Die NATO. Falk Ostermann

Die NATO - Falk Ostermann


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(militärische) und Entscheidungen auf nationalstaatlicher Ebene verbleibt. Vor allem im Bereich der Kapazitätsplanung und Beschaffung wären noch große Zuwächse an Kooperation und Integration möglich, die Kosten reduzieren und die gemeinsame Handlungsfähigkeit und InteroperabilitätInteroperabilität vergrößern würden, aber letztlich sind hier zentrale Fragen der nationalen Souveränität, des technologischen Knowhows und der Unabhängigkeit sowie der Industriepolitik miteinander verknüpft, die bereits nationalstaatlich nicht einfach zu lösen sind.

      Die Diskussion der Grundlagen der Allianz, vor allem bezüglich der Finanzen, hat auch das große Gewicht der USA herausgestellt. Seit der Gründung 1949 sind die US-Amerikaner*innen der militärisch stärkste Bündnispartner. Die europäischen Staaten akzeptierten in Anbetracht der Blockkonfrontation daher einen gewissen Grad an Gefolgschaft gegenüber den USA. Auch nach dem Ende des Kalten KriegsEnde des Kalten Kriegs hat sich an dieser MachtMachtverteilung nichts geändert, da die finanzielle Lastenverteilungburden-sharing noch einseitiger wurde. Mit dem Willen und den Mitteln, ein sicherheitspolitischer Akteur globaler Reichweite zu sein, haben die USA automatisch eine Führungsposition in der NATO, die sich z. B. in der Tradition äußert, dass der SACEURSACEUR stets ein US-Amerikaner ist. Weitere Merkmale dieser Führungsposition sind auch die Ausrichtung von NATO-Doktrinen an amerikanischen Vorlagen, die hohen US-amerikanischen Truppenkontingente bei gemeinsamen Missionen wie in AfghanistanAfghanistan(kriege) oder die Tendenz der USA, Rüstungsprojekte und -produkte eigener Firmen in der Allianz bzw. bei den Alliierten platzieren zu wollen. Weder kleine Bündnispartner noch größere spielen hier in derselben Liga wie die USA – und dies in vollem Bewusstsein. Man kann den USA also auch nicht verübeln, dass sie führen, wenn andere das nicht können oder wollen.

      Gleichwie gibt es jedoch Grenzen der Gefolgschaft, die wir z. B. in der französischen Entscheidung zum Verlassen der Militärstrukturen 1966 oder im IrakIrakkriegkrieg 2003 gesehen haben, und Momente, in denen die US-Amerikaner*innen in ihrem Führungsanspruch über die Stränge schlagen. Trotzdem ermöglicht gerade in solchen Situationen die NATO mit ihren Strukturen, dass auch die Positionen anderer, kleiner wie großer Staaten gehört werden und berücksichtigt werden müssen, wenngleich die USA mit ihrer MachtMacht und Expertise Entscheidungen in ihre Richtung lenken können (Rösch 2016, 171ff.). Die Probleme und Leistungen dieser Kooperation sollen in den nächsten Kapiteln aus verschiedenen Perspektiven vertieft werden.

      2.7 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur

      Diskussionsfragen:

       Welche Sicht hat der InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)mus auf die Möglichkeiten und Chancen internationaler Kooperation?

       Wie verändern Institutionen internationale Politik?

       Welche verschiedenen Interessen mussten bei der Gründung der Allianz und der Auswahl der Mitglieder unter einen Hut gebracht werden?

       Welche Bedeutung kommt der Existenz gemeinsamer politischer und militärischer Strukturen in der NATO zu? Wobei helfen sie ihr, was machen sie möglich, was erschweren sie?

       Welche Vorzüge und Nachteile hat das Konsensprinzip?

       Welche Rolle kann der GeneralsekretGeneralsekretär/ -sekretariatär in der NATO spielen? Worauf muss er bei seinen Initiativen Rücksicht nehmen?

       Welche Faktoren spielen bei der Budgetplanung und den Finanzen der NATO eine Rolle und wo liegt Konfliktpotential?

       Warum hat die NATO nur wenige eigene KapazitätenKapazitäten (militärische) und wie funktioniert dann die Verteidigungs-/ Einsatzplanung? Auf welche Probleme stößt sie durch den notwendigen Rückgriff auf nationale KapazitätenKapazitäten (militärische)?

      Weiterführende Literatur:

      Dülffer, Jost (1999). Jalta, 4. Februar 1945 – der Zweite Weltkrieg und die Entstehung der bipolaren Welt. München: dtv.

      Ehlert, Hans, Christian Greiner, Georg Meyer und Bruno Thoß, Hrsg. (1993). Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956: Band 3, Die NATO-Option. München: Oldenbourg.

