Qualitative Medienforschung. Группа авторов

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das dabei entstehende Bild wahr oder richtig ist, lässt sich nicht beantworten. Jedoch lässt sich seine Qualität durch seine Viabilität bestimmen, das heißt inwieweit das Bild oder Modell dem Subjekt ermöglicht, sich in der Welt zurechtzufinden und in ihr zu handeln. Dabei ist ein Ansatzpunkt die Frage, wie die »Konstruktion von Begriffen« (Glasersfeld 1996, S. 132 ff.) funktioniert.

      Für den sozialen Konstruktivismus erhalten die sozialen Austauschprozesse bei der Entstehung von Wissen, insbesondere der verwendeten Begriffe, eine spezielle Bedeutung. In diesem Sinne formuliert Gergen (1994, S. 49 ff.) folgende »Annahmen für eine sozialkonstruktionistische Wissenschaft«:

      »Die Begriffe, mit denen wir die Welt und uns selbst erklären, werden nicht von den angenommenen Gegenständen solcher Erklärungen diktiert […]. Die Begriffe und Formen, mittels derer wir ein Verständnis der Welt und von uns selbst erreichen, sind soziale Artefakte, Produkte historisch und kulturell situierter Austauschprozesse zwischen Menschen. […]. Inwieweit eine bestimmte Erklärung der Welt oder des Selbst über die Zeit aufrechterhalten wird, hängt nicht von der objektiven Validität der Erklärung, sondern von den Eventualitäten sozialer Prozesse ab. […] Sprache leitet ihre Bedeutung in menschlichen Angelegenheiten aus der Art, in der sie in Beziehungsmustern funktioniert, ab. Die Bewertung vorhandener Diskursformen heißt Muster kulturellen Lebens zu bewerten; solche Bewertungen verschaffen anderen kulturellen Enklaven Gehör.«

      Wissen wird in sozialen Austauschprozessen konstruiert, basiert auf der Rolle von Sprache in sozialen Beziehungen und hat vor allem soziale Funktionen. Die angesprochenen Eventualitäten sozialer Prozesse beeinflussen, was als gültige oder brauchbare Erklärung überdauert.

      Fazit

      Indem sich qualitative Forschung wissenschafts- und erkenntnistheoretisch am Konstruktivismus orientiert, gibt sie verschiedene Annahmen auf, die für standardisierte empirische Forschung leitend sind: Es geht bei empirischer Forschung weniger um die Abbildung von Fakten als um die Analyse von Bedeutungen und Herstellungsleistungen in Bezug auf die untersuchte Wirklichkeit. Diese kann weder als gegeben noch als unmittelbar zugänglich aufgefasst werden. Objektive Fakten werden damit zu sozialen Konstruktionen in bestimmten Kontexten – seitens der untersuchten Personen, aber auch durch die Forschung selbst. Dieses Wirklichkeitsverständnis hat einerseits Konsequenzen für die Gestaltung qualitativer Forschungsstrategien und ihr Verhältnis zur untersuchten Wirklichkeit (vgl. hierzu Flick 2016, Kap. 8). Andererseits wird es für die Gestaltung des Verhältnisses zu quantitativer Forschung relevant, die von einem anderen Verständnis der Beziehung von Forschung und untersuchter Wirklichkeit ausgeht.

      Zum Verhältnis von qualitativer und quantitativer Forschung

      Das Verhältnis von qualitativer und quantitativer Forschung lässt sich auf verschiedenen Ebenen behandeln bzw. realisieren:

      • hinsichtlich der Erkenntnistheorie und Methodologie (sowie erkenntnistheoretische bzw. methodologische Unvereinbarkeiten),

      • in Forschungsdesigns, die qualitative und quantitative Daten und/oder Methoden kombinieren bzw. integrieren,

      • über Forschungsmethoden, die sowohl qualitativ als auch quantitativ sind,

      • durch die Verknüpfung von Ergebnissen qualitativer und quantitativer Forschung,

      • in Bezug auf die Verallgemeinerung oder

      • bezüglich der Bewertung der Forschungsqualität: Anwendung von Kriterien aus der quantitativen Forschung auf qualitative Forschung oder vice versa.

