Handbuch E-Learning. Patricia Arnold

Handbuch E-Learning - Patricia Arnold


Скачать книгу
UNESCO-Kommission 2014).

      Offene Bildung

      Internetbasierte Studiengänge erleichtern darüber hinaus nicht traditionellen Studie­rendengruppen den Zugang zur Hochschulbildung (Arnold/Kumar 2014a, 2014b) und fördern damit eine Öffnung der Hochschulen, verstanden als Reduzierung von Zugangsbarrieren zur akademischen Bildung. So können z. B. Studieninteressierte in abgelegenen Regionen, die mit unterschiedlichsten Fürsorgeaufgaben oder Mobilitätseinschränkungen belastet sind, an akademischer Bildung teilhaben. Insbesondere berufsbegleitende Studienformate können durch E-Learning in vielfacher Weise sinnvoll unterstützt werden, und damit kann auch eine produktive Verbindung verschiedener Lernorte hergestellt werden.

      Mit Open Educational Resources (OER) (UNESCO 2002, 2012) und Massive Open Online Courses (MOOCs) (vgl. Schulmeister 2013a) werden weiterhin Zugangsbarrieren zu Bildungsmaterialien und Kursen für alle reduziert und die Öffnung von Hochschulen, aber auch offene Bildung in allen Bildungsbereichen unter aktiver Beteiligung aller Interessierten unterstützt. Hochschulen und auch Bildungseinrichtungen müssen Orte neuer Ideen und deren kritischer Reflexion in der Entwicklung unserer Gesellschaft sein. Dies ist im Sinne einer erhöhten Durchlässigkeit von Bildungsinstitutionen sowie einer größeren Zugänglichkeit von Bildungsressourcen in offenen Bildungsräumen (siehe Kap. 3.5.1) für alle Menschen im Sinne des Menschenrechts auf Bildung. Die Teilnehmenden können kommunikativ vernetzt lernen und auch eigene Projekte zum selbstorganisierten, kooperativen und kolaborativen Lernen einrichten und in digitalen Medien allen präsentieren, z. B. in einer allen zugänglichen Bildungscloud (Meinel 2017). Bildungsmaterialien, die mit offenen Lizenzen versehen sind, die den kostenlosen Zugang und die kostenlose Nutzung der Materialien, ihre Bearbeitung oder Weitergabe ohne oder mit nur wenigen Beschränkungen erlau­ben, tragen zu einer größeren Teilhabe aller Menschen an Bildung bei und damit zu einer wachsenden Bildungsgerechtigkeit (Deutsche UNESCO-Kommission 2014). MOOCs ermöglichen gegenwärtig weltweit die meist kostenlose Teilnahme an in­ternetbasierten Kursen amerikanischer Elite-Universitäten und zunehmend auch europäischer Hochschulen, unabhängig von einer Hochschulzugangsberechtigung oder anderer formaler Voraussetzungen (zu MOOCs siehe Kap. 4.3.3 und zu OER Kap. 5.5).

      2.2 Anforderungen an virtuelle Bildungsangebote

      Defizite bisheriger Bemühungen

      Vor einigen Jahren wurde festgestellt (Carstensen 2009, 252 ff.), dass die entwickelten digitalen Bildungsmedien, trotz vieler Förderprojekte z. B. in Hochschulen, überwiegend nur zur Ergänzung der traditionellen Lehrveranstaltungen verwendet wurden. Eine Reorganisation z. B. der Hochschullehre erfolgte nur sehr selten (Bloh 2010, 7). E-Learning war zwar bereits ein ergänzender Bestandteil in Bildungsprozessen geworden, aber bestimmte noch nicht durchgängig den Alltag im Lehren und Lernen. Wie sich der gegenwärtige Hype um MOOCs (Massive Open Online Courses) langfristig z. B. auf die Hochschullehre auswirken wird, bleibt abzuwarten – eine revolutionäre Veränderung der Lehre ist eher unwahrscheinlich, vielleicht können damit im globalen Hochschulwettbewerb verstärkt Studierende aus anderen Ländern eingeworben und auf ein Studium in Deutschland vorbereitet werden, was auch für andere Bildungsangebote möglich ist. Bislang wurde weder der Aufwand für die erforderliche Professionalisierung der Lehre und des Studiums hinreichend beachtet, noch wurden die Arbeitsbedingungen der Lehrenden entsprechend angepasst und ihr Engagement hinreichend anerkannt. Denn E-Learning-Angebote und virtuelle Bildungsräume müssen von den Lehrenden gepflegt, aktualisiert und erweitert werden. Ebenso bedarf es speziell dafür eingerichteter Support-Strukturen, die mediendidaktische und technische Beratung für Lehrende anbieten können.