      Haftendorn, Helga, and Otto Keck, Hrsg. (1997). Kooperation jenseits von Hegemonie und Bedrohung. Sicherheitsinstitutionen in den internationalen Beziehungen. Baden-Baden: Nomos.

      Haftendorn, Helga, Robert O. Keohane, and Celeste A. Wallander, Hrsg. (1999). Imperfect Unions. Security Institutions over Time and Space. Oxford and New York: Oxford University Press.

      Harbutt, Fraser J. (2010). Yalta 1945: Europe and America at the crossroads. Cambridge (UK): Cambridge University Press.

      Hendrickson, Ryan C. (2006). Diplomacy and War at NATO: The Secretary General and Military Action After the Cold War. Columbia (MO): University of Missouri Press.

      Krell, Gert und Harald Müller, Hrsg. (1994). FriedenFrieden und Konflikt in den internationalen Beziehungen. Festschrift für Ernst-Otto Czempiel, Studien der Hessischen Stiftung FriedenFriedens- und Konfliktforschung, Bd. 26. Frankfurt am Main: Campus.

      Wallander, Celeste A. (1999). Mortal Friends, Best Enemies: German-Russian Cooperation after the Cold War. Ithaca et al. (NY): Cornell University Press.

      3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs: Beistand, Bipolarität, Atomwaffen und Krisen

      DiesesKalter Krieg Kapitel besprichtPolarität die kollektive Verteidigungkollektive Verteidigungsstrategie und dieAtomwaffen daraus erwachsenden Handlungen und Praktiken des transatlantischen Bündnisses während des Kalten KriegsKalter Krieg mit der Sowjetunion. Dazu werden zunächst der NeorealisRealismus (Neo-)mus und die neorealistische AllianztheorieAllianztheorie vorgestellt, die als zentrale Theorien zur Erfassung sicherheitspolitischen Handelns von Staaten gelten und mit Bezug zur NATO auch den Aspekt der US-HegemonHegemonie (USA)ie diskutieren (3.1). Diese Theorien sollen die folgenden Ausführungen rahmen. Abschnitt 3.2 befasst sich mit dem Aufbau der kollektiven Verteidigung zwischen 1949 und 1955. Den Veränderungen der kollektiven Verteidigung durch die deutsche WiederbewaffnungWiederbewaffnung im Jahr 1955 wird in Abschnitt 3.3 nachgegangen. Zentral für das Verständnis der Blockkonfrontation während des Kalten KriegsKalter Krieg sind zudem Fragen der NuklearstrategieNuklearstrategie (3.4) und der AbrüstungAbrüstung (3.5). Dabei werden zentrale Krisen wie die KubaKuba(krise)- und Berlinkrisen oder der NATO-DoppelbeschlussNATO-Doppelbeschluss dargestellt, die als heiße Episoden der Auseinandersetzung gelten. In Abschnitt 3.6 wird ein kurzes Résumé über den betrachteten Zeitraum seit 1949 gezogen, bevor sich Abschnitt 3.7 mit dem vorläufigen Schlussstrich unter die Blockkonfrontation, dem Ende des Kalten Krieges seit dem deutschen Mauerfall im Jahr 1989 und dem darauffolgenden Ende der Sowjetunion bis 1991 befasst.

      3.1 Neorealismus und neorealistische Allianztheorie

      Der NeorealisRealismus (Neo-)mus, undAllianztheorie vor ihm der Klassische RealismusRealismus, Klassischer (Carr 1939; Herz 1951; Morgenthau 1948), gilt seit den 1980er Jahren trotz einer mittlerweile deutlich ausdifferenzierteren Theorielandschaft und grundlegender Kritik (Keohane 1986; Lebow und Risse-Kappen 1995) nach wie vor als Basistheorie der Internationalen Beziehungen, vor allem im Feld Sicherheit. Wenngleich gerade die NATO mit ihrer Langlebigkeit und ihrer AnpassungsfähigkeitTransformation zur Theoriebildung über Sicherheits- und Verteidigungszusammenarbeit jenseits neorealistischer Erklärungen beigetragen hat (Risse-Kappen 1996; Tuschhoff 1999; Wallander 2000; Wallander und Keohane 1999), so ist der NeorealisRealismus (Neo-)mus dennoch hilfreich, um grundlegende Allianzdynamiken und -probleme zu verstehen.

      3.1.1 Neorealismus

      Der NeorealisRealismus (Neo-)mus ist eine Strukturtheorie1 internationaler Politik und zielt daher zunächst nicht auf die spezifische Erklärung konkreter außenpolitischer Entscheidungen, sondern auf das Verstehen von Gesamtdynamiken im System internationaler Politik, denen Staaten in ihrem Handeln unterworfen sind (Waltz 1996; Feng und Ruizhuang 2006, 117ff.).2 Begründet wurde die Theorieschule 1979 durch Kenneth Waltz mit seiner Theory of International Politics (Waltz


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