Qualitative Medienforschung. Группа авторов
Forschung vor diesem Hintergrund skizziert und beleuchtet.
Einleitung
Im Folgenden soll zunächst kurz auf die wissenschaftstheoretische Grundlage qualitativer Forschung eingegangen werden, die sich an verschiedenen Varianten des Konstruktivismus festmachen lässt. Im zweiten Teil wird die zunehmend an Aktualität gewinnende Verknüpfung qualitativer und quantitativer Forschung kurz behandelt werden. Die methodische Diskussion qualitativer Methoden stand lange Zeit im Zeichen der Kritik an quantifizierenden Methoden und Forschungsstrategien. Einerseits sind die Auseinandersetzungen um das jeweilige Wissenschaftsverständnis noch nicht beigelegt (vgl. Becker 1996). Andererseits hat sich auch in der Medienforschung in beiden Bereichen eine umfängliche Forschungspraxis entwickelt, die jeweils für sich steht, unabhängig davon, dass es gute und schlechte Forschung in beiden Bereichen gibt. Ein Zeichen dafür, dass qualitative Forschung unabhängig von quantitativer Forschung und von Grabenkämpfen gegen diese geworden ist, lässt sich auch darin sehen, dass etwa das Handbuch von Denzin und Lincoln (2000) ohne ein eigenes Kapitel über die Beziehungen zu quantitativer Forschung auskam und dass es kaum Bezüge dazu in seinem Stichwortverzeichnis gab. Jedoch gewinnt die Kombination beider Strategien eine Perspektive, die in unterschiedlicher Gestalt diskutiert und praktiziert wird, zunehmend an Reiz (vgl. etwa Tashakkori/Teddlie 2010; Flick 2011, 2017). Für eine solche Auseinandersetzung ist es jedoch hilfreich, kurz die wissenschaftstheoretischen Grundlagen qualitativer Forschung zu betrachten.
Wissenschaftstheoretische Grundlagen qualitativer Forschung
Qualitative Forschung ist in ihren unterschiedlichen Spielarten verschiedenen Leitfragen verpflichtet. Sie interessiert für den Nachvollzug subjektiv gemeinten Sinns, die Beschreibung der Herstellung sozialen Handelns und sozialer Milieus und der Rekonstruktion tiefer liegender Strukturen sozialen Handelns (vgl. hierzu Lüders/Reichertz 1986). In diesen drei Perspektiven wird mit unterschiedlicher Akzentuierung die Konstruktion sozialer Wirklichkeiten fokussiert. Damit schließt qualitative Forschung wissenschaftstheoretisch an Ansätze des Konstruktivismus an. Unter der Bezeichnung »Konstruktivismus« werden Programme mit unterschiedlichen Ansatzpunkten zusammengefasst. Gemeinsam ist allen konstruktivistischen Ansätzen, dass sie das Verhältnis zur Wirklichkeit problematisieren, indem sie konstruktive Prozesse beim Zugang zu dieser behandeln. Konstruktionsleistungen werden auf verschiedenen Ebenen angesiedelt:
1) In der Tradition von Jean Piaget (1937) werden das Erkennen, das Wahrnehmen der Welt und das Wissen über sie als Konstruktionen verstanden. Der radikale Konstruktivismus (Glasersfeld 1996) führt diesen Gedanken dahingehend fort, dass jede Form der Erkenntnis schon aufgrund der neurobiologischen Prozesse, die dabei involviert sind, nur zu den Bildern von der Welt und der Wirklichkeit, nicht jedoch zu beidem direkt Zugang habe.
2) Sozialer Konstruktivismus in der Tradition von Schütz (1971), Berger und Luckmann (1969) sowie Gergen (1994) fragt nach den sozialen (z. B. kulturellen oder historischen) Konventionalisierungen, die Wahrnehmung und Wissen im Alltag beeinflussen.
3) Konstruktivistische Wissen(schaft) ssoziologie in der als »Laborkonstruktivismus« (Knorr-Cetina 1984) bezeichneten Forschung untersucht, wie soziale, historische, lokale, pragmatische etc. Faktoren wissenschaftliche Erkenntnis so beeinflussen, dass wissenschaftliche Fakten als soziale Konstruktionen (»lokale Erzeugungen«) aufzufassen sind.
Konstruktivismus ist kein einheitliches Programm, sondern entwickelt sich parallel in verschiedenen Disziplinen. Von den drei angesprochenen Richtungen sind vor allem die ersten beiden für qualitative Forschung relevant. Das empirische Programm des (Labor-) Konstruktivismus wurde bislang noch nicht auf qualitative Forschung angewendet. Im Folgenden ist der Gedanke leitend, dass der Konstruktivismus damit beschäftigt ist, wie Wissen entsteht, welcher Wissensbegriff angemessen ist und welche Kriterien zur Bewertung von Wissen herangezogen werden können. Für qualitative Forschung ist dies in doppelter Hinsicht relevant, da sie wie jede Forschung Wissen produziert und dabei (häufig zumindest) an spezifischen Wissensformen empirisch ansetzt – z. B. biographisches Wissen, Experten- oder Alltagswissen etc.
