Das Netz der Freunde. Hans-Peter Dr. Vogt

Das Netz der Freunde - Hans-Peter Dr. Vogt


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handgemachtes Pflaumenmus und Honig.

      „Pflaumenmus? Opa, was ist das?“

      „Heb dir dein Hörnchen auf“, rät Leon. „Probier das, zusammen mit süßer Butter und Pflaumenmus. Dann weist du, was das ist.“

      Dann gehen sie Dimmy und Mama wecken.

      Es heißt, was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht, aber Irina konzentriert sich ganz auf das Pflaumenmus. Sie riecht erst daran. Es ist fest und fast schwarz. Es geht mit dem Messer schwer zu schneiden und es ist ziemlich schwierig das handgemachte und fest eingekochte Mus auf das weiche Hörnchen zu bringen, ohne es dabei zu zerbröseln, aber Irina läßt sich nicht entmutigen.

      Dann macht sie die Augen zu und steckt das Hörnchen in den Mund. Sie beißt ab und kaut langsam. Der Geschmack des Hörnchens, der fettigen Butter und der süßen pflaumenartigen Masse vereinigen sich zu etwas völlig Neuem. Irina spürt, wie der Speichel in den Mundraum schießt. Der Geschmack und der Duft steigen ihr in die Nase, und die Geschmacksnerven von Zunge und Gaumen erfassen dieses Neue als Genuss.

      Es ist etwas völlig anderes, als dieses Essen bei Oma. Diese Pute und dieses Gemüse. Es ist fein und doch kräftig. Irina sitzt da, mit geschlossenen Augen und vergißt die Welt um sich. So etwas hat sie wirklich noch nie gegessen. „Hmmm.“

      Dimmy ist eher für was Kräftiges. Schwarzwaldschinken, Schimmelkäse und italienische Salami. Aysa hat ein Schwarzbrot mitgeschickt. Dimmy belegt jetzt Fladenbrot mit Schinken, einem Salatblatt und Gurkenscheiben, bestreicht das Schwarzbrot mit gesalzener Butter und legt die Scheibe noch obendrauf. „Whoaah“, meinte er. „Musst du mal probieren. Das ist voll Hammer.“

      Leon lächelt. Er fasst nach Veras Hand. Das ist ein guter Anfang.

      Später reden sie darüber, wie sie die nächsten zwei Wochen verbringen werden.

      Leon ist erst mal für Urlaub. Bisschen Müggelsee, bisschen Musikzentrum, bisschen Ostsee, dort bei Tante Cindy und ihren Pferden in der Holsteinischen Schweiz, und auch mal Sachsen, Brandenburg, München, oder an die Elbe.

      Langsam eingewöhnen, schlägt er vor.

      Aus den 2 Wochen werden drei. Nun haben sie nur noch eine Woche bis zum Schulanfang und Leon sieht mit ihnen nach dem Haus in Brandenburg.

      Er hatte in der Firma zwei Mitarbeiter beauftragt, sich um alles zu kümmern. Als sie jetzt dort nachsehen, ist innen fast alles fertig. Putz, Elektrik, Tapeten, die Böden. Die Fußleisten fehlen, und die Fliesen sind noch nicht ganz fertig verfugt. Die Türen haben noch keine Klinken und der Außenputz ist nicht dran. Der Garten und der Zaun fehlen auch noch.

      Im Prinzip ist das Haus bezugsfertig. Die Firmen hatten wirklich schnell gearbeitet. Es gibt keinen Keller. Das hatte man sich gespart. Stattdessen gibt es eine starke Beton-Bodenplatte, die mit Stelen im Boden verankert ist. Sie ist gegen die Bodenkälte gedämmt und es gibt eine Fußbodenheizung. Die Solarpaneelen auf dem Dach sind noch nicht angeschlossen, aber sie haben schon heißes Wasser über die Erdwärmepumpe.

      So nutzen sie die letzte Ferienwoche, um sich Möbel zu kaufen und die Wohnung einzurichten. In der kleinen Stadt gibt es außerdem noch eine kleine Wohnung, die ist für Mo Li, das frühere Kindermädchen von Irina und Dimmy. Vera und Leon hatten mit Mo Li gesprochen. Sie wird in einigen Tagen mit ihrer kleinen Schwester und ihrem Neffen hier ankommen und sie wird auch in Zukunft für die Kinder da sein.

      Das finden Irina und Dimmy wirklich gut. Mo Li ist schon viele Jahre bei ihnen. Sie ist wie eine zweite Mutter für sie. Vera und Leon hatten sie überredet, von den USA hierher zu ziehen. Es hatte etwas Überredungskunst gekostet, denn die kleine Schwester von Mo Li und der Neffe müssen hier eine Ausbildung und einen Arbeitsplatz bekommen. Dafür wird Leon sorgen. Er hat es versprochen.

      Da Mo Li die Kinder liebt, hat sie sich schließlich bereit erklärt. Leon wird sie am Airport Berlin abholen.

