Staatsrecht III. Hans-Georg Dederer
Das Gesetz hat insofern also eine Doppelfunktion, eine staatsrechtliche (Art. 24 Abs. 1 GG) und eine völkerrechtliche (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Von diesem Ansatz ausgehend hat man den Übertragungsvorgang als „Gesamtakt staatlicher Integrationsgewalt“ bezeichnet, wobei die vorrangige Bedeutung dem Art. 24 Abs. 1 GG zugeordnet wird (H. P. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 60 ff).
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Unter zwischenstaatlichen Einrichtungen iSd Art. 24 Abs. 1 GG versteht man in der Regel internationale Organisationen. Dennoch ist der Begriff offen für andere Erscheinungsformen, sofern sie zwischenstaatlich sind. Damit scheiden non-governmental organizations (s. Rn 1153) ebenso aus wie einzelne fremde Staaten oder innerstaatliche Körperschaften (vgl BVerfGE 2, S. 347 ff, 380). Abstrakt formuliert sind zwischenstaatliche Einrichtungen Vereinigungen von Staaten, die – auf Grund der Übertragung von Hoheitsrechten – eigenständige Hoheitsgewalt im innerstaatlichen Bereich der Mitgliedstaaten ausüben können (zu einigen Beispielen s. Rn 120).
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Die überwiegende Ansicht geht davon aus, dass Art. 24 Abs. 1 GG den Bund nicht absolut schrankenlos zur Übertragung von Hoheitsrechten ermächtigt (vgl Rn 173). Wo hingegen die genauen Grenzen zu ziehen sind, ist umstritten. Als anerkanntes Minimum wird man die Grundsätze ansehen können, deren Unabänderlichkeit in Art. 79 Abs. 3 GG festgelegt ist. Denn wenn diese Grundsätze der Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen sind, dann sind sie erst recht der Disposition des einfachen, das GG aber materiell verfassungsändernden Gesetzgebers nach Art. 24 Abs. 1 GG (Rn 114) entzogen.
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Das BVerfG fordert zudem, dass die Übertragung von Hoheitsrechten durch Gesetz bestimmt genug sein muss, sodass insbesondere die zukünftige Handhabung dieser Hoheitsrechte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände klar sein muss.
Beispiel:
Zu der Frage, ob die Zustimmung der Bundesregierung zur Ausrüstung der in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika mit nuklear ausgerüsteten Raketen einer gesetzlichen Ermächtigung des Bundestages bedürfe oder ob diese Zustimmung bereits durch das Gesetz (iSv Art. 24 Abs. 1 GG) betreffend den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag vom 25. März 1955 gedeckt sei, hat das BVerfG Folgendes ausgeführt (BVerfGE 68, S. 1 ff, 98 f):
„Der Nordatlantikvertrag enthält keine Vorschriften, die der NATO der Zustimmungserklärung entsprechende Befugnisse ausdrücklich zuerkennen. Hieraus folgt indessen nicht, daß im vorliegenden Fall den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 GG nicht genügt wäre. Wie der Senat in seinem Beschluß vom 23. Juni 1981 (BVerfGE 58, 1, 36 f) entschieden hat, ist die sachliche Reichweite des Gesetzesvorbehalts in Art. 24 Abs. 1 GG auch mit Blick auf die Art und Weise zu bestimmen, in der Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift auf der zwischenstaatlichen Ebene errichtet werden und funktionieren. Dies geschieht typischerweise im Rahmen eines Integrationsprozesses. In seinem zeitlichen Verlauf sind zahlreiche einzelne Vollzugsakte erforderlich, um den im Gründungsvertrag angestrebten Zustand herbeizuführen. Die Rechtsformen, in denen sich das vollzieht, können vielfältig sein. Auch dort, wo nicht schon der Gründungsvertrag selbst den Ablauf eines Integrationsprozesses nach Inhalt, Form und Zeitpunkt festgelegt hat, bedarf es für die einzelnen Vollzugsschritte nicht von vornherein jeweils eines gesonderten Gesetzes im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG. Es ist dort entbehrlich, wo bereits der Gründungsvertrag, dem durch Gesetz zugestimmt worden ist, diesen künftigen Vollzugsverlauf hinreichend bestimmbar normiert hat. Wesentliche Änderungen des dort angelegten Integrationsprogramms und seiner Vollzüge sind allerdings nicht mehr von dem ursprünglichen Zustimmungsgesetz nach Art. 24 Abs. 1 GG gedeckt. Die Maßstäbe solcher hinreichenden Bestimmbarkeit müssen dabei aus der jeweiligen Eigenart des vom Gründungsvertrag geregelten Lebenssachverhalts im Lichte der durch Art. 24 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter wie auch der durch die Vorschrift ermöglichten Gestaltungsfreiheiten und ihrer Praktikabilität im internationalen Bereich entnommen werden.
