Sprachtherapie mit Kindern. Группа авторов

Sprachtherapie mit Kindern - Группа авторов


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mit Aussprachestörung und deren Eltern adäquat informiert werden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, Therapieziele der sprachtherapeutischen Intervention zu priorisieren und mitzubestimmen. Dies soll mit dem Ziel erfolgen, dem betroffenen Kind eine höchstmögliche Teilhabe an kulturellen, sozialen, religiösen und (vor)schulischen Aktivitäten in seinem sprachlichen Umfeld zu ermöglichen. Sprachtherapeuten sollten demnach für das Kind kulturell relevante Beschäftigungen als Basis zur Planung des Diagnostik- und Interventionsprozesses nehmen, die den individuellen Bedürfnissen der Kinder entsprechen. Weiterhin müssen sie bei der Betreuung von bilingualen Kindern u. a. mit Familien, Kulturgemeinschaften und weiteren Berufsgruppen (z. B. Kulturhelfern) kooperieren, um ein Verständnis für die Rolle der mehrsprachigen Kinder in verschiedenen kulturellen Kontexten zu entwickeln (Neumann et al. 2016).

      Umweltfaktoren Umweltfaktoren in Hinblick auf den Hintergrund des Lebensumfeldes der betroffenen Kinder mit Aussprachestörung können sich als Barrieren oder Förderfaktoren (ICF-CY, WHO 2007) für deren sprachliche Entwicklung bzw. Handlungsfähigkeit erweisen (Kracht 2006). Dies muss speziell bei Kindern mit mehrsprachigem und interkulturellen Lebensumfeld in Betracht gezogen werden. Die sprachtherapeutische Diagnostik muss daher das Ziel verfolgen, kommunikative Barrieren im Umfeld des (mehrsprachigen) Kindes mit Aussprachestörung zu erfassen, um eine verständliche Kommunikation in den unterschiedlichen Lebenswelten des betroffenen Kindes zu fördern. Es wird daher empfohlen, innerhalb der sprachtherapeutischen Diagnostik auch Informationen zum Sprachgebrauch, zu sprachlichen Fähigkeiten, zum Kontext, zu Kommunikationspartnern sowie Erwartungen des Kindes / der Sorgeberechtigten zu erfassen (Neumann et al. 2016).

      Personenfaktoren In Hinblick auf den Einbezug der Personenfaktoren der ICF-CY in die Diagnostik bei Kindern mit Aussprachestörungen sollen Sprachtherapeuten den Kindern und ihren Familien die Möglichkeit geben, aus ihrem Leben zu berichten. Dies hilft, den Hintergrund, die Identität und weitere bedeutsame Faktoren des (mehrsprachigen) Kindes zu verstehen. Um relevante Personenfaktoren des Kindes (z. B. Copingstrategien, kulturelle Sozialisierungserfahrungen) nachvollziehen zu können, sollen sie zudem auf die Expertise der Familie und bei bilingualen Kindern der Kulturgemeinschaft und anderer Experten (z. B. Kulturmediatoren) zurückgreifen (Abb. 6). Dies kann auch erreicht werden, indem Sprachtherapeuten Zeit aufwenden, den Kindern und ihren Familien zuzuhören und sie zu verstehen. Auf diesem Weg könnten individuell bedeutsame personenbezogene Faktoren adäquat in die Diagnostik einfließen (Neumann et al. 2016).

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      Das Lautinventar (IPA) verschiedener Sprachen und wichtige Informationen für Sprachtherapeuten enthält die Webseite von McLeod, genannt Multilingual Children‘s Speech: Languages. http://www.csu.edu.au/research/multilingual-speech/languages, 15.05.17

      3.2 Anamnese

      Unter der subjektiven Beschwerde versteht man die Darlegung des Anliegens, weswegen ein Klient einen Sprachtherapeuten aufsucht. Im Rahmen der Anamnese bei Kindern mit Verdacht auf Aussprachestörung werden insbesondere Informationen über die bisherige kindliche Entwicklung mit dem Schwerpunkt Sprache, die soziale Lebenssituation des Kindes und Risikofaktoren für Aussprachestörungen erhoben. Das Handbuch Anamnese in der Sprachtherapie (Korntheuer et al. 2014) bietet Sprachtherapeuten Anamnesebögen für mono- und bilinguale Kinder mit Sprachentwicklungsstörung inklusive ausführlicher Hintergrundinformationen zur Auswahl der darin behandelten Inhalte. Alle Anamnesebögen sind ICF-orientiert konzipiert worden.

      Bilderbenennverfahren werden in der Literatur als die gängigste Form von Untersuchungsverfahren für Kinder mit Verdacht auf Aussprachestörung beschrieben (McLeod / Baker 2014).

      Bereits die erste Studie von Möhring (1938) zur Erhebung von Aussprache-Auffälligkeiten bei Kindern im ersten Schuljahr verwendete ein Bilderbenennverfahren. Kliniker sind davon überzeugt, dass es sich bei Bilderbenennverfahren um zuverlässige Untersuchungsinstrumente für die Feststellung einer Aussprachestörung handelt (Mostert 2007). Im Gegensatz dazu sind sich Fachleute der klinischen Phonetik bzw. Linguistik nicht einig darüber, ob mit Bilderbenennverfahren die kindliche Aussprache auf eine repräsentative Weise untersucht werden kann (Klein / Liu-Shea 2009) oder ob nicht besser die Spontansprache als Analysegrundlage dienen sollte (Wolk / Meisler 1998, Morrison / Shriberg 1992). Aufgrund der einfacheren Handhabbarkeit werden Bilderbenennverfahren allerdings heute in der Literatur als gültige, mit Ergebnissen aus der Spontansprache vergleichbare Untersuchungsinstrumente akzeptiert, wenn sie spezifische lexikalische und phonologische Kriterien erfüllen (Eisenberg / Hitchcock 2010, Fox-Boyer et al. 2017): Sie müssen alle Phone und Phoneme der zu untersuchenden Sprache in allen möglichen Wortpositionen überprüfen, ebenso wie die häufigsten wortinitialen und wortfinalen Konsonantenverbindungen. Mögliche Silbenstrukturen und Wortbetonungsmuster der Sprache müssen beachtet werden. Ein Verfahren, das diese Bedingungen für die deutsche Sprache erfüllen soll, besteht aus ca. 100 Stimuli.

      Die Stimuli, mit deren Hilfe der Bilderbenennentest durchgeführt werden soll, müssen dem Wortschatz kleiner Kinder entsprechen. In der Regel werden zur Konzeption des Wortschatzes Elternfragebögen für Zweijährige der jeweiligen Sprache hinzugezogen. Das Bildmaterial sollte so ausgewählt werden, dass es visuell eindeutig ist. Es ist dabei unerheblich, ob es sich um Zeichnungen oder Fotografien handelt. Bilderbenennverfahren sollten normiert und möglichst auch standardisiert werden, d. h., sie sollten den Testgütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität genügen.

      Für die deutsche Sprache liegen eine Anzahl veröffentlichter Verfahren zur Überprüfung der phonologischen Prozesse des phonetisch-phonologischen Inventars vor (Tab. 4).

      Als veraltet anzusehen sind diejenigen Verfahren, die aus segmentorientierter Sicht untersuchen, ob ein Phon in einer spezifischen Wortposition korrekt oder inkorrekt realisiert wird. Dabei wurde in der Regel nicht notiert, auf welche Weise ein Laut nicht korrekt realisiert wird. Jedes Phon oder Phonem wurde nur einmalig pro Wortposition überprüft. Zu diesen Verfahren zählen bspw. der Ravensburger Stammler-Prüfbogen (Frank / Grziwotz 1974), der Werscherberger Lautprüf-Bogen (Gey 1976) oder der SCHUBI-Artikulationstest (Willikonsky 2006).

VerfahrenMethode, Item­Umfang Darstellung, NormierungAnalysen/Diagnose(n)
1. Segmentorientierte Verfahren – Beispiele (veraltetes Vorgehen)
Lauttreppe nach Möhring (Möhring 1938)• Nachsprechen• Liste mit 156 Wörtern• Phoneminventar• Stammeln, Dyslalie
Ravensburger Stammler-Prüfbogen (Frank/Grziwotz 1974)• Benennen• 40 farbige Zeichnungen auf einem DinA4-Blatt• Phoneminventar• Stammeln
LBT – Lautbildungstest (Fried 1980)• Benennen• 42 S/w-Bildkarten• teilnormiert• Phoneminventar• Stammeln, Dyslalie
SCHUBI Artikulationstest (Willikonsky 2006)• Benennen• 59 farbige Zeichnungen auf Karten• Phoneminventar• Stammeln, Dyslalie
2. Prozessorientierte Verfahren
LOGO Ausspracheprüfung (Wagner 2011)• Benennen• 108 farbige Zeichnungen in DIN A4-Ringbuch• nicht normiert/standardisiert• phonetisches Inventar• phonemisches Inventar• Prozessanalyse• Silbenstruktur• Diagnose: Schweregrad der Aussprachestörung (leicht, mittel, schwer)
AVAK – Analyseverfahren zu Aussprachestörungen bei Kindern (Hacker/Wilgermein 2002)• Benennen• 113 S/w-Zeichnungen auf einem DIN A4-Blatt• nicht normiert/standardisiert• phonemisches Inventar• prozessanalyse• Silbenstruktur
Patholinguistische Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen – Teil: Phonologie (Kauschke/Siegmüller 2009)• Benennen• 85 farbige Zeichnungen in DIN A4-Ringbuch•
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