Digitalisierung verstehen. Hannes Androsch

Digitalisierung verstehen - Hannes Androsch


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die Menschheit ihre Geschichte selbst schreibt, ein Ende bereiten wird.

      Die mögliche menschliche Lebensspanne, die nach heutigem Erkenntnisstand mit 120 Jahren beziffert wird, wollen Forscher in den nächsten Jahrzehnten durch digitale Technik in Verbindung mit Nanotechnologie und Biotechnologie auf etwa 250 Jahre erweitern. Menschliche Intelligenz und individuelles menschliches Bewusstsein unabhängig vom hinfälligen Körper zu schaffen ist die Vision vieler Transhumanisten. Wenn es auch nicht alle Fantasien der digitalen Elite des Silicon Valley in die Realität schaffen werden, so hat sich bereits einiges verwirklicht, was für uns vor einigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen ist.

      KAPITEL 1

      DIGITALER WANDEL

      Die Instrumente der Digitalisierung

      Digitalisierung ohne Wenn und Aber

      Wir befinden uns inmitten des technologischen Wandels „Digitalisierung“, dessen Entwicklung weder absehbar noch vorhersehbar ist. Die einzige Konstante dieser Reise ins Ungewisse, die sich heute prognostizieren lässt: Sie wird unsere Gesellschaft fundamental verändern.

      Ein Wandel, den die seit mehr als 200 Jahren erscheinende Enzyklopädie „Brockhaus“ in ihrem Nachschlagewerk folgendermaßen definiert: „Digitalisierung: im ursprünglichen Sinn die Umwandlung analoger Signale in digitale Daten, die mit einem Computer weiterverarbeitet werden können, in einem weiteren Sinn der Prozess einer alle Lebensbereiche umfassenden Transformation hin zu einem Dasein, das von digitalen Daten bestimmt wird“.

      Grob vereinfacht heißt das: Informationen werden in Zahlen des binären oder dualen Systems mit 0 und 1 als Einheiten abgebildet und gespeichert. Das war alles, was man uns über Digitalisierung erzählt hat. So inflationär der Begriff Digitalisierung derzeit gebraucht wird, so präzise kann man feststellen, dass sich dessen Wahrnehmung innerhalb der Bevölkerung in der jüngsten Zeit verändert hat: Es wird etwas geschehen, auch wenn dieses „Etwas“ noch unklar ist.

      Technologischer Fortschritt: Voraussetzung zeitgemäßen Lebens

      Das Zeitalter der Digitalisierung könnte die Menschheit vor die größte Herausforderung in ihrer Geschichte stellen, die sie jemals zu bewältigen hatte. Wer sich dem digitalen Wandel verweigert, verweigert sich der Zukunft. Aufhalten lässt sich diese rasante technologische Entwicklung nicht, also müssen wir uns ihr stellen. Technische Innovationen verändern unseren Alltag, da sie den sozialen Anforderungen unserer Gesellschaft folgen. Und ehe wir es uns versehen, sind sie bereits unverzichtbarer Bestandteil unseres Privat- wie Berufslebens.

      Alexa weiß, welcher Fußballverein den Aufstieg in die Bundesliga geschafft hat, Siri sagt uns, ob wir einen Regenschutz einpacken sollen, Cortana liest die Nachrichten vor und OK Google berechnet per Sprachaufforderung die schnellste Fahrtroute zu unserem Businesstermin. Aus dem Auto schließlich melden wir uns noch „hands-free“ bei einem Geschäftskunden und um es nicht zu vergessen, stellen wir gleich nebenher den Thermostat der Heizung für den Abend ein. Auch entspannende Berieselung durch die Stereoanlage wäre fein und die richtige Beleuchtung lässt sich obendrein gleich mitprogrammieren. Das alles funktioniert über Sprachsteuerung, also ohne die Hände vom Lenkrad zu nehmen.

      Technische Entwicklungen bedürfen entsprechender Vorlaufzeiten und das, was gestern noch unvorstellbar war, ist heute gebräuchlich und morgen bereits veraltet. Digitale Errungenschaften fallen also keineswegs unvermittelt vom Himmel, sondern sind in der kollektiven Wahrnehmung oft lange vor dem tatsächlichen Eintreten erkennbar. Bereits 1927 hat Fritz Lang mit seinem bedrückenden Stummfilm-Klassiker „Metropolis“ seine Vision der Abhängigkeit der Menschen von der Maschine skizziert, deren Ängste und Sorgen bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüßt haben.