… Gemessen hieran bedurfte die Übertragung von Einsatzbefugnissen über die in Rede stehenden, in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Waffensysteme durch die angegriffene Zustimmung der Bundesregierung nicht eines gesonderten Gesetzes nach Art. 24 Abs. 1 GG.“
b) Art. 23 GG
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Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. 1992 I, S. 2086), das seinerzeit den Beitritt der Bundesrepublik zur EU auf der Grundlage des Vertrags von Maastricht ermöglichte, ist Art. 23 GG alleinige Grundlage für alle Integrationsschritte im Rahmen der Europäischen Union geworden. Art. 24 Abs. 1 GG ist seither nur mehr für andere zwischenstaatliche Einrichtungen, denen Hoheitsrechte übertragen werden, maßgeblich.
Beispiele:
(1) Europäische Patentorganisation (BVerfG, NJW 2001, S. 2705 f, 2705).
(2) Europäische Schulen (BVerfGE 149, S. 346 ff).
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Die Integrationskompetenz liegt dabei allein beim Bund. Insbesondere steht gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG nur dem Bund die Kompetenz zu, durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte auf die EU zu übertragen.
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Diese Bundeskompetenz zur europäischen Integration ist aber nicht auf die gesetzliche Übertragung von Hoheitsrechten iSv Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG beschränkt. Vielmehr ermächtigt Art. 23 Abs. 1 GG zu prinzipiell allen Arten von Integrationsakten. Diese können auch rein völkervertraglicher Natur sein.
Beispiele:
Im Gefolge der weltweiten Finanzkrise ab 2007 kam es auch im Euroraum zu einer Staatsschuldenkrise, welche 2010 zunächst Griechenland erfasste und sich zur sog. „Eurokrise“ auswuchs. Um einen dauerhaften Krisenbewältigungsmechanismus zu schaffen, errichteten die Euro-Staaten der EU 2012 durch völkerrechtlichen Gründungsvertrag den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Der ESM bildet eine eigenständige internationale Organisation. Als zusätzliches Stabilisierungsinstrument wurde 2012 ein weiterer völkerrechtlicher Vertrag, der sog. Fiskalpakt (Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion), abgeschlossen. Das BVerfG hat die Tätigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus als eine Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne des Art. 23 Abs. 2 GG bezeichnet (BVerfGE 135, S. 317 ff, 428). Für den Fiskalpakt kann nichts anderes gelten.
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Die von Art. 23 Abs. 1 GG vermittelte Ermächtigung zur europäischen Integration gilt nicht nur für die Errichtung der EU, sondern auch für alle zukünftigen Integrationsschritte. Sie können durch ordentliche oder vereinfachte Vertragsänderungen (Art. 48 Abs. 2 bis Abs. 6 EUV), besondere Vertragsänderungen (zB Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 EUV) sowie durch die Inanspruchnahme von sog. Brückenklauseln (Passerelles, Art. 48 Abs. 7 EUV, Art. 81 Abs. 3 AEUV, s. Rn 133), die Kompetenzerweiterungsklausel (Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV) oder die Flexibilitätsklausel (Art. 352 AEUV) zustande kommen. Ob und inwieweit entsprechende Integrationsakte unter dem staatsrechtlichen Vorbehalt eines formellen Gesetzes stehen oder nur unter Beachtung der sich aus Art. 79 Abs. 2 oder 3 GG ergebenden Anforderungen ergehen