      Auf der Ebene von Erkenntnistheorie und Methodologie werden qualitative und quantitative Forschung unterschiedlich in Beziehung gesetzt. Es findet sich die Betonung der Inkompatibilitäten qualitativer und quantitativer Forschung in ihren erkenntnistheoretischen und methodologischen Prinzipien (z. B. Becker 1996), in ihren konkreten Zielen oder in den Zielsetzungen, die mit Forschung generell verfolgt werden sollen. Dies wird häufig mit unterschiedlichen theoretischen Positionen verknüpft wie Positivismus versus Konstruktivismus (s. o.) oder (im englischen Sprachraum) Postpositivismus. Gelegentlich werden diese Unvereinbarkeiten als unterschiedliche Paradigmen bezeichnet und beide Seiten in »Paradigmen-Kriege« verstrickt gesehen (z.B. Lincoln/Guba 1985). Eine Lösung in dieser Diskussion zielt auf das getrennte Nebeneinander der Forschungsstrategien, abhängig von Gegenstand und Fragestellung der jeweiligen Forschung. Wer etwas über das subjektive Erleben bei der Rezeption bestimmter Fernsehsendungen wissen will, sollte offene Interviews mit einigen Nutzern führen und detailliert analysieren. Wer etwas über die Häufigkeit und Verteilung solcher Nutzungsweisen von Medien in der Bevölkerung wissen will, sollte eine Studie auf der Basis der Einschaltquoten durchführen. Für die eine Fragestellung sind qualitative Methoden zuständig, für die andere sind quantitative Methoden eher geeignet.

      Seit einigen Jahren sind mehrere Trends zu beobachten, die eine strikte Trennung zwischen qualitativer und quantitativer Forschung überwinden sollen. Ausgangspunkt ist die sich langsam durchsetzende Erkenntnis, »dass qualitative und quantitative Methoden eher komplementär denn als rivalisierende Lager gesehen werden sollten« (Jick 1983, S. 135). Solche Trends laufen auf die Verbindung qualitativer und quantitativer Forschung hinaus. Allgemeiner unterscheidet Bryman (2001) zwei Ebenen, auf denen das Verhältnis von qualitativer und quantitativer Forschung diskutiert wird: Auf der Ebene der »epistemology« geht es eher um die grundsätzliche Unvereinbarkeit beider Zugänge, gelegentlich unter Rückgriff auf die jeweils spezifischen Paradigmen. In der »technical version« der Diskussion werden dagegen diese Unterschiede gesehen, aber nicht als unüberwindbar oder zumindest nicht als unmöglich zu berücksichtigen betrachtet. Vielmehr geht es hierbei mehr um den Nutzen und Beitrag des einen Ansatzes für den anderen. In eine ähnliche Richtung argumentiert Hammersley (1996, S. 167 f.), der drei Formen der Verknüpfung qualitativer und quantitativer Forschung unterscheidet: Die Triangulation beider Ansätze setzt den Akzent auf die wechselseitige Überprüfung der Ergebnisse; die Facilitation betont die unterstützende Funktion des jeweils anderen Ansatzes – z. B. liefert der eine Ansatz Hypothesen und Denkansätze für die Weiterführung der Analysen mit dem anderen Ansatz; und schließlich können beide Ansätze als komplementäre Forschungsstrategien kombiniert werden.

      Bryman (1992) identifiziert elf Varianten der Integration quantitativer und qualitativer Forschung. Die Logik der Triangulation (1) sieht er in der Überprüfung etwa qualitativer durch quantitativer Ergebnisse. Qualitative kann quantitative Forschung unterstützen (2) und vice versa (3), beides wird zur Herstellung eines allgemeineren Bildes des untersuchten Gegenstandes (4) verknüpft. Strukturelle Aspekte werden durch quantitative und Prozessaspekte durch qualitative Zugänge erfasst (5). Die Perspektive des Forschers ist die treibende Kraft in quantitativen Zugängen, während qualitative Forschung die subjektive Sicht der Akteure in den Vordergrund stellt (6). Das Problem der Generalisierbarkeit (7) lässt sich für Bryman vor allem durch die Hinzuziehung von quantitativen Erkenntnissen für die qualitative Forschung lösen, wohingegen qualitative Erkenntnisse (8) die Interpretation von Zusammenhängen zwischen Variablen quantitativer Datensätze erleichtern können. Die Beziehung zwischen Mikro- und Makroebene in einem Gegenstandsbereich (9) kann durch die Kombination qualitativer und quantitativer Forschung geklärt werden, die wiederum in verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses (10) eingesetzt werden können. Schließlich sind noch Hybridformen (11) – etwa die Verwendung qualitativer Forschung in quasiexperimentellen Designs – zu nennen (vgl. Bryman 1992, S. 59 ff.).

      Insgesamt gibt diese Übersicht eine breite Palette von Varianten wieder. Dabei sind die Varianten 5, 6 und 7 davon bestimmt, dass qualitative Forschung andere Aspekte als quantitative Forschung erfasst und deren Kombination sich in dieser Unterschiedlichkeit begründet. Kaum eine Rolle in den genannten Varianten spielen theoretische Überlegungen, der gesamte Ansatz von Bryman ist stark der Forschungspragmatik verpflichtet.

      Darüber hinaus ist häufig von der Integration qualitativer und quantitativer Verfahren (Kluge/ Kelle 2001) oder von »Mixed Methodologies« (Tashakkori/Teddlie, 2010), aber auch von der Triangulation von qualitativen und quantitativen Methoden (Kelle/Erzberger 2000; Flick 2011, 2018; → Treumann, S. 264


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