Besteuerung von Unternehmen I. Wolfram Scheffler
Verordnung.
Im steuerlichen Bereich sind Richtlinien von größerer Bedeutung als Verordnungen. Richtlinien verpflichten die Mitgliedstaaten zu einer Anpassung der nationalstaatlichen Vorschriften an die darin vorgegebenen Ziele (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Richtlinien haben die Aufgabe der Rechtsangleichung, dh sie beschränken sich auf die Vorgabe eines Harmonisierungsziels. In welcher Form und mit welchen Mitteln dieses Vorhaben verwirklicht wird, bleibt innerhalb des vorgegebenen Rahmens den Mitgliedstaaten überlassen. Für den einzelnen Steuerpflichtigen sind die Regelungen einer Richtlinie grundsätzlich erst nach ihrer Transformation in innerstaatliches Recht verbindlich. Der Steuerpflichtige kann sich ausnahmsweise direkt auf eine Richtlinie berufen, wenn der Mitgliedstaat seiner Umsetzungsverpflichtung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist, die getroffene Regelung inhaltlich hinreichend bestimmt ist und keine Bedingung enthält.
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Das Schwergewicht der Richtlinien liegt bislang im Bereich der Umsatzsteuer. Rechtsgrundlage für die Harmonisierung der indirekten Steuern (Umsatzsteuer, spezielle Verbrauchsteuern) bildet Art. 113 AEUV, nach dem sicherzustellen ist, dass der innergemeinschaftliche Waren- und Dienstleistungsverkehr durch steuerliche Regelungen nicht behindert wird. Die Einführung des Mehrwertsteuersystems, die Regelungen über die Bemessungsgrundlage oder den Ort der Leistung im deutschen Umsatzsteuergesetz sind weitgehend das Ergebnis einer Harmonisierung auf europäischer Ebene. Erhebliche Änderungen des deutschen Umsatzsteuergesetzes ergaben sich im Zusammenhang mit der Errichtung des europäischen Binnenmarktes und der Neufassung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Bei der Auslegung des nationalen Umsatzsteuergesetzes muss immer geprüft werden, ob dieses mit den Richtlinien vereinbar ist. Die Beschränkung der Verbrauchsteuern auf Energieerzeugnisse, Tabakwaren und Alkohol sowie die Bandbreiten der zulässigen Steuersätze sind durch drei Richtlinien zu den speziellen Verbrauchsteuern vorgegeben. Die konkrete Ausgestaltung der Verbrauchsteuergesetze in Bezug auf grenzüberschreitende Lieferungen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren steht gleichfalls im Zusammenhang mit dem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU.
Da von den direkten Steuern (insbesondere Einkommen- und Körperschaftsteuer) im Prinzip keine unmittelbaren Beeinträchtigungen des innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehrs ausgehen, gibt es für die Ertragsteuern nur wenige Richtlinien. Die Begrenzung der Harmonisierung im Bereich der direkten Steuern durch die Grundsätze der Subsidiarität und Erforderlichkeit ermöglicht den „Wettbewerb der Steuersysteme“. Für die Harmonisierung im Bereich der Ertragsteuern existiert keine spezielle Vorschrift, sie erfolgt im Rahmen der allgemeinen Angleichung der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten (Art. 115 AEUV). Ausnahmen sind die Richtlinie über Fusionen, Spaltungen, Einbringung von Unternehmensteilen und Austausch von Anteilen (Fusionsrichtlinie), die Richtlinie über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen innerhalb eines grenzüberschreitend tätigen Konzerns (Mutter-Tochter-Richtlinie) sowie die Richtlinie über die Besteuerung von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (Zins-Lizenz-Richtlinie). In den letzten Jahren wurden diese durch die Richtlinie über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der EU (Streitbeilegungsrichtlinie), die Richtlinie zur Bekämpfung von Steuermeidungspraktiken (ATAD-Richtlinie) und die Ergänzung der Amtshilferichtlinie mit einer europaweiten, einheitlichen Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle (DAC 6-Richtlinie) erweitert.
Auf dem Gebiet des Verfahrensrechts sind die Richtlinie in Bezug auf die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und die Beitreibungsrichtlinie hervorzuheben, die die rechtliche Grundlage für einen Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden der EU-Staaten sowie die gegenseitige Unterstützung bei der Erhebung von Steuern schaffen.