      Auch fehlt oft eine ausführliche Dokumentation zur Unterstützung der Übertragung auf weitere Lehrangebote, weil dies zusätzliche Arbeit macht (Haug/Wedekind 2009, 30). Meist ist auch noch nicht begriffen worden, dass E-Learning einen grundlegenden kulturellen Umbruch im Lehren und Lernen zur Folge hat, der auf eine wachsende Eigenständigkeit der Lernenden hinausläuft. Dieser kulturelle Umbruch deutet sich bereits an in der breiten Nutzung von multimedialen Informationen, elektronischer Kommunikation und sozialen Gemeinschaften im Internet durch die Lernenden. Die durch Web-2.0-Anwendungen verfügbaren Dienste könnten sehr gut für die Gestaltung individueller und kooperativer Bildungsprozesse zur Entwicklung verallgemeinerter Handlungskompetenzen genutzt werden, und zwar unabhängig von der Bereitstellung virtueller Bildungsräume durch die Bildungsein­richtungen. Für diese offenen Anwendungen im Web 2.0 müssen allerdings auch entsprechende Lehr- und Lernkonzepte entwickelt werden. Beispielsweise durch eine Aufgaben- bzw. Projekt- und Produktorientierung von Lehren und Lernen im Web 2.0, die an praktischen und theoretischen Problemstellungen in der Gesellschaft ansetzt, könnten ganz neue Chancen für eine Verbindung von Praxis und Theorie im Lehren und Lernen eröffnet werden.

      Konsequenzen

      Bereits früher hatte Kerres (2001c, 17) festgestellt, dass „der Wirkungsgrad dieser Aktivitäten im Hinblick auf qualitative Veränderungen im Lehrbetrieb [...] überraschend gering [blieb]. Ansätze zur nachhaltigen Veränderung von Lehre sind bislang nur punktuell sichtbar. Oft enden Bemühungen zu didaktischer Reform mit dem Ende von Projektförderungen.“ Auch ein Jahrzehnt später stellt Bloh (2010, 9) fest: „E-Learning in der Hochschullehre ist somit keine revolutionäre Innovation, sondern erweist sich als inkrementale Innovation, die in eher kleinen Entwicklungsschritten erfolgt.“ Die Erwartungen waren offensichtlich zu sehr an der technischen Machbarkeit orientiert, während die Fragen einer sinnvollen didaktischen Gestaltung und Einbettung virtueller Lernangebote in Bildungsprozesse noch weitgehend unbeachtet blieben. Bereits Schulmeister (2001, 363) forderte daher eine Korrektur falscher Einschätzungen. Auch Seufert/Euler (2003, 2) sahen die Zukunft des E-Learning „an einem Scheideweg: entweder etabliert sich eLearning zunehmend als integraler Bestandteil der Lehre […], oder eLearning bleibt dort ein Fremdkörper und der bildungstechnologische Friedhof wird neben dem Schulfernsehen, der programmierten Instruktion und dem Sprachlabor um eLearning erweitert“. Kerres (2007) sah die Ursache dafür in den noch weithin fehlenden Medienkompetenzen der Lehrenden. Dabei blieb meist auch unbeachtet, dass die Entwicklung, der Betrieb und die laufende Aktualisierung medialer Bildungsangebote einen nicht unerheblichen zusätzlichen Zeitaufwand erfordern, der das Engagement der Lehrenden in Grenzen hält, wenn sie nicht durch Kompetenzzentren und Tutoren unterstützt werden.

      Funktion von E-Learning in Bildungsprozessen

      Diesen geäußerten negativen Erwartungen lässt sich entgegenhalten, dass in der Vergangenheit keineswegs alle bildungstechnologischen Innovationen gescheitert sind. Wo sie als Medium im pädagogischen Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden dienten, sind sie keineswegs misslungen, sondern trugen zur Verbesserung der Qualität, der Wirksamkeit und Effizienz des Lehrens und zu einem motivierten und erfolgreichen Lernen bei. Die Funktion digitaler Bildungsmedien als im pädagogischen Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden vermittelndes Medium ist für ihre Nutzung und Akzeptanz entscheidend. Dies gilt insbesondere – aufgrund ihrer Interaktivität – für die computer- und internetgestützten Multimedien (Issing/Klimsa 2002; Klimsa/Issing 2011). Das persönliche Gespräch sowie die immer erneute Vereinbarung der Ziele, Inhalte und Methoden zwischen Lehrenden und Lernenden sind in Bildungsprozessen unverzichtbar. Die herausragende Bedeutung des Handelns der Lehrenden für gelingende (formale) Bildungsprozesse wurde jüngst auch in der breit angelegten Metastudie von Hattie (2013) belegt. E-Learning-Angebote sind daher so zu gestalten, dass sie kommunikative Lehr- und Lernprozesse nicht ersetzen, sondern diese in ihrer Qualität, Offenheit und Ergebnisorientierung unterstützen und weiterentwickeln.

      Aufbau von Kompetenzzentren

      Die Unterstützung der Lehrenden und Lernenden in Fragen der Medienkompetenz, der Mediendidaktik, der Organisation sowie der Qualitätssicherung hat sich z. B. an Hochschulen (Kleimann/Schmid 2007, 193) als eine Voraussetzung für die Entwicklung, Etablierung und Nutzung von E-Learning erwiesen. Einige Hochschulen haben daher eigene oder kooperative E-Learning-Kompetenzzentren aufgebaut, die den Lehrenden neben unmittelbaren technischen und personellen Unterstützungen auch Schulungen, Beratungen,


Скачать книгу