Walther gezogen und blickte unsicher zu Brock, als erwarte er eine Anweisung. Sein Chef ließ sich nicht ablenken und behielt die Gruppe vor ihm im Auge. Tim Holler stand etwa drei Meter von ihm entfernt, den hilflosen Daniel immer noch mit festem Griff umklammert. Von der roten Linie an Daniels Hals hatte sich ein Tropfen gelöst und rann langsam hinunter. Im Gesicht des Jungen hatte sich Verzweiflung breitgemacht.

      „Lassen Sie Daniel los“, sagte Brock ruhig. „Sie wissen, dass Sie hier nicht rauskommen. Hier sind eine ganze Reihe bewaffneter Beamter, die werden Sie nicht gehen lassen.“

      In der Ferne erklangen Sirenen. Die von Spengler herbeigerufene Verstärkung. „Hören Sie das? Es kommen noch mehr.“

      Tim Holler wich Schritt für Schritt in Richtung des Parkplatzes zurück, gefolgt von seinem Onkel, der Mühe hatte, den schwankenden Lauf seiner Waffe unter Kontrolle zu behalten.

      „Ich werde dieses Grundstück verlassen!“, drohte Tim mit gefährlich klingender Stimme. „Wenn der Junge dabei stirbt, ist das Ihre Schuld. Lassen Sie mich einfach gehen. Ich nehme Daniel mit und werde ihn freilassen, wenn ich in Sicherheit bin.“

      Brock riskierte es nicht, dem Wahnsinnigen zu folgen. Daniel zu retten, hatte jetzt höchste Priorität. Er suchte fieberhaft nach einer Lösung für diese Situation, mit der niemand gerechnet hatte.

      „Bleib stehen!“, kreischte Anton Holler. „Lass meinen Jungen los!“

      „Von dir lasse ich mir schon lange nichts mehr sagen“; entgegnete sein Neffe. „Du lebst doch in einer Traumwelt in deinem Kontor!“

      In das letzte Wort legte Tim seine ganze Verachtung, und sein Onkel begann am ganzen Körper zu zittern. Das Gewehr schwankte noch stärker.

      „Markus war ein Versager“, fuhr Tim fort. „Er war nur dein Lakai und besaß keine einzige brauchbare Idee. Du hättest mich zu deinem Nachfolger machen sollen, dann wäre das alles hier vielleicht nie passiert, und die Zukunft deines Unternehmens wäre gesichert!“

      „Das ist sie jetzt auch!“, rief Anton Holler.

      Alle zuckten zusammen, als völlig überraschend der Schuss losdonnerte. Der Lauf des Gewehres schwang durch den Rückstoß hoch, und Anton Holler stolperte einen Schritt zurück.

      Tim Holler wurde halb um seine Achse geschleudert und brach zusammen wie eine Marionette, der man die Schnüre durchgeschnitten hatte. Brock war mit wenigen Schritten blitzschnell bei ihm und fing den fast ohnmächtigen Daniel auf.

      Der malaiische Kris lag glitzernd und unschuldig in der Nachmittagssonne. Nur ein winziger roter Fleck an der gewellten Klinge verriet, wo er sich gerade noch befunden hatte.

      Von allen Seiten kamen die auf dem Gelände verstreuten Beamten gelaufen, die Waffen in den Händen.

      „Kümmert euch um ihn!“, befahl Brock und übergab den Jungen einem der Polizisten. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Spengler in sein Handy sprach. Der Notarzt würde gleich unterwegs sein.

      Als Nächstes nahm er Anton Holler das Jagdgewehr sanft aus der Hand. Jetzt erst erkannte er, dass die Waffe ein ziemlich großes Kaliber besaß, und sein Blick wanderte zu Tim Holler, der zu Boden gesunken war und stöhnte. Er lag auf dem Rücken und unter seinen Schultern und dem Kopf hatte sich bereits eine kleine Blutlache gebildet.

      Anton Holler hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. „Was habe ich getan?“, murmelte er.

      Zwei der Beamten führten in zu einer Bank und ließen ihn sich setzen.

      Spengler kniete inzwischen neben dem Verletzten. „Ich sehe eine Schusswunde auf der Schulter dicht am Hals“, verkündete er. „Die Hauptarterie ist wohl nicht getroffen, sonst würde es viel stärker bluten. Es ist aber ein ziemlich großes Loch!“

      Einer der Streifenpolizisten war in der Zwischenzeit zum Wagen gerannt und kam mit einem Erste-Hilfe-Koffer zurück. Mit geübten Bewegungen drückte er Tim Holler eine Kompresse auf die Wunde, um die Blutung zu stillen.

      „Wir dürfen seine Lage nicht verändern, bis der Arzt kommt“, sagte er. „Wir wissen nicht, was in Mitleidenschaft gezogen wurde.“

      Es dauerte nicht lange, bis weitere Streifenwagen auf das Grundstück fuhren, und wenig später kam der Notarztwagen. Jetzt kümmerten sich die Profis um den Verletzten, und Brock war eine Sorge los.

      Plötzlich bemerkte er, dass Elisabeth Holler schreckensstarr auf der Treppe zur Villa stand. Wie in Trance kam sie herunter und ging auf ihren Mann zu. Brock wusste nicht, was sie alles mitbekommen hatte. Die Familie würde jedenfalls noch lange an diesem Schock leiden müssen.

      Brock blickte auf den Haftbefehl, den er immer noch in der Hand hielt. Inzwischen war er leicht zerknittert. Er faltete das Papier wieder zusammen und steckte es ein. So wie es aussah, würde es einige Zeit dauern, bis er Tim Holler damit konfrontieren konnte.

      Brock winkte Spengler heran. „Rufen Sie Anton Hollers Schwiegersohn an. Er wird jetzt einen guten Anwalt brauchen.“

      Spengler deutete zur Toreinfahrt. „Nicht nötig. Dort kommt er schon.“

      Ein Polizist begleitete Kurt Berghoff und seine Frau Maria auf das Grundstück. Die beiden starrten völlig verschreckt auf die Szene, die sich ihnen bot.

      Ein Verletzter, der gerade in einen Krankenwagen geschoben wurde, Anton Holler, der mit den Händen vor dem Gesicht auf einer Bank saß, neben ihm seine Frau, die ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter gelegt hatte, und schließlich Daniel, der sich an der Schulter eines Polizisten ausheulte.

      „Wir werden eine Menge zu erklären haben“, sagte Brock leise.

      *

      Ein paar Tage später saß Hauptkommissar Cornelius Brock allein an einem Tisch in der Kantine und kaute lustlos an einem Stück Fleisch.


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