      Irina findet, das ist wirklich eine gute Lösung. Mo Li ist ein Stück Heimat. Sie ist nicht nur vertraut, Mo Li hat auch eiserne Regeln. Irina hat das zu schätzen gelernt. Mo Li ist herzenswarm, aber Vera hatte immer wieder und immer wieder mit Mo Li und den Kindern über die Notwendigkeit von festen Regeln gesprochen. „Das ist es, was uns Halt gibt“. Mo Li hatte immer dafür gesorgt, dass die von Vera gesetzten Regeln auch eingehalten werden.

      Mo Li hatte auch im letzten Jahr mit ihnen zusammen in Atlanta gewohnt. Ihre kleine Schwester und ihr Neffe waren „Zuhause“ in Detroit geblieben und hatten ihre Ausbildung zu Ende gemacht. Sie waren von einer Nachbarin betreut worden und Vera hatte die Kosten dafür übernommen. Nein, wirklich, Mo Li gehört schon fast zur Familie.

      5.

      Irina ist Opa Leon dankbar, dass er ihnen dieses Stück Urlaub gegönnt hat. Dieses Möbelkaufen und Einrichten ist zwar spannend, aber es ist auch anstrengend. Schließlich müssen all ihre Sachen aus dem Container noch ins Haus gebracht werden, die sie mit Leon und Dimmy dorthin gebracht hat. >Dieses Einrichten, Auspacken und Einräumen ist nervig und in diesen Tagen liegt wirklich viel rum. Bei Dimmy sieht es aus wie nach der Schlacht im Teutoburger Wald und schließlich muß Mama ihrem Sohn helfen. Dimmy bringt das nicht alleine auf die Reihe.

      Irina ist sich aber auch darüber im Klaren, dass sie in einer völlig privilegierten Situation ist. Opa ist hier der Chef dieser riesigen Firma. Sie haben genug Geld. Sie werden im eigenen Haus wohnen und sie haben diese übernatürlichen Kräfte. Außerdem sprechen sie fließend deutsch, englisch, spanisch und russisch. Wenn es Konflikte gibt, so hatten sie gelernt, die anderen einzusummen. Schließlich hatte es Opa bisher verstanden, sie hervorragend in dieses neue Land einzuführen und dann ist da auch noch diese riesige Familie aus Freunden, auf die sie im Notfall zurückgreifen können.

      Irina sieht offen und mit Spannung in die Zukunft. Sie ist wirklich nicht das typische Immigrantenkind. Sie ist deutlich privilegiert. Das kann ihr helfen, es birgt aber auch die Gefahr des Neids und der Überheblichkeit. Dann denkt sie daran, was Oma Katharina immer von der Erdung spricht. Sie redet mit Dimmy und Dimmy sieht sie lange und schweigsam an. Dann nickt er zustimmend. Durch seine Aktivitäten mit dem Board und dem Bike hat er wirklich erstklassigen Zugang zu den Kids seiner Altersgruppe. Hier wird das sicher ähnlich sein, wie in den USA, aber er stimmt seiner Schwester zu. Integration heißt in erster Linie, dass man sich an die Bedingungen anpasst, ohne sich selbst zu verleugnen. Er hätte das nicht so formulieren können, aber ja, es steht deutlich vor seinem geistigen Auge und Irina liest seine Gedanken. Sie nickt. Schließlich haben sie ja noch Opa und Vera. Sie wissen, dass sie mit den beiden über alles reden können.

      Als Mo Li kommt, bringt Leon die kleine Familie im Ort unter. Es ist eine kleine helle Wohnung. Leon hat während der Fahrt gesummt und er hat sich erzählen lassen. Er hat nach der Ausbildung und den Vorlieben der beiden „Kinder“ gefragt. Chan Lan (die schöne Orchidee) hat Interesse an Sozial-berufen. Irgendwas mit Krankenhaus, Kindern, genau weiß sie das nicht. Ji Long (der heldenhafte Drache) hat in einem Eisenwarenladen gearbeitet. Na so eine richtige Ausbildung war das nicht. Er hat mitgeholfen und alles mögliche dabei gelernt. Der Lohn war gering gewesen, und er war ziemlich oft schlecht behandelt worden.

      Da die drei kein Wort deutsch sprechen, macht Leon den beiden „Kindern“ folgenden Vorschlag. „Ich könnte versuchen, Chan Lang an das hiesige Krankenhaus zu vermitteln, oder in den Kindergarten, aber Voraussetzung ist, dass sie erst mal deutsch lernt. Ji Long könnte ich in eine Autowerkstatt vermitteln, in den Elektronikmarkt, den wir hier im Ort haben, oder auch in unsere Fabrik. In jedem Fall müsst ihr hier aber noch eine Ausbildung haben, wenn ihr nicht als ungelernte Kräfte arbeiten wollt. Sonst gibt es nicht viel Geld zu verdienen. Das was ihr bisher gemacht habt, das wird hier nicht anerkannt.“

      Er fährt fort: „Ich möchte euch einen Vorschlag machen. Wir haben an unserer Schule einen Bauernhof angegliedert. Es gibt dort Tiere und einen Gemüsegarten. Es gibt einen Tierarzt, der regelmäßig kommt und auch einen Hufschmied. Es gibt Werkzeuge, die ständig in Schuss gehalten werden müssen. Viele dieser


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