Erkenntnistheoretische Annahmen zum Charakter sozialer Wirklichkeit
Alfred Schütz hat festgehalten, dass Tatsachen erst über ihre Bedeutungen und ihre Interpretationen relevant werden:
»Genau genommen gibt es nirgends so etwas wie reine und einfache Tatsachen. Alle Tatsachen sind immer schon aus einem universellen Zusammenhang durch unsere Bewusstseinsabläufe ausgewählte Tatsachen. Somit sind sie immer interpretierte Tatsachen: entweder sind sie in künstlicher Abstraktion aus ihrem Zusammenhang gelöst, oder aber sie werden nur in ihrem partikulären Zusammenhang gesehen. Daher tragen in beiden Fällen die Tatsachen ihren interpretativen inneren und äußeren Horizont mit sich« (Schütz 1971, S. 5).
Von den verschiedenen Konstruktivismen von Schütz bis Glasersfeld wird in Frage gestellt, dass die äußere Realität unmittelbar zugänglich sei – d. h. unabhängig von Wahrnehmungen und Begriffen, die wir verwenden und konstruieren. Wahrnehmung wird nicht als passiv-rezeptiver Abbildungsprozess, sondern als aktiv-konstruktiver Herstellungsprozess verstanden. Dies hat Konsequenzen für die Frage, ob eine Repräsentation (der Wirklichkeit, eines Prozesses oder Gegenstandes) auf ihre Richtigkeit hin am »Original« überprüft werden kann. Diese Form der Prüfbarkeit wird vom Konstruktivismus allerdings in Frage gestellt, da das Original nur über andere Vorstellungen (oder Konstruktionen) zugänglich ist. Deshalb können nur die verschiedenen Vorstellungen oder Konstruktionen miteinander verglichen werden. Für konstruktivistische Erkenntnistheorie und darauf basierende empirische Forschung werden Wissen und die enthaltenen Konstruktionen der relevante Zugang zu den Gegenständen, mit denen sie sich beschäftigen.
Konstruktion des Wissens
An drei zentralen Autoren lässt sich verdeutlichen, wie das Zustandekommen von Wissen und seine Funktion konstruktivistisch beschrieben wird.
Schütz (1971, S. 5) geht von folgender Prämisse aus: »Unser gesamtes Wissen von der Welt, sei es im wissenschaftlichen oder im alltäglichen Denken, enthält Konstruktionen, das heißt einen Verband von Abstraktionen, Generalisierungen, Formalisierungen und Idealisierungen, die der jeweiligen Stufe gedanklicher Organisation gemäß sind.« Für Schütz wird jede Form des Wissens durch Selektion und Strukturierung konstruiert. Die einzelnen Formen unterscheiden sich nach dem Grad der Strukturierung und Idealisierung, der von ihren Funktionen – konkreter als Basis alltäglichen Handelns oder abstrakter als Modell in der wissenschaftlichen Theoriebildung – abhängt. Schütz benennt verschiedene Prozesse, denen gemeinsam ist, dass die Bildung des Wissens über die Welt nicht als reine Abbildung gegebener Fakten zu verstehen ist, sondern die Inhalte in einem aktiven Herstellungsprozess konstruiert werden.
Dieses Verständnis wird im radikalen Konstruktivismus weiterentwickelt, dessen »Kernthesen« Glasersfeld (1992, S. 30) formuliert:
»1. Was wir ›Wissen‹ nennen, repräsentiert keineswegs eine Welt, die angeblich jenseits unseres Kontaktes mit ihr existiert. […] (Der) Konstruktivismus führt ähnlich wie der Pragmatismus ein modifiziertes Konzept von Erkennen/Wissen ein. Danach bezieht sich Wissen auf die Art und Weise wie wir unsere Erfahrungswelt organisieren.
2. Der Radikale Konstruktivismus leugnet keineswegs eine äußere Realität. […]
3. Mit Berkeley stimmt der Radikale Konstruktivismus darin überein, dass es unvernünftig wäre, etwas die Existenz zu bescheinigen, was nicht oder nicht irgendwann wahrgenommen werden kann/könnte. […]
4. Von Vico übernimmt der Radikale Konstruktivismus die grundlegende Idee, dass menschliches Wissen eine menschliche Konstruktion ist. […]
5. Der Konstruktivismus gibt die Forderung auf, Erkenntnis sei ›wahr‹, insofern sie die objektive Wirklichkeit abbilde. Stattdessen wird lediglich verlangt, dass Wissen viabel sein muss, insofern es in die Erfahrungswelt des Wissenden passen soll […].«
Wissen organisiert demnach Erfahrungen, die erst die Erkenntnis der Welt außerhalb des erkennenden Subjekts oder Organismus