Staatsrecht III. Hans-Georg Dederer

Staatsrecht III - Hans-Georg Dederer


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des Völkerrechts in Art. 16a Abs. 5 (= völkerrechtliche Verträge betr Prüfung von Asylbegehren), Art. 25 Satz 1 (= allgemeine Regeln des Völkerrechts), Art. 59 Abs. 1 Satz 1 (= völkerrechtliche Vertretung), Art. 79 Abs. 1 Satz 2 (= völkerrechtliche Verträge betr Friedensschluss ua), Art. 100 Abs. 2 (= Regel des Völkerrechts iSd Art. 25), Art. 104a Abs. 6 Satz 1 (= Kostenverteilung bei Völkerrechtsverletzungen) und Art. 115 Abs. 5 Satz 1 (völkerrechtliche Erklärung betr Verteidiungsfall). Dabei wird der Begriff des Völkerrechts ohne weiteres vorausgesetzt. Dasselbe gilt für die seltenen Fälle, in denen der Begriff des Völkerrechts in den Länderverfassungen auftaucht (Bayern: Art. 84, Art. 99; Bremen: Art. 122; Hessen: Art. 67, Art. 68).

      § 1 Begriffsbestimmung › A. Völkerrecht › III. Zusammenhängende Begriffe

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      Vom Begriff des Völkerrechts sind einige mit diesem zusammenhängende Begriffe abzugrenzen. Als Völkercourtoisie (Völkersitte, comitas gentium) bezeichnet man Verhaltensstandards in den internationalen Beziehungen, die zwar in aller Regel beachtet werden, die aber nicht völkerrechtlich vorgeschrieben sind (zB das diplomatische Zeremoniell).

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      Das interne Organisationsrecht internationaler Organisationen (auch internes Staatengemeinschaftsrecht genannt) ist das für den internen Bereich erlassene Recht (zB Geschäftsordnungen der Organe, Verwaltungsrecht und Prozessrecht der Beamten und Bediensteten internationaler Organisationen). Dessen Qualifizierung als Völkerrecht ist umstritten (s. Rn 513).

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      Der Begriff des Internationalen Rechts hat sich in der deutschen (Völker-)Rechtslehre nicht etabliert. Materien wie das Internationale Privatrecht oder das Internationale Strafrecht gehören zum Kollisionsrecht, welches dem inländischen Recht zuzuordnen ist (s. zB Art. 3 ff EGBGB, § 3 bis § 7 StGB). Es regelt Sachverhalte mit Auslandsberührung, insbesondere das auf den Sachverhalt jeweils anwendbare nationale Recht.

      § 1 Begriffsbestimmung › A. Völkerrecht › IV. Literatur

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      von Arnauld, S. 1 ff und S. 13 ff; Calliess, S. 8 ff; Geiger, S. 4 ff; Krajewski, S. 20 ff; Mosler, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV 1976, S. 6 ff; Kunz, Völkerrecht, allgemein, in: Wörterbuch, Bd. 3, S. 611 ff; Schweisfurth, Völkerrecht, Definition, in: Lexikon, S. 514 ff; Vitzthum, in: Vitzthum/Proelß, S. 5 ff.

      § 1 Begriffsbestimmung › B. Europarecht

      § 1 Begriffsbestimmung › B. Europarecht › I. Begriff

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      Der Begriff des Europarechts kann im weiteren und im engeren Sinn verstanden werden. Im weiteren Sinn bezeichnet Europarecht das Recht der europäischen internationalen Organisationen, wobei der Kreis zunächst auf westeuropäische Organisationen beschränkt wurde. Einige von ihnen haben allerdings auch nicht-europäische Mitglieder, andere wurden ab 1990 auch für osteuropäische Staaten geöffnet.

      Beispiele:

      Zu diesen Organisationen zählen zB die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA), die Europäische Patentorganisation (EPO), der Europarat, die NATO, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ua.

      Beim Europarecht im weiteren Sinn handelt es sich um klassisches Völkerrecht.

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      Europarecht im engeren Sinn bezeichnet das Recht der Europäischen Union. Deren Ursprünge gehen zurück auf die 1957 gegründete Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, später in Europäische Gemeinschaft/EG umbenannt) und die ebenfalls 1957 gegründete Europäische Atomgemeinschaft (EAG oder EURATOM). Die 1951 gegründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) war zeitlich limitiert und lief 2002 aus. Das Recht dieser drei Gemeinschaften nannte man Europäisches Gemeinschaftsrecht.

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      Auf der Basis der Europäischen Gemeinschaften wurde durch den Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (EUV oder Vertrag von Maastricht) die EU geschaffen und durch den Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 und den Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001 modifiziert. Ihre heutige Gestalt erhielt die EU schließlich durch den Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (zur Gestalt der EU vor dem Lissaboner Vertrag s. Vorauflage Rn 24 ff).

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      Die EU enthielt sowohl supranationale (s. Rn 1159) wie auch Elemente klassischer völkerrechtlicher Kooperation. Umstritten war allerdings, ob sie eine eigenständige internationale Organisation darstellte. Das BVerfG bezeichnete die EU in seinem Maastricht-Urteil vom 12. Oktober 1993 (BVerfGE 89, S. 155 ff) als „Staatenverbund“. Was dies konkret bedeutet, hat es zunächst offengelassen, im Lissabon-Urteil vom 30. Juni 2009 dann aber (für die mit dem Lissabon-Vertrag neu errichtete EU) wie folgt beschrieben (BVerfGE 123, 267 ff, 347):

      „Der Begriff des Verbundes erfasst eine enge, auf Dauer angelegte Verbindung souverän bleibender Staaten, die auf vertraglicher Grundlage öffentliche Gewalt ausübt, deren Grundordnung jedoch allein der Verfügung der Mitgliedstaaten unterliegt und in der die Völker – das heißt die staatsangehörigen Bürger – der Mitgliedstaaten die Subjekte demokratischer Legitimation bleiben.“

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      Durch den Vertrag von Lissabon kam es zu einer grundlegenden Änderung der Konstruktion der EU. Daher spricht man auch vom „Reformvertrag von Lissabon“.

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      Die EU basiert gemäß Art. 1 Abs. 3 Satz 1 EUV seither auf zwei Verträgen, dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Der erste Vertrag ersetzt den bisherigen EUV, der zweite benennt den EGV um und ändert ihn teilweise. Beide Verträge sind rechtlich gleichrangig (Art. 1 Abs. 3 Satz 2 EUV). Dazu kommt noch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) (Art. 6 Abs. 1 EUV).

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      Der Begriff des Europäischen Gemeinschaftsrechts entfällt seitdem, man spricht nur mehr vom Unionsrecht oder EU-Recht (Ausnahme s. Rn 32).

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      Die EU hat den Status einer internationalen Organisation bekommen, die Völkerrechtssubjektivität besitzt (Art. 47 EUV, s. Rn 1161). Sie ist an die Stelle der EG getreten, deren Rechtsnachfolgerin sie ist (Art. 1 Abs. 3 Satz 3 EUV). Folgerichtig hat sie die gesamten bisher von der EG oder von ihr selbst erlassenen Rechtsakte übernommen, die vorbehaltlich späterer Änderungen in Geltung geblieben sind. Ebenso hat


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