Die Suche nach der Identität. Hans-Peter Vogt

Die Suche nach der Identität - Hans-Peter Vogt


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rufen dich an.“

      „Du und deine Vorahnungen“, lachte Laura, als sie auf dem Weg in die Stadt waren. Sie hängte sich bei Dennis ein und hüpfte glücklich neben ihm her.

      10.

      Heute am Sonntag morgen waren die Räume der Stiftung leer. Nur am Nachmittag würden vier oder fünf Freunde kommen, um Telefondienst zu machen, aber das müsse sie nicht interessieren. „Ich kann dann mal kurz runtergehen und sehen, ob ich gebraucht werde. Ich mache das immer so. Es gibt Tage, da muss ich dann unerwartet los. Das kennst du ja. An den Wochenenden gibt’s nun mal viele Veranstaltungen, wo man präsent sein will. Heute hab ich darum gebeten, dass sie mich in Ruhe lassen.“

      Lauras Wohnung lag über den Büros der Stiftung, im Dachgeschoss. „Offiziell wohne ich immer noch bei meinen Eltern“, hatte Laura erklärt. „Die sind immer noch in der Welt unterwegs. Mal in Australien, mal in den USA, in Kanada oder auch in Südamerika oder Japan. Sie sollen machen, was sie wollen. Ich hab auch immer noch meine „Nanny“. Die gehört längst zum Inventar. Sie passt auf das Haus der Eltern auf. Sehr praktisch. Ich wohne meistens hier.“

      Sie waren mit dem Aufzug hochgefahren. Laura schloss die Tür auf. Dennis staunte. „Kleine Wohnung, hast du gesagt. Das ist ja ein riesen Teil.“ „Naja. Ich hab genug Platz. Trifter hat übrigens seine Wohnung direkt neben mir. Wenn wir auf dem Balkon stehen, können wir ihm hallo sagen, wenn er da ist.“ Dennis war überwältigt.

      „Das müssen wir erst mal feiern“, meinte er und schlug mit der flachen Hand auf die Bettkante. Laura hatte ihn schon umarmt, warf ihn um und sie fielen lachend aufs Bett.

      An diesem Sonntag zeigte sie Dennis, was man im Internet alles in Erfahrung bringen kann. Politiker, Städtenamen, Luftbilder, die Namen der Frachtdampfer und die Abfahrtszeiten, Kosten der Schiffspassagen und sogar Querschnitte und Aufbau einzelner Schiffe. Sie konnte sich Entfernungen berechnen lassen und einzelne Seiten ausdrucken.

      Dennis war in diesen Sachen völlig unerfahren. Er hatte sich damit nie beschäftigt. Für ihn waren stets ganz andere Dinge wichtig gewesen. Er verstand auch die Bedienung des Geräts nicht. Die Schritte waren für Laura recht einfach, die sie da ausführte. Für Dennis war alles neu.

      Außerdem hatte ihn Laura gewarnt. Im Internet gibt es Seiten, die man lieber nicht öffnen sollte. Ich habe da zwar einen aktuellen Virenschutz drauf, aber das hilft nicht immer. Wir wollen nicht, dass irgendjemand unseren Rechner übernimmt.

      Das verstand Dennis nun gar nicht. Laura erklärte es kurz.

      „Wenn jemand Viren oder sogenannte Backdoorprogramme in unseren Rechner schleust, dann kann er unseren Rechner übernehmen. Er kann ihn selbsttätig zu bestimmten Arbeitsschritten zwingen, ohne dass ich das merke. Er kann sogar Abbuchungen oder Umbuchungen vornehmen. Das ist hochgefährlich und das passiert leider viel öfter, als man denkt. Wir machen hier viele Dinge. Wir müssen uns vorsehen, und dem Rechner nicht alles anzuvertrauen, was wir wissen. Es ist besser, wenn ich dich erst mal nicht alleine mit diesem Ding lasse.“

      Dennis verstand, aber er begriff es nicht. Es war zu weit weg von seinem Lernhorizont. Er würde das in der Schule der Kids besprechen müssen.

      Die Recherche war immerhin vielversprechend. So langsam kamen sie der Sache näher. Es würde noch viele Tage dauern, bis Dennis Legende perfekt war. Soviel verstand Dennis, er musste die Details auswendig lernen, und er musste das sogar noch parat haben, wenn er plötzlich aus dem Tiefschlaf geholt wird. Er durfte keinen Fehler machen.

      „Wie bei einem Geheimagenten“, dachte er.

      Er kannte sich. Normalerweise würde er auf einer solchen Reise viele Menschen treffen und denen auch im Gedächtnis bleiben, eben wegen seiner besonderen Art, also war es das Beste, wenn er anonym gereist war. Er hatte zu den Indios Kontakt gehalten, aber nicht zu bekannten Leuten der Zeit. Dennoch konnte das ungewollte Fragen aufwerfen. Er musste sich vorsehen.

