Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов
Soziale Beziehungen üben einen Druck im Hinblick auf Reziprozität aus (Blau 1964). Denn bei Einseitigkeit der Beziehung besteht eine Imbalance, die in Richtung Balance tendiert, wie sie bei der Ausgeglichenheit des Austauschs gegeben ist. Jede Machtdifferenz erzeugt eine Imbalance, die nach Möglichkeit vermieden und bei Fortbestehen durch Legitimität oder Loyalität gerechtfertigt wird. Die Bedeutung der Reziprozität ist nicht nur zwischen Familienmitgliedern, sondern auch zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen festzustellen (Worsley 1970). Die zunehmende Spezialisierung von Gruppen und Institutionen führt zu einem intensiven Austausch von Leistungen, die in einem gewissen Sinne alle von allen abhängig macht. Im Zuge der Globalisierung hat sich die regionale Abhängigkeit in eine weltweite Abhängigkeit entwickelt.
Die Tit-for-Tat-Strategie wird häufig angewandt, um reziproke Beziehungen aufzubauen. Sie beinhaltet, dass die Vorgabe des ersten Akteurs durch eine kooperative Handlung gekennzeichnet ist. In den weiteren Handlungen findet eine Spiegelung der Wahlen der Interaktionspartner statt. Handelt der andere kooperativ, antwortet der Akteur mit Kooperation. Handelt der andere mit Wettbewerb, reagiert auch der Akteur wettbewerbsorientiert. Durch die Verwendung der Norm der Reziprozität werden im Regelfall kooperative soziale Beziehungen aufgebaut. Die Bewältigung der Vertrauensfrage beruht auf der Reziprozität kooperativer Wahlen. Reziprozität ist die Voraussetzung für einen florierenden Austausch. Die Regel der Reziprozität stellt eine soziale Norm dar, die kulturübergreifende Gültigkeit besitzt.
Freundschaft/Feindschaft in Beziehungen
Freundschaft ist eine Sozialbeziehung, die zwischen zwei Personen in informeller Weise aufgebaut wird. Sie beruht wesentlich auf der Norm der Reziprozität. Man spricht dann von Freundschaft, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: Freiwilligkeit, Stabilität über die Zeit, positiver Erlebnischarakter und sexuelle Neutralität (Auhagen 1993). In Freundschaften spielt die Kommunikation eine große Rolle. Freundschaften tragen dazu bei, dass die beteiligten Personen ihre Biographie rekonstruieren und ihre Selbst-Identität entwickeln. Bemerkenswert sind die geschlechtsspezifischen Besonderheiten. Für Frauen sind Freundschaften generell häufiger und wichtiger als für Männer (Giddens 1992).
Eine Feindschaft beruht auf Gegensätzlichkeit und Kontroverse, wie sie z. B. zwischen Binnengruppe und Außengruppe bestehen kann. Wenn die Gruppenbeziehung durch Feindschaft gekennzeichnet ist, kann sich ein permanenter Antagonismus bilden, bei der ethnozentrische Einstellungen vorherrschen (Campbell 1967). Feindseligkeit zwischen Gruppen ist nicht immer das Ergebnis der Gegenüberstellung von Binnengruppe und Außengruppe, sondern hängt auch von der Natur der Begegnung der Gruppen ab. Konflikte sind dann zu erwarten, wenn die Interessen kollidieren. Bei einer potenziellen Inkompatibilität der Interessen und Ziele der Gruppen nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Beziehung antagonistischer gestaltet wird (Fritsche/ Kessler 2008). Diese zuletzt genannte Kennzeichnung lässt sich auch auf individuelle Feindschaften übertragen. Je mehr die Personen Interessenkonflikte haben oder sich mit Gruppen solidarisieren, die Interessenkonflikte aufweisen, desto eher kann eine Feindschaft zwischen ihnen entstehen.
Feindselige Konflikte entstehen häufig dadurch, dass das subjektive Empfinden von Unvereinbarkeit gegeben ist. Vielfach wird der Aspekt der subjektiven [63]Einschätzung betont. Denn wie eine potenzielle Konfliktsituation kognitiv interpretiert wird, hat einen erheblichen Einfluss auf den Konfliktverlauf. Unter Entstehungsbedingungen von sozialen Konflikten sind Äußerungen von Absichten zu fassen, der Mangel an Vertrauen sowie die Erfahrung der relativen Deprivation. Mit Letzterer sind Enttäuschung und Empörung über die Benachteiligung verbunden, die die Wahrscheinlichkeit von Konflikten erhöhen (Baros 2004). Feindschaften werden auch durch ein Null-Summen-Denken gefördert, wie es der Wettbewerbseinstellung entspricht: Der irrationale Glaube daran, dass es nur Gewinner und Verlierer geben kann, trägt zur Konflikteskalation bei.