      Die Zeit der Digitalisierung steht erst am Anfang. Einen wesentlichen Schub in die digitale Epoche brachte das Coronavirus SARS-CoV-2, das die Lebensgewohnheiten der Menschen von heute auf morgen umkrempelte. Personen, die technologische Hilfsmittel nach Möglichkeit verweigerten, waren plötzlich angewiesen auf solche. Das begann beim kontaktlosen Bezahlen im Supermarkt und erschöpfte sich mit Homeschooling oder Homeoffice noch lange nicht. Plötzlich reichte es nicht mehr, ein PDF herumzuschicken. Defizite haben auch Schulbuchverlage, die digital am letzten Stand sind, es aber seit Jahren nicht schaffen, die Bildungsinhalte zu digitalisieren. Im Endeffekt ein großes Do-it-yourself, an dem sich Lehrer, Schüler und Eltern beteiligen mussten.

      Corona änderte das digitale Nutzungsverhalten der Menschen schlagartig und dass die überwiegende Mehrheit diese Gewohnheiten auch in nachpandemischen Zeiten beibehält, ist wahrscheinlich.

      Die globale Verbreitung digitaler Netzwerke gehört zu den radikalsten Veränderungen in unserer Gesellschaft. Dass es sich dabei nicht ausschließlich um Technologie handelt, sondern vielmehr um die Akzeptanz von anderen Möglichkeiten, hat uns die Pandemie sehr drastisch vor Augen geführt.

      Innovationen lenken unsere Entwicklung

      Die Entwicklung der Automatisierung zieht sich über zweieinhalb Jahrhunderte, denn nichts ist auch hierbei stetiger als der Wandel. Die Industrie 4.0 wäre ohne die einzelnen Entwicklungsstufen ihrer Vorgänger-Revolutionen undenkbar. Dabei waren die einzelnen industriellen Strömungen geprägt von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen, die sich durch die jeweils vorhandenen Ressourcen ergaben. Die Produktion mittels Maschinen zu mechanisieren – heute als erste industrielle Revolution bezeichnet – entwickelte sich Mitte des 18. Jahrhunderts in der britischen Textilindustrie, wo mechanische Webstühle errichtet wurden, betrieben durch Wasser- und Dampfkraft. Wasserkraft war der erste Energieträger, der auch den Verkehr revolutionierte und zu den ersten Erfolgen der frühen Industrialisierung führte.

      Ausgangspunkt für die zweite industrielle Revolution zu Ende des 19. Jahrhunderts war die Einführung der Elektrizität als Antriebskraft, um die Massenproduktion zu ermöglichen. Auf den Fließbändern in den Werkhallen der Fabriksgebäude zu Beginn des frühen 20. Jahrhunderts konnte bereits in Akkord produziert werden, weil leistungsfähige Motoren die menschliche Arbeit durch Automatisierung ersetzten.

      Errungenschaften in der Kommunikation, wie Telegramm und Telefon, sowie die ersten Schreibmaschinen beschleunigten ebenso die Arbeitsprozesse und sorgten für das Aufkommen von Büroarbeitsplätzen. In dieser Epoche wurden wohl auch die ersten Schritte in Richtung Globalisierung gesetzt: durch die automatisierte Verarbeitung von Rohstoffen, Lebensmitteln und Kleidung sowie den grenzüberschreitenden Warenhandel durch Mobilität als Folge der Entdeckung von Erdöl und der Erfindung des Verbrennungsmotors. Erstmals in der Geschichte konnten durch Luftfahrt oder mittels Dampfschiffen Weltmeere zum Zweck des Warentransports überquert werden.

      Auch die Grundlagen für die dritte industrielle Revolution, der Informationstechnologie, sind hier zu finden: Die erste „Programmiererin“, die britische Mathematikerin Ada Lovelace, veröffentlichte 1843 einen umfangreichen Kommentar zur Programmierung für einen – zwar niemals realisierten – mechanischen Computer. Die wesentlichen Eigenschaften späterer Programmiersprachen, wie Unterprogramm oder Verzweigung, nahm sie damit bereits vorweg.

      Die Wurzeln der dritten industriellen Entwicklungsstufe reichen bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts, belegt durch den ersten funktionsfähigen Computer der Welt. Den legendären Z3 entwickelte der deutsche Bauingenieur Konrad Ernst Otto Zuse im Jahr 1941. Dieser Computer war programmgesteuert, frei programmierbar und vollautomatisch.

      Die dritte industrielle Revolution, in den 1970er-Jahren begründet, machte sich Elektronik und Informationstechnologie zunutze, um die Produktion zu automatisieren. Nachdem die ersten Rechenmaschinen in der Industrie Einzug hielten, schufen Personal Computer für Büro und Haushalt einen neuen Industriezweig. Elektronik, Informationstechnik sowie produktive Roboter ermöglichten eine höhere Automatisation von Produktion, Montage und Logistikprozessen.

      Die vierte industrielle Revolution

      Mechanisierung, Elektrifizierung und Automatisierung verdanken wir den ersten drei industriellen Revolutionen. Die digitale Revolution mit ihrer technologischen Komponente ist im Gegensatz zu den drei


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