      Außerdem wollte er mehr wissen über die Indios von heute. Wie sie leben, wo sie leben, was für Gebräuche sie hatten. Laura würde ihm noch oft helfen müssen.

      Es waren noch drei Wochen bis zu Connys Abitur und damit auch zu Dennis geplanter Wiedergeburt. Drei Wochen können schnell rumgehen. Dennis hatte es plötzlich eilig.

      11.

      In den nächsten drei Wochen besuchte Dennis Conny oft. Er schlief mal bei Laura, mal bei Conny und auch bei den Kids im Bunker. Die Postkarte war fertig. Richtig mit (gefälschter) Briefmarke, Datum und (gefälschtem) Stempel. Dennis brauchte sie nur noch in seiner Schrift zu schreiben.

      Die Route war fertig. Alle Details festgelegt. Alles auswendig gelernt.

      Dennis sah in dieser Zeit auch Susi noch mal. Alle andern Kontakte verkniff er sich. Seine Sicherheit ging vor. Er hatte den Bart stehen lassen. Die Haare hatte er, entgegen dem Rat „des Dicken“, nicht gefärbt.

      „Wie sieht das aus mit blauen Augen“, hatte er gefragt. „Das ist unglaubwürdig.“ „Ob das einer bemerkt hat“, bezweifelte der Dicke, doch Dennis hatte geantwortet: „Es sind die Details, die sich ein guter Leibwächter merkt. Daran erkennt er jeden wieder. Auch nach Jahren. Mein Tattoo hat Gott sei Dank niemand gesehn.“ Dieser Argumentation konnte sich „der Dicke“ nicht entziehen. „Naja. Ganz können wir dich eh nicht verändern. Dann müssten wir schon eine Gesichtsoperation machen.“ Er grinste. „Schöner wirst du dabei nicht und so groß ist die Gefahr der Entdeckung nun auch wieder nicht. Vor allem, wenn du gleich wieder ins Ausland gehst, wie ich gehört habe.“

      Dennis lächelte. „Der Dicke“ hatte Ohren, die waren größer als Berlin. Gab es überhaupt irgendetwas, was der nicht wusste? Wie gut, dass die Kids solche Leute wie „den Dicken“ oder Trifter auf ihrer Seite hatten.

      Alles war vorbereitet. Die Postkarte war so abgestempelt, dass sie an Dennis alte Adresse ging, dann unzustellbar zurückging ins Hauptpostamt, dort neu adressiert wurde, und dann Dennis Mutter zugestellt wurde. Das war alles gefaked. Tatsächlich warf einer der Kids Dennis’ Postkarte einen Tag nach Connys Abitur in den Briefkasten von Dennis Mutter.

      Zwei Tage später würde Dennis offiziell im Hamburger Hafen ankommen, wenn auch als blinder Passagier, und dann per Anhalter nach Berlin reisen. Auch das war nur die offizielle Version. Tatsächlich sperrte sich Dennis einige Tage vorher bei den Kids ein. Er büffelte, er wusch sich nicht und er ließ sich vergammeln. Die Kids hatten ihm verdreckte Kleidung aus dem Container besorgt. Dennis stank so, dass ihn selbst Laura nicht in ihre Wohnung gelassen hätte.

      Die Kids jedoch hatten an Dennis ihre helle Freude. „Whow“, meinte Bübchen. „So versifft sind sonst nur die Junkies unter der Brücke. Wenn das nicht funktioniert, dann funktioniert nichts mehr.“

      12.

      Als Dennis Mutter die Postkarte im Briefkasten fand, war sie einem Herztod nahe. Sie rief sofort ihren Mann an, und holte ihn aus einer wichtigen Produktion. Er fand sie in Tränen aufgelöst und fast wahnsinnig vor Glück.

      Drei Tage später klingelte das Telefon. Dennis sagte nur, „Mama. Ich bin zurück. Liebst du mich noch?“

      Es gab ein kurzes hin und her. Abholen. Nein. Taxi nein. Der Taxifahrer würde sich weigern. Ich fahre mit der U-Bahn. Er ließ sich die neue Adresse geben. „Mama. Kannst du ein Bad einlassen und mir etwas zu essen machen?“

      Als Dennis in der eleganten Altbauwohnung ankam, drückte sich einer der Hausbewohner vor Schreck an die Wand im Hausflur, dann feixte er hinter Dennis her. Penner seien hier nicht erwünscht. Dennis hörte nicht auf ihn. Er stieg schnell die Treppe hinauf, wo er die Tür geöffnet vorfand.

      „Mama. Ich bin’s wirklich“ sagte er, „jetzt verstehst du, dass ich kein Taxi wollte. Ich bin völlig abgebrannt. Naja, ein paar Sachen hab ich noch im Bahnhofsschließfach.“

      Die Mutter war entsetzt,


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