Klausurenkurs im Bürgerlichen Recht II. Ulrich Falk
die durch die Beauftragung des Architekturbüros entstanden sind. Hätte die GmbH nicht auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut, hätte sie das Architekturbüro nicht beauftragt.
Bei den € 50.000 handelt es sich um ein freiwilliges Vermögensopfer. Unter einem Schaden im natürlichen Sinn versteht man zwar grundsätzlich nur Einbußen, die jemand unfreiwillig an seinen Lebensgütern erleidet und keine willentlich erbrachten Vermögensopfer. Soweit für enttäuschtes Vertrauen gehaftet wird, umfasst der zu ersetzende Schaden gleichwohl auch solche Aufwendungen, die ursprünglich freiwillig erbracht wurden und infolge des schädigenden Ereignisses nutzlos geworden sind.[26] Ein Anspruch auf Ersatz der € 50.000 ist deshalb zu bejahen.
Nicht einschlägig ist § 284 BGB. Diese Vorschrift über den Ersatz vergeblicher Aufwendungen setzt einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung voraus. Voraussetzung ist bei dieser Norm die Verletzung von Leistungspflichten, welche wiederum an einen Erfüllungsanspruch anknüpfen.
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Fraglich erscheint, ob die GmbH ausnahmsweise den Ersatz ihres viel höheren positiven Interesses verlangen kann. Bejaht man dies, ist der Schadensersatzanspruch allerdings nicht auf Nachholung des Vertragsschlusses als Naturalrestitution (mit der Folge, dass die GmbH Übereignung des Grundstücks zum Preis von € 1,5 Mio. verlangen könnte) gerichtet.
Der BGH hat in einem ähnlich gelagerten Fall überzeugend ausgeführt, dass eine Grundstücksauflassung nur im Rahmen der Erfüllung des Vertrags verlangt werden kann, nicht aber im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs. Anderenfalls würde die Formvorschrift des § 311b I BGB leerlaufen. Der Gläubiger habe stattdessen einen Anspruch darauf, finanziell so gestellt zu werden, dass er ein vergleichbares Grundstück erwerben könne.[27]
Das Erfüllungsinteresse kann bei einem Anspruch aus culpa in contrahendo freilich nur ausnahmsweise verlangt werden. Die bloße Wahrscheinlichkeit, dass der gewünschte Vertrag bei pflichtgemäßem Verhalten des anderen Teils zustande gekommen wäre, steht dem Vertragsschluss selbst regelmäßig noch nicht gleich. Ersatzansprüche, wie sie sich aus einem Vertrag ergeben, können deshalb normalerweise nicht über den Umweg des Schadensersatzes gewährt werden. Vielmehr soll z. B. nach Medicus das positive Interesse nur dann im Schutzbereich liegen, wenn der andere Teil sein Verhalten selbst an bestimmte Regeln gebunden und damit seine Abschlussfreiheit eingeschränkt habe.[28] Derjenige, der nicht zum Vertragsschluss verpflichtet sei, könne ebenso wenig zu dem schadensrechtlichen Äquivalent der aus einem (wirksamen) Abschluss geschuldeten Erfüllung verpflichtet sein.[29] Bei schuldhafter Veranlassung der Nichtbeachtung einer gesetzlichen Form dürfte es deshalb, so Flume, nur geboten sein, dass der Partner den Schaden ersetzt bekomme, den er dadurch erleide, dass er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraue.[30]
Für diese Ansicht sprechen die besseren Argumente. Entweder liegt nämlich ein Fall vor, der ausnahmsweise dazu führt, dass der Vertrag dennoch als formwirksam behandelt wird – dann besteht aber ein Erfüllungsanspruch und nicht lediglich ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse. Oder die Pflichtverletzung führt zu einem Anspruch aus culpa in contrahendo. Dieser sollte dann auch nur auf das negative Interesse gerichtet sein, um die vorherige Wertung nicht zu konterkarieren.[31] Die GmbH muss sich deshalb – wenn man hier einen formwirksamen Vertrag verneint – mit dem Ersatz der nutzlos gewordenen Architektenleistungen im Wert von € 50.000 zufriedengeben.