Eskalationsprozesse müssen nicht Stufe auf Stufe ablaufen, sondern entwickeln sich häufig nach dem Motto, zwei Schritte vor, ein Schritt zurück. Wichtig ist auch, dass die Konfliktparteien sich in ihrem Eskalationsverlauf unterscheiden, da eine Partei eine höhere Eskalationsstufe erreicht hat als die andere.
Konstruktive Konfliktbearbeitung beruht darauf, dass anstelle eines Null-Summen-Denkens das Prinzip der graduellen Verbesserung gestellt wird. Konfliktmanagement ist ergebnisorientiert und zielt auf tragfähige Win-win-Lösungen. Die Erreichung solcher Lösungen kann durch Mediation von dritter Seite erleichtert werden (Montada/Kals 2007).
Paarbeziehungen
In Paarbeziehungen bezeichnet Liebe eine kulturabhängige Vorstellung. Man kann vier Komponenten der westlichen Vorstellung von Liebe unterscheiden:
Idealisierung des Partners
Überraschender Beginn (»Liebe auf den ersten Blick«)
Auftreten physiologischer Erregung (»Schmetter linge im Bauch«)
Projektion einer langfristigen Bindung verbun den mit Opferbereitschaft.
Liebe wird aufgrund empirischer Ergebnisse als emotionale Basiskategorie bezeichnet. Die Auswertung von philosophischen und literarischen Schriften des Abendlands führt zu der Identifikation der folgenden Bedeutungen der Liebe:
Physische/emotionale Abhängigkeit vom Partner
Wunsch danach, den Partner zu umsorgen
Vertrauen in den Partner.
Nach Barnes und Sternberg (1997) kann man zwischen leidenschaftlicher und kameradschaftlicher Liebe unterscheiden. Unter die erstgenannte Form fallen die romantische, besitzergreifende und spielerische Liebe. Unter die letztgenannte Form lassen sich pragmatische, freundschaftliche und altruistische Liebe einordnen (vgl. Rohmann et al. 2012).
Empirische Studien von Bierhoff und Schmohr (2004) lassen erkennen, dass es eine allgemeine Entwicklungssequenz der Liebe gibt, wonach die besitzergreifende und die altruistische Liebe bei Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren überwiegt, während junge Erwachsene romantische Liebe und freundschaftliche Liebe bevorzugen (zusätzlich zur altruistischen Liebe). Im weiteren Verlauf der Beziehung nimmt die Bedeutung von altruistischer, pragmatischer und freundschaftlicher Liebe zu, während die Bedeutung der spielerischen Liebe abnimmt. Romantische und besitzergreifende Liebe bleiben bis zum mittleren Erwachsenenalter relativ unverändert. Das deutet darauf hin, dass kameradschaftliche (z. B. freundschaftliche) und leidenschaftliche (z. B. romantische) Liebe parallel hoch ausgeprägt sein können und gleichermaßen zur Initiierung und Aufrechterhaltung einer Beziehung beitragen.
Geschäftsbeziehungen
Geschäftsbeziehungen finden typischerweise zwischen Organisationen statt. Ein Beispiel ist die Beziehung zwischen einer Organisation, die als Kunde auftritt, und einer, die als Lieferant zur Verfügung steht. Geschäftsbeziehungen zeichnen sich durch ein Commitment aus, das unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Z. B. kann der Kunde ein enges Commitment an den Lieferanten entwickeln.
Für Geschäftsbeziehungen ist außerdem das Vertrauen zwischen den Partnern von großer Bedeutung (Shapiro et al. 1992). Grundsätzlich lassen sich drei Stufen des Vertrauens unterscheiden: Vertrauen als kalkuliertes Risiko (Vertrauen hängt von erwarteten Belohnungen und Kosten ab), Vertrauen aufgrund von Vorerfahrungen mit dem anderen (Vertrauen ist eine Funktion der Verhaltenskonsistenz des anderen) und Vertrauen, das auf gemeinsamen Projekten und einer früheren Transaktion beruht (Vertrauen durch Identifikation).
[64]Literatur
Argyle, Michael; Henderson, Monika, 1990: Die Anatomie menschlicher Beziehungen, München. – Auhagen, Ann E., 1993: Freundschaft unter Erwachsenen; in: Dies.; Salisch, Maria von (Hg.): Zwischenmenschliche Beziehungen, Göttingen, 215–233. – Barnes, Michael L.; Sternberg, Robert, 1997: A hierarchical model of love and its prediction of satisfaction in close relationships; in: Sternberg, Robert; Hojjat, Mahzad (Hg.): Satisfaction in close relationships, New York, NY, 79–101. – Baros, Wassilios, 2004: Konfliktbegriff, Konfliktkomponenten und Konfliktstrategie; in: Sommer, Gert; Fuchs, Albert (Hg.): Krieg und Frieden, Weinheim, 208–221. – Bierhoff, Hans-Werner, 2006: Sozialpsychologie, Stuttgart. –