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(4) Gesetze: Die mit Abstand wichtigste steuerliche Rechtsquelle sind Gesetze. Dies ergibt sich zum einen aus dem Rechtsstaatsgedanken, wonach ein Eingriff in die Privatsphäre des Bürgers einer gesetzlichen Grundlage bedarf (Art. 20 Abs. 3 GG), und zum anderen aus dem im Steuerbegriff enthaltenen Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit und Tatbestandsbestimmtheit (§ 3 Abs. 1, § 38 AO).[14]
Als übergreifende Gesetze sind die Abgabenordnung und das Bewertungsgesetz zu nennen. Die Abgabenordnung fasst die wichtigsten Regelungen des allgemeinen Steuerschuldrechts sowie des Steuerverfahrensrechts zusammen. Sie gilt für alle Steuerarten, die durch Bundesrecht oder das Recht der Europäischen Union geregelt werden, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden (§ 1 AO). Durch die Abgabenordnung werden die Einzelsteuergesetze entlastet, Wiederholungen und widersprüchliche Regelungen vermieden. Die Abgabenordnung wird ergänzt durch mehrere Nebengesetze, wie die Finanzgerichtsordnung (gerichtlicher Rechtsschutz), das Gesetz über die Finanzverwaltung (Behördenorganisation) und das Steuerberatungsgesetz (Einschränkungen des Kreises der zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen sowie Berufsrecht der steuerberatenden Berufe).
Während die Abgabenordnung in erster Linie dem allgemeinen Steuerrecht zuzuordnen ist, zählt das Bewertungsgesetz zum besonderen Steuerrecht. Das Bewertungsgesetz enthält Vorschriften zur Bewertung von Wirtschaftsgütern. Der Anwendungsbereich des Bewertungsgesetzes (§ 1, § 17 BewG) liegt – soweit Bewertungsfragen angesprochen sind – insbesondere im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer (Ermittlung des gemeinen Werts von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, Grundvermögen, Betriebsvermögen und von Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften) sowie der Grundsteuer (Ermittlung des Grundsteuerwerts des Grundbesitzes).
Die Regelungen zu Steuersubjekt, Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuertarif sind für die wichtigsten Steuerarten in speziellen Einzelsteuergesetzen zusammengefasst. Die wichtigsten Einzelsteuergesetze sind: Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Grundsteuergesetz, Grunderwerbsteuergesetz und Umsatzsteuergesetz.
Von den Gesetzen zu besonderen Regelungsbereichen sind hervorzuheben:
– | Außensteuergesetz (AStG): Maßnahmen zur Sicherstellung des Steueranspruchs im Inland, zB bei unangemessenen Verrechnungspreisen innerhalb eines internationalen Konzerns, bei Wegzug eines Steuerpflichtigen aus der Bundesrepublik Deutschland oder bei Gründung einer passiv tätigen Kapitalgesellschaft in einem Niedrigsteuergebiet |
– | Umwandlungssteuergesetz (UmwStG): ertragsteuerliche Erleichterungen für Umstrukturierungen von Unternehmen, wie Rechtsformwechsel oder Fusion (als Alternative zur Bewertung des übertragenen Vermögens mit dem gemeinen Wert: Wahlrecht, die bisherigen Buchwerte fortzuführen, um dadurch im Zeitpunkt der Umstrukturierung eine Auflösung und damit Besteuerung stiller Reserven zu vermeiden) |
– | Investmentsteuergesetz (InvStG): einkommensteuerliche Behandlung der Erträge aus in- und ausländischen Investmentfonds |
– | Investitionszulagengesetz 2010 (InvZulG 2010): Zulagen für unternehmerische Investitionen in den neuen Bundesländern und in Berlin (für Investitionen bis zum Jahr 2013) |
– | Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz, FZulG): Zulage für Forschungen und Entwicklungen im Bereich Grundlagenforschung, industrielle Forschung und experimentelle Entwicklung |
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Vermögensbildungsgesetz (5. VermBG) und Wohnungsbau-Prämiengesetz: Förderung der Vermögensbildung |