Hinweis für die Fallbearbeitung:
Gleichgültig wie man sich in dieser Frage entscheidet, ist aber zu beachten, dass die GmbH auf keinen Fall das negative (Architektenhonorar i. H. v. € 50.000) und das positive Interesse (entgangener Gewinn der GmbH gem. § 252 BGB i. H. v. € 750.000) gleichzeitig erhalten kann. Diese Kumulation stellt denklogisch einen groben Fehler dar.
5. Mitverschulden
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Fraglich erscheint, inwieweit sich die GmbH ein Mitverschulden des GF an der Formunwirksamkeit des Vertrags gem. § 254 BGB anrechnen lassen muss. Immerhin hätte GF den L von dem Erfordernis der notariellen Form überzeugen können und sich nicht auf ein bloß mündliches Versprechen einlassen müssen. Hier spiegelt sich die obige Argumentation zur unzulässigen Rechtsausübung und zur Pflichtverletzung wider. Geht man von einer Schutzwürdigkeit der GmbH und damit einer Haftung des L aus, sprechen die besseren Argumente dafür, dieses Ergebnis nicht durch die Annahme eines Mitverschuldens wieder aufzuweichen.
III. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
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Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB scheitert bereits an der fehlenden Rechtsgutsverletzung, da das Vermögen als solches kein sonstiges Recht ist.
IV. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB
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Ein Anspruch der GmbH gegen L auf Schadensersatz aus § 823 II BGB ist fernliegend. Hierfür bedarf es der Verletzung eines Schutzgesetzes. Schutzgesetze i. S. v. § 823 II BGB sind alle Rechtsnormen, die nicht nur dem Schutz allgemeiner öffentlicher Interessen dienen, sondern zumindest auch Individualinteressen schützen sollen. § 263 StGB ist zwar ein solches Schutzgesetz; L hat aber mit dem Geben seines Ehrenworts nicht über eine Tatsache i. S. d. § 263 StGB getäuscht. Zu diesem Zeitpunkt war er noch willens, den Grundstückskaufvertrag auch ohne Vorliegen der notariellen Form zu erfüllen. Später hat er zwar GF für einige Zeit im Glauben gelassen, dass er auch weiterhin zur Erfüllung bereit sei. Dadurch hat er die GmbH jedoch nicht zu einer Vermögensverfügung veranlasst. Außerdem fehlt es L an der Bereicherungsabsicht.
V. Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB
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Auch ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB muss zwingend verneint werden. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wollte L noch sein Rittergut verkaufen. Ihm fehlte deshalb der Schädigungsvorsatz. Später hielt L den GF dann zwar bewusst hin, zu diesem Zeitpunkt war das Architekturbüro aber schon beauftragt. Der Schaden war bereits entstanden, so dass die Hinhaltetaktik des L nicht kausal war.
Anmerkungen
S. hierzu im Überblick Palandt-Grüneberg, § 242 Rdnr. 15 f. Vgl. auch Westermann/Bydlinski/Arnold, Schuldrecht AT, Rdnr. 34 ff., insb. auch mit wertvollen Hinweisen zu den Vor- und Nachteilen von Fallgruppenbildungen.
Palandt-Ellenberger, § 125 Rdnr. 25.
Palandt-Ellenberger, § 125 Rdnr. 25.
Siehe zu möglichen anderen Fallgruppen: Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 180 ff.; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rdnr. 631 ff.; vgl. auch Grundfall und Abwandlung in Bitter/Röder, BGB Allgemeiner Teil, § 15 Fall Nr. 30.
RGZ 117, 124.
Flume, Allgemeiner Teil des BGB Bd. 2, S. 279 f. Vgl. auch Soergel-Hefermehl, § 125 Rdnr. 37; Erman-Arnold, § 125 Rdnr. 32; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 181. In einer neueren